Sonderzahlungen an ausscheidende Mitarbeiter

Zum Abschied noch ein teures Dan­ke­schön?

von Dr. Roland KleinLesedauer: 5 Minuten

Wenn Mitarbeiter zum Ende eines Jahres ausscheiden, gibt es regelmäßig Streit über Sonderzahlungen für das zu Ende gegangene Kalenderjahr. Roland Klein erläutert, wann etwa Weihnachtsgeld oder auch das "13. Gehalt" dennoch fällig werden.

Sonderzahlungen, die zusätzlich zum Arbeitsentgelt in Aussicht gestellt werden, sind weit verbreitet. Die Bezeichnungen hierfür sind zahlreich, üblich sind die Begriffe Bonus, "13. Monatsgehalt", Gratifikation, Weihnachtsgeld, Tantieme oder Jubiläumsgeld, ohne dass die Liste damit bereits erschöpft wäre.

Typisch sind im Zusammenhang mit der Gestaltung von Sonderzahlungen Regelungen, wonach die Sonderzahlung vom "ungekündigten Bestand" des Arbeitsverhältnisses zum Stichtag 31. Dezember des laufenden Kalenderjahres abhängig gemacht wird. Es besteht auf Arbeitgeberseite regelmäßig kein Interesse, Sonderzahlungen an Mitarbeiter zu leisten, die "auf dem Absprung" sind oder das Unternehmen bereits zum Auszahlungszeitpunkt verlassen haben.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat jedoch in einer ganzen Reihe von Entscheidungen derartige Stichtagsklauseln für unwirksam erklärt. Nur in besonders gelagerten Fällen erlaubt es die Rechtsprechung, eine Sonderzahlung unter Berufung auf Stichtagsklauseln zu versagen. Worauf zu achten ist, soll nachfolgend erläutert werden.

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Welchem Zweck dient die Sonderzahlung?

Die Rechtsprechung geht bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Stichtagsklauseln von der Frage aus, welchem Zweck die Sonderzahlung dienen soll.

Sonderzahlungen können den unterschiedlichsten Zwecken dienen – sie können, wie zum Beispiel Jubiläumsgelder, die Betriebstreue belohnen. In Krisenzeiten können "Halteprämien" oder sogenannte Retention-Boni gezahlt werden, damit Mitarbeiter von einem Wechsel des Arbeitgebers innerhalb eines definierten Zeitraums absehen. Sie können auch den Charakter eines zusätzlichen Leistungsanreizes haben, wie etwa Boni, die die Erreichung personenbezogener Ziele belohnen, oder Tantiemen, die an den Unternehmenserfolg anknüpfen. Häufig jedoch werden Sonderzahlungen ohne ausdrückliche Zwecksetzung zusätzlich zum regulären Gehalt gezahlt.

Die Frage, welchem Zweck die Sonderzahlung dienen soll, stellt bereits eine ganz wichtige Weichenstellung für die Antwort dar, ob eine Stichtagsklausel wirksam vereinbart werden darf oder nicht. Hierbei lassen sich Sonderzahlungen für Betriebstreue, arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen und Sonderzahlungen mit Mischcharakter unterscheiden, bei denen beide Motive – Arbeitsleistung wie Betriebstreue - bei der Zahlung hineinspielen.

Sonderzahlungen für Betriebstreue können dabei durchaus auf eine Stichtagsregelung abstellen. So hat die Rechtsprechung etwa Stichtagsklauseln im Rahmen der Halteprämien gebilligt. Wenn ein Arbeitnehmer – etwa während einer Insolvenz - einen Bonus dafür erhalten soll, dass er bis zu einem bestimmten Tag sein Arbeitsverhältnis nicht kündigt, so darf ihm zulässigerweise der Bonus versagt werden, wenn er zum Stichtag die Kündigung ausgesprochen hat (BAG v. 14.11.2012, Az. 10 AZR 3/12).

Wichtig ist, dass sich in diesen Fällen der Aspekt der ausschließlichen Belohnung von Betriebstreue aus dem Vertrag beziehungsweise den Umständen bei Vertragsschluss klar ergibt.

Sonderzahlungen mit Mischcharakter

Fehlt es an einer eindeutigen Regelung, geht die Rechtsprechung regelmäßig von einer arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung oder einer Sonderzahlung mit Mischcharakter aus, bei der sich Aspekte der Vergütung und der Betriebstreue "vermischen". Für beide, also auch für Sonderzahlungen mit Mischcharakter, gilt, dass diese grundsätzlich nicht nachträglich entzogen werden dürfen.

Denn eine Sonderzahlung, die zumindest "auch" die Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann laut BAG regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht worden ist.

Ein Untergang des Anspruchs führe nämlich dazu, dass dem Arbeitnehmer die Zahlung nachträglich entzogen werde, obwohl er seine Arbeitsleistung erbracht habe. Für einen derartigen Entzug der Gegenleistung fehle es regelmäßig an einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers, so die Erfurter Richter. Damit können arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen wie auch Sonderzahlungen mit Mischcharakter nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am Jahresende abhängig gemacht werden.

