Politischer Extremismus und Arbeitsrecht

Mei­nung hat Grenzen

Gastbeitrag von Dr. Daniel Hund, LL.M.Lesedauer: 4 Minuten

Muss der Arbeitgeber Extremismus in seiner Belegschaft dulden? Nur bedingt, denn die Meinungsäußerungsfreiheit gilt zwar auch im Arbeitsverhältnis, allerdings nicht grenzenlos. Die Details erklärt Daniel Hund.

Politischer Radikalismus oder gar Extremismus ist auf dem Vormarsch. Das stellt zunehmend auch Arbeitgeber vor Herausforderungen. So kann es nicht nur eine Gefahr für die Reputation des Arbeitgebers darstellen, wenn er politisch radikal oder gar extrem eingestellte Mitarbeiter beschäftigt. Auch innerbetrieblich drohen Konflikte – etwa mit Mitarbeitern, gegen die sich der Radikalismus oder Extremismus richtet oder wenn sich andere Mitarbeiter daran stören.

Was ein Arbeitgeber an politischem Radikalismus oder Extremismus dulden muss, hängt zunächst davon ab, ob es ein privater oder öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber ist. Der private muss im Zweifel mehr dulden als der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber. Letzterer darf von seinen Mitarbeitern erwarten, dass ihr Verhalten mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung i. S. d. Grundgesetzes vereinbar ist. Sie sollen sich am Arbeitsplatz politisch mäßigen und sich Zurückhaltung auferlegen, wobei sich der Umfang dieser Verpflichtung auch an der ausgeübten Funktion bemessen kann.

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Aktives Eintreten für verfassungsfeindliche Partei

Daher kann in einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis sogar eine politisch extreme Betätigung, die außerhalb des Betriebs erfolgt und keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses begründen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dies z. B. für eine außerdienstlich begangene strafbare Volksverhetzung bejaht. Zwar reicht auch im öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis für eine wirksame Kündigung nicht schon die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei aus (BAG Urt. v. 12.05.2011, Az. 2 AZR 479/09). Das aktive Eintreten für eine solche kann dies aber durchaus.

Auch das Beschimpfen oder Verächtlichmachen der Verfassung oder von Verfassungsorganen kann den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen. Bei öffentlich-rechtlich beschäftigten Lehrern und Erziehern kann der Erziehungsauftrag zu einer weiteren Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit führen.

Privater muss mehr dulden

Der private Arbeitgeber muss grundsätzlich mehr dulden als der öffentlich-rechtliche. Anders als im öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis kann eine außerdienstliche politische Betätigung eines Arbeitnehmers nur höchstausnahmsweise zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Dies dann, wenn die berechtigten Interessen des Arbeitgebers derart erheblich beeinträchtigt werden, dass im Rahmen der Abwägung dieser Interessen mit der Meinungsäußerungsfreiheit des Arbeitnehmers diese zurücktreten muss.

Insbesondere in sog. Tendenzbetrieben kann dies der Fall sein. Darunter versteht man z. B. Interessenverbände, wie Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, politische Einrichtungen und Parteien, Unternehmen mit konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Zielen sowie die Medien. Verlangt z. B. ein Medienhaus von seinen Mitarbeitern bei der Einstellung ein Bekenntnis zum Staat Israel und gegen Antisemitismus, darf es mit Recht erwarten, dass sich die Mitarbeiter nicht – auch nicht außerdienstlich – in antisemitischer Weise äußern oder betätigen.

In allen Arbeitsverhältnissen gilt jedenfalls, dass die Arbeitnehmer auch am Arbeitsplatz das Recht auf freie Meinungsäußerung haben. Der Arbeitgeber kann daher nicht per se das Tragen von Plaketten, Buttons oder Aufklebern mit politischem Bezug untersagen. Dies gilt im Grundsatz sogar für solche mit radikalen Inhalten.

Grenze bei konkreten Störungen des Betriebsablaufes

Die Grenze der politischen Betätigung im Betrieb ist aber immer dann erreicht, wenn sie zu einer konkreten Störung von Betriebsabläufen und des betrieblichen Zusammenlebens führt. Dies kann dann der Fall sein, wenn die politische Betätigung dazu führt, dass es anderen Mitarbeitern erheblich erschwert oder unmöglich gemacht wird, ihre Arbeitspflichten zu erfüllen. Das wäre etwa der Fall, wenn sich die Kollegen weigern würden, mit einem Kollegen zusammenzuarbeiten, der offen für eine extreme Partei (z.B. die NPD) durch entsprechende Betätigung im Betrieb eintritt.

Grundsätzlich gilt folgende Formel: je radikaler und menschenversachtender die politische Betätigung, desto geringer die Anforderungen an eine konkrete Störung des Betriebsablaufs und des Zusammenlebens im Betrieb.

Auch im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis können daher insbesondere rassistische und menschenverachtende Äußerungen zur wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Die Rechtsprechung hat dies etwa volksverhetzende Äußerungen auf der Betriebstoilette zu Recht bejaht (LArbG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.03.2009, Az. 2 Sa 94/08).

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung. Denn (falsche) Tatsachenbehauptungen sind vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit ohnehin nicht gedeckt. So ist  das Leugnen des Holocausts kein Werturteil, sondern eine Tatsachenbehauptung und damit nicht von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt. Dies ist im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers zu werten.

Pflichten des Arbeitsgebers

Übrigens können politisch radikale oder gar extreme Äußerungen, wie etwa rassistische Beleidigungen oder sexistische Äußerungen, nicht nur ein Recht des Arbeitgebers zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses begründen, sondern auch dessen Pflicht, andere Mitarbeiter vor derartigen Äußerungen zu schützen. Dies ergibt sich aus § 12 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sowie aus vertraglichen Fürsorgepflichten des Arbeitgebers gegenüber den anderen Arbeitnehmern.

Das kann sogar dazu führen, dass der Arbeitgeber gegenüber radikalen oder extremen Arbeitnehmern eine Kündigung aussprechen muss. Wer als Arbeitgeber gegen Radikale und Extremisten, die sich am Arbeitsplatz entsprechend politisch betätigen, aus Scheu vor arbeitsrechtlichen Konflikten nicht konsequent vorgeht, handelt daher unter Umständen mit Zitronen. Ihm können dann nämlich Klagen von anderen Arbeitnehmern drohen – ggf. mit entsprechender Öffentlichkeitswirkung.

Dr. Daniel Hund, LL.M. (NYU) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Partner bei der Kanzlei Beiten Burkhardt in München. Er berät nationale und internationale Unternehmen im europäischen und deutschen Arbeitsrecht und ist spezialisiert auf internationales Arbeitsrecht und Beschäftigtendatenschutz.
 

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Thema:

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