Personalauswahl als Mittel gegen Burnout

Spaß muss sein

von Martina SchäferLesedauer: 4 Minuten

Überforderung galt lange als die entscheidende Ursache bei Burnout. Inzwischen ist jedoch bekannt: Sind die Mitarbeitenden am richtigen Platz und stimmen die Rahmenbedingungen, ist dies die beste Vorbeugemaßnahme gegen das Ausbrennen.

Die To-Do-Liste wird stetig länger. Die Zahl der zu bearbeitenden Dokumente wächst täglich. Hinzu kommt enormer Zeitdruck. Nach weitverbreiteter Meinung sind genau solche Situationen am Arbeitsplatz der perfekte Nährboden für Burnout. Was dabei jedoch übersehen wird: Fühlen sich die Mitarbeitenden am richtigen Platz und stimmt die Chemie zwischen Angestellten und Führungskräften, lassen sich auch hohe Belastungen leichter wegstecken. Das Risiko, dass Beschäftigte förmlich ausbrennen, sinkt deutlich.

"Eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung von Burnouts spielen die Unternehmenskultur und das Betriebsklima", erklärt Prof. Dr. Yvonne Glock von der Hochschule Fresenius für Management, Wirtschaft & Medien in Hamburg. Deshalb richtet die Wirtschaftspsychologin in den von ihr durchgeführten Assessment Centern und Karriereberatungen den Blick besonders auf die Motive der Teilnehmenden. Befinden sie sich im Einklang mit der beruflichen Position, sind die Chancen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit hoch. Auch die Burnout-Gefahr sinkt deutlich, wenn die Mitarbeitenden mit Spaß bei der Arbeit sind.

Psychologen unterscheiden bei Menschen in Arbeitssituationen die drei Motive Leistung, Anschluss und Macht. Hinter dem Leistungs-Motiv verbirgt sich das Ziel, bei den eigenen Aufgaben immer besser zu werden. Diejenigen mit Macht-Motiv wollen vor allem Kontrolle ausüben, Personen mit Anschluss-Motiv möchten gesehen und mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden. 

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Personalauswahl gegen Burnout

Um einem Burnout bei ihren Mitarbeitenden vorzubeugen, sollten Kanzleien an zwei Punkten ansetzen: bei der Personalauswahl und bei den Rahmenbedingungen vor Ort. Voraussetzung eines erfolgreichen Einstellungsverfahrens ist die ehrliche Selbsteinschätzung als Arbeitgeber. Denn nur wer die Atmosphäre am eigenen Arbeitsplatz und die Anforderungen richtig beschreibt, kann passende Bewerbungen erwarten. Externe Berater können hierbei mit dem unbefangenen Blick von außen unterstützen.

Ein Assessment-Center hilft im Anschluss, die geeigneten Mitarbeitenden für die ausgeschriebene Position auszuwählen. Im Auswahlverfahren gilt es herauszufinden, ob die Motivation der Bewerberinnen und Bewerber zur gelebten Kanzleikultur passt. "Dabei ist es vielleicht wichtiger, gemeinsam Ideen für die mögliche Zusammenarbeit zu entwickeln, als nur auf die Noten zu achten", betont Yvonne Glock. 

Das kann auch bedeuten, nicht nur nach der größtmöglichen Schnittmenge zwischen den gesuchten Fähigkeiten und denen der Kandidaten zu schauen. Immerhin besagt die Erfahrung, dass der Anforderungskatalog im Bewerbungsverfahren das maximal Mögliche enthält. Kaum ein Bewerber oder eine Bewerberin wird diese Wunschliste jedoch erfüllen können. Stattdessen sollte die Kanzlei ihre Aufgaben auf deren Fähigkeiten und Stärken abstimmen. Verhindern lassen sich dadurch eine Überforderung genauso wie auch die Unterforderung. Denn beides kann auf Dauer ein Burnout bei den Mitarbeitenden auslösen.