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2/2: Eine schwierige Abgrenzung

Es liegt auf der Hand, dass angesichts der Vielgestaltigkeit der Sonderzahlungen die Abgrenzung zwischen Sonderzahlungen mit Mischcharakter und Zahlungen für Betriebstreue im Einzelfall schwierig vorzunehmen ist. Die Bezeichnung als Sonderzahlung ist dabei nicht allein entscheidend. Im Jahr 2013 hat das BAG eine Weihnachtsgratifikation als Sonderzahlung mit Mischcharakter angesehen, für welche die Vereinbarung einer Stichtagsklausel unzulässig sei. Dabei verwies das BAG u.a. darauf, dass der Arbeitgeber im Rahmen der Gesamtzusage den Mitarbeitern für ihren persönlichen Einsatz gedankt habe.

Hieraus leitete es den Mischcharakter ab (BAG v. 13.11.2013, Az. 10 AZR 848/12). Ein Jahr zuvor hatte es für ein Weihnachtsgeld noch anders entschieden und eine Stichtagsklausel unter Hinweis darauf zugelassen, dass diese Zahlung ausschließlich für Betriebstreue erbracht werde. Wenn die Sonderzahlung eindeutig zum Zweck der Bindung des Mitarbeiters erbracht werde, sei es sogar zulässig, diese entfallen zu lassen, wenn die Beendigung auf einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung beruhe (BAG v. 18.1.2012, Az. 10 AZR 667/10).

Diese Einschätzung ist zuletzt vom LAG Nürnberg kritisch gesehen worden – zumindest dann, wenn der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt. Dahinter steht die Überlegung, dass die Beendigung in diesem Fall in keinem Zusammenhang mit fehlender Betriebstreue des Arbeitnehmers zu sehen ist (LAG Nürnberg v. 1.7.2016, Az. 3 Sa 426/15; a.A. BAG v. 18.1.2012, Az. 10 AZR 667/10).

Ausnahmen für besonders gelagerte Fälle

Nur "in besonders gelagerten" Fällen kann laut BAG der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse haben, den Verbleib des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis zur Bedingung für den Anspruch auf eine Sonderzahlung zu machen – und zwar auch dann, wenn diese arbeitsleistungsbezogen ist.

So könne die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber im Zeitraum vor dem Stichtag einen besonderen Wert haben, beispielsweise bei Saisonbetrieben. Wenn eine Sonderzahlung an Unternehmenserfolge anknüpft, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eintreten sollen, sei es ebenfalls denkbar, die Zahlung an den Verbleib des Mitarbeiters bis zu diesem Zeitpunkt zu binden.

Es bleibt indes offen, inwieweit die Rechtsprechung "besonders gelagerte Fälle" anerkennt, in denen Stichtagsklauseln zulässig sein sollen. Hier bedarf es noch weiterer Präzisierung durch die Rechtsprechung. Zulässig bleiben demgegenüber immer Regelungen, die nicht den Wegfall des Anspruchs zum Inhalt haben, sondern lediglich im Fall eines unterjährigen Ausscheidens eine anteilige Kürzung vorsehen.

In keinem Fall darf die Zahlung jedoch von einem Zeitpunkt außerhalb des eigentlichen Bezugszeitraums abhängig gemacht werden (BAG v. 12.4.2011, Az. 1 AZR 412/09). Daher sind Stichtagsklauseln, die auf das ungekündigte Verhältnis zum Jahresende abstellen, in der Regel unwirksam, jedenfalls für die Sonderzahlungen, die "auch" für die Arbeitsleistung erbracht werden.

Die genannten Grundsätze gelten sowohl für vorformulierte Arbeitsverträge wie auch für Regelungen in Betriebsvereinbarungen (BAG v. 12.4.2011, Az. 1 AZR 412/09). Lediglich die Tarifparteien genießen einen erweiterten Regelungsspielraum (BAG v. 13.11.2013, Az. 10 AZR 848/12). Dies kann sich der Arbeitgeber insoweit zunutze machen, indem er auf entsprechende Klauseln aus für seinen Betrieb einschlägigen Tarifverträgen im Arbeitsvertrag Bezug nimmt.

Rechtssicherheit nur bei präziser Formulierung

Wenn Sonderzahlungen zumindest "auch" als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung gezahlt werden, können diese nicht nachträglich entfallen. Arbeitgeber, die bei der Vertragsgestaltung eine rechtssichere Lösung anstreben, sollten von vornherein auf Stichtagsklauseln verzichten und in ihren Vereinbarungen allenfalls ratierliche Zahlungen im Fall eines unterjährigen Ein- oder Austritts vorsehen.

Nur dann, wenn der Zweck der Sonderzahlung ausschließlich auf Betriebstreue beruhen soll oder einen besonders gelagerten Fall betrifft, wie etwa die Saisonarbeit, kann eine Stichtagsklausel Verwendung finden, welche den Bestand des ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem gewissen Zeitpunkt zur Voraussetzung der Sonderzahlung macht. In diesen Fällen muss sich der Zweck der Sonderzahlung eindeutig aus dem Vertrag ergeben.

Der Autor Dr. Roland Klein ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei BEITEN BURKHARDT in Berlin. Er berät zu Fragen im gesamten Individual- und Kollektivarbeitsrecht und den entsprechend angrenzenden Feldern des Gesellschafts- und Sozialrechts.

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