Mentoring-Programme, Deutsche Richterakademie, EJTN

So finden Richter und Staats­an­wälte die rich­tige Fort­bil­dung

Gastbeitrag von Dr. Christine SchröderLesedauer: 4 Minuten

Wer nach dem 2. Staatsexamen den Dienst als Richter oder Staatsanwalt antritt, kann zwar in der Regel auf ein Prädikatsexamen und viel theoretisches Wissen zurückgreifen. Aber wo lernt man, wie man den Gerichtsalltag am besten bewältigt?

An Weiterbildungsangeboten mangelt es in der Justiz nicht: Junge Richter und Staatsanwälte erhalten meistens schon bald nachdem sie ihren Dienst angetreten haben diverse Einladungen zu Mentoring-Programmen, hausinternen Fortbildungen an den jeweiligen Gerichten, landeseigenen Fortbildungen, Angeboten der Deutschen Richterakademie, der Bundesfinanzakademie oder der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, sowie solchen auf europäischer Ebene. 

Bis man Zeit findet, die ersten Fortbildungen zu besuchen, vergehen in der Regel jedoch einige Monate. Praktisch geht es zunächst darum, die Aktenberge im eigenen Büro zu bewältigen und erfolgreich die ersten Sitzungen zu meistern. Es lohnt sich jedoch, auch etwas Zeit zu investieren, um die richtige Fortbildung zu finden. 

Anzeige

Unterstützung durch Mentoren für Berufsanfänger

Viele Gerichte bieten eigene Mentoring-Programme an, um neue Kollegen in der Anfangszeit zu unterstützen. Dabei wird dem Berufsanfänger ein erfahrener Richter zur Seite gestellt. Dieser Mentor ist Ansprechpartner für Fragen jeglicher Art und man kann sich bei Bedarf jederzeit an ihn wenden. 

Außerdem gibt es an vielen Gerichten hausinterne Fortbildungen, die je nach Bedarf zu ganz unterschiedlichen Themen von den jeweiligen Fortbildungsdezernenten in Abstimmung mit der Leitung des Gerichts organisiert werden. 

Haben Assessoren die erste Zeit hinter sich gebracht, nehmen sie in der Regel an einem der Grundseminare für Berufsanfänger teil. Das ist in allen Bundesländern üblich, die genaue Ausgestaltung unterscheidet sich jedoch. In Hessen gehören zu den Grundseminaren etwa „Kommunikation im beruflichen Alltag und Stressmanagement“, „Die Hauptverhandlung in Strafsachen“ und „Das zivilrichterliche Dezernat – Crashkurs im Zivilprozessrecht“, die alle von der Justizakademie Hessen ausgerichtet werden. Die Teilnahme an diesen drei Grundseminaren innerhalb der Probezeit ist zwar nicht verpflichtend, wird aber erwartet. Alle drei Seminare finden viermal jährlich statt, so dass es grundsätzlich möglich ist, zeitnah zum Berufseinstieg daran teilzunehmen.

Darüber hinaus lädt die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main zwei Mal jährlich junge hessische Staatsanwälte zu einer Arbeitstagung „Einführung in die strafrechtliche Praxis“ ein. Die Veranstaltung ist auch für im strafrichterlichen Dienst tätige Berufsanfänger geöffnet. 

Familienrecht, Reichsbürger, eJustice – es gibt für alles Fortbildungen

Daneben stehen Proberichtern weitere Fortbildungsmöglichkeiten offen – entweder an den Justizakademien der Länder oder an der Deutschen Richterakademie, die Tagungsstätten in Trier und in Wustrau hat. In Hessen werden insgesamt 75 Veranstaltungen angeboten, an der Deutschen Richterakademie sind es für das Jahr 2020 knapp 150. Dabei wird einerseits Fachwissen auf diversen Gebieten vermittelt, etwa zum Betreuungsrecht, Familienrecht, allgemeinem Zivilrecht, Insolvenzrecht oder Strafrecht.

Hilfreich sind aber auch Veranstaltungen zu anderen Themen, mit denen Richter und Staatsanwälte im Gerichtsalltag konfrontiert sein können – etwa zu häuslicher Gewalt und Gewaltprävention oder zum Umgang mit Reichsbürgern, zu Islamismus und Rechtsextremismus. Auch rechtsmedizinische Fortbildungen werden angeboten. Daneben gibt es Veranstaltungen zu Sozial- und Führungskompetenz, Gesundheitsmanagement, eJustice, Haushalt, Datenschutz und Verwaltung sowie für Mitglieder der Personalvertretungsgremien.Die Deutsche Richterakademie bietet an beiden Tagungsstätten eine Kinderbetreuung an.Alle Interessenten melden sich über die jeweilige Justizverwaltung der Länder und des Bundes an. In Hessen kann das Anmeldeformular  etwa über das Mitarbeiterportal abgerufen werden. 

Die Vergabe der Teilnehmerplätze erfolgt sodann zielgruppen- und bedarfsorientiert. Für Anfängertagungen werden also Neueinsteiger primär berücksichtigt. Bei fachlichen Tagungen kommen vorrangig Interessenten zum Zug, die in dem betreffenden Rechtsgebiet eingesetzt sind. Grundsätzlich stehen aber für alle Richter alle Tagungen offen, so dass die Möglichkeit besteht, über den Tellerrand des eigenen Dezernats zu blicken. Die Veranstaltungen inklusive Unterkunft und Verpflegung sind für die Teilnehmer kostenlos. Reisekosten werden im Anschluss erstattet.

Fortbildungen auf europäischer Ebene

Auf europäischer Ebene ist insbesondere das Europäische Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten (European Judicial Training Network –EJTN) zu nennen. Das europaweite Fortbildungsangebot des EJTN steht Richtern und Staatsanwälten aller Mitgliedsstaaten offen. Besonders beliebt sind die vom EJTN angebotenen Kurzzeithospitationen (Short Term Exchanges), die Studienbesuche (Study Visits) bei europäischen Institutionen und das Fortbildungsprogramm, u.a. zu den Grundlagen der beruflichen Praxis, zu gesellschaftlichen Themen sowie zu den Themen Rechtssprache, juristisches Handwerkszeug, Menschenrechte, Forensik und europäisches internationales Recht.

Die Veranstaltungen stehen grundsätzlich allen Berufsträgern offen. Bewerber sollten über gute Kenntnisse der Arbeitssprache der Veranstaltung (Sprache des Gastlandes  oder Englisch oder Französisch) verfügen. Bewerbungen müssen zweifach eingereicht werden. Zum einen wie bei den nationale Fortbildungen auf dem Dienstweg über die Landesjustizministerien, zum anderen über die Website des EJTN. Reisekosten und sonstige Auslagen werden durch die Zahlung eines Tagegeldes übernommen oder gegebenenfalls durch Rückerstattung der tatsächlich angefallenen Kosten.

Dr. Christine Schröder ist seit Sommer 2010 in der hessischen Justiz tätig, zurzeit am Landgericht Frankfurt am Main. Dort ist sie als stellvertretende Vorsitzende einer allgemeinen großen Strafkammer und einer Berufungsstrafkammer tätig, außerdem in einer Zivilkammer für Bankensachen und Erbrecht. Sie ist seit September 2019 Pressesprecherin des Richterbundes Hessen.

Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.

Thema:

Karriere

Verwandte Themen:
  • Karriere
  • Richter
  • Staatsanwaltschaft
  • Beruf

Teilen

Ähnliche Artikel

Newsletter