Versprechen einhalten

Stimmen auch die Wertvorstellungen grundsätzlich überein, kann die Kanzlei ihre bestehenden Modelle am Arbeitsplatz leicht auf die Bedürfnisse ihres neuen Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin anpassen. Bedenken sollten die Verantwortlichen dabei: Ihre Versprechen aus dem Bewerbungsprozess müssen dem Arbeitsalltag standhalten. Transparenz und eine gute Informationspolitik zählen auch zu den Kriterien, die die Motivation der Angestellten fördern.

Vorsicht ist dagegen bei besonderen finanziellen Anreizen angebracht. Je nachdem welchem Motiv der Mitarbeitende folgt, können sie den Spaß an der Arbeit sogar nehmen. Vor allem Menschen mit hoher innerer – der sogenannten intrinsischen – Motivation verlieren die Begeisterung für ihre Aufgaben, wenn sie zum Beispiel durch Leistungsprämien ihre Prioritäten anders setzen müssen, als dies ihrem Naturell entspricht. Für sie gilt es, andere geeignete Maßstäbe zu finden. Schon ein Dank und der Kontakt auf Augenhöhe wirken sich positiv aus.

"Fleiß ohne Ergebnis ist nur halb so schön", befindet dazu Rolf Hempel von Beitraining Berlin-Mitte. In seinem Trainingsinstitut vermittelt er Führungskräften und Mitarbeitenden Techniken, mit denen sie ihre persönlichen Fähigkeiten erweitern. Dazu zählen für ihn gerade auch die Führung- und sozialen Kompetenzen.

Bereitschaft zum Zuhören

In Großkanzleien und auch von selbstständigen Anwältinnen und Anwälten oft unterschätzt ist die Bedeutung von Feedback für Mitarbeitende. Dabei ist aus der positiven Psychologie bekannt, wie stark ein Lob motivieren kann. Wichtig ist dies besonders für Menschen, die dem Anschluss-Motiv folgen. Für sie ist Lob ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung. Dadurch fühlen sie sich und ihre Leistung bestätigt. 

Hilfreich sind dabei eine Vertrauenskultur und eine in beide Richtungen offene Gesprächskultur. Bei Führungskräften setzt dies eine echte Bereitschaft zum Zuhören voraus. Denn Mitarbeitende spüren, ob sie mit ihren Anliegen willkommen sind. Wer ein solches Gespräch nur aus Pflichtgefühlt ansetzt, wird damit das Gegenteil des Gewünschten bewirken.

"Wichtig ist, dass Führungskräfte die Signale ihrer Mitarbeitenden erkennen und verstehen", erklärt Rolf Hempel. "Das kann auch bedeuten, einfach nachzufragen, ob Unterstützungsbedarf besteht." Im Gespräch gilt es dann, nach Ursachen möglicher Schwierigkeiten zu suchen, bevor die wachsende Unzufriedenheit vielleicht zum Burnout führt. Lösen müssen die Vorgesetzten ein Problem allerdings nicht unbedingt selbst. Entscheidend ist vielmehr, dass sie geeignete Maßnahmen dafür anbieten.

Wertvolle Unterstützung liefern an dieser Stelle Trainer und Coaches. Kanzleien, die vor besonders außergewöhnlichen Situationen stehen, könnten zudem überlegen auf Angebote wie ein anonymes Kummertelefon zurückzugreifen. Damit helfen sie nicht nur ihren Mitarbeitenden, die sich vielleicht vor Außenstehenden leichter öffnen. Sie bieten auch ihren Führungskräften selbst Rückhalt und nehmen ihnen die Angst vor schwierigen Mitarbeitergesprächen. Denn in der Praxis zeigt sich darin oft das größte Hindernis, wenn es darum geht, Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.

Wenn Führungskräfte an den Erwartungen der offenen Gesprächskultur jedoch scheitern, läuft ein wesentlicher Beitrag für ein gutes Betriebsklima ins Leere. Eine vorbeugende Maßnahme gegen das Burnout bliebe damit wirkungslos. Und neue Kollegen kommen gar nicht erst – oder werden nicht lange bleiben.

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