Burnout durch das Betriebsklima

Aus­ge­brannt

von Dr. Marion SteinbachLesedauer: 5 Minuten

Burnout wurde lange als Krankheit von Führungskräften verstanden. Sie brennen für den Job und opfern sich für ihn auf. Neuere Studien zeigen jedoch, dass Macher nicht nur "Opfer" sind, sondern selbst "Täter" werden – auch in Kanzleien.

Gestresst, erschöpft, ausgebrannt – so fühlen sich nicht nur Führungskräfte, sondern vielfach auch die Beschäftigten. Ursachen für deren Burnout sind nicht unbedingt nur Überlastung, lange Arbeitszeiten oder ein zu geringer Handlungsspielraum. Auch das Verhalten der Vorgesetzten spielt eine wesentliche Rolle. Zwischen dem Burnout der Führungskräfte und dem ihrer Mitarbeitenden besteht sogar ein direkter Zusammenhang.

"Sind die Vorgesetzten selbst erschöpft und gestresst, besitzen sie eventuell nicht mehr die nötigen Kapazitäten, um ihr Verhalten zu kontrollieren und entwickeln einen destruktiven Führungsstil", erklärt Dr. Antonia Kaluza von der Goethe Universität Frankfurt. Die Psychologin hat in mehreren ihrer Studien den Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Führungskräften und deren Gesundheit untersucht, unter anderem auch im Hinblick auf Burnout.

Steht der Chef ständig unter Druck, gibt er das weiter. Die Folge: Er ist ein Gesundheitsrisiko für sich selbst und für seine Mitarbeitenden. Tatsächlich nennen 35 % der Beschäftigten ihn als Ursache für Stress am Arbeitsplatz. Bedenkt man, dass fast jeder fünfte Vorgesetzte – quer durch alle Branchen – schon einmal unter dem Erschöpfungssyndrom gelitten hat, kann man ermessen, wie viele Beschäftigte er in denBurnout getrieben hat.

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Schlechte Führung hat viele Gesichter

Vor allem destruktives Führungsverhalten macht die Mitarbeitenden krank. Es kann sich ganz unterschiedlich zeigen: Während der eine Anwalt laut wird und der andere mobbt, kümmert sich der Dritte vielleicht gar nicht mehr um seine Angestellten und ignoriert sie, so dass sie völlig blockiert sind.

Liane Allmann, Inhaberin der Kanzleiberatung Kitty &Cie. und Systemischer Coach, hat schon viele betroffene Anwälte beraten: "Ich habe gesehen, wie Menschen kleingehalten, isoliert und emotional zerstört werden. Zwar gibt es auch heute noch die lauten Beschimpfungen. Aber viel öfter sind es die leisen Zweifel, das Micromanagement, die Unfähigkeit der konstruktiven Kommunikation, das Zurückhalten von Informationen, das Diskreditieren vor den anderen und die stringente Arroganz in der Begegnung. Das hängt auch damit zusammen, dass sich viele Vorgesetze in Kanzleienihrer Fürsorgepflicht nicht bewusst sind."

Arbeitsschutz für psychische Gesundheit ernst nehmen – auch in der Anwaltschaft

Tatsachlich hakt es in vielen Kanzleien beim Schutz der Psyche – obwohl das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) explizit die psychische Gesundheit einbezieht. Wie vieles beim psychischen Arbeitsschutz – noch – im Argen liegt, hat ein Feldforschungsprojekt der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)bestätigt: Nur eine kleine Minderheit der Unternehmen kümmert sich wirklich um die psychische Gesundheit der Mitarbeiter. Dabei wäre ein respektvoller und fairer Umgang miteinander gar nicht so schwer umsetzbar.

Wie aber können Kanzleien die psychische Gefährdung ermitteln, erheben, messen? Arbeitsschützer sind vielfach Ingenieure. Sie berechnen Risiken auf der Basis von Fakten. Um psychische Belastungen zu erfassen und entsprechende Maßnahmen abzuleiten sind sie oft noch nicht hinreichend geschult. Daher empfiehlt Dr. Birgit Thomson von der BAuA, eine ganzheitliche und systematische Strategie aller am Prozess Beteiligten im Umgang mit psychischen Belastungen zu entwickeln und umzusetzen. 

Die Gewerkschaft ver.di empfiehlt, die Beschäftigten aktiv einzubeziehen – durch Befragungen, Workshops oder Interviews. Anhand der Ergebnisse könnten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ergriffen werden. Eine Schlüsselrolle sieht ver.di bei den Vorgesetzten: "Durch Wertschätzung der Führungskraft können die Beschäftigten relativ einfach motiviert werden und Spaß an der Arbeit gewinnen", erklärt ver.di-Referentin Katrin Willnecker. Welches Potenzial hier schlummert, zeigt das Ergebnis einer Befragung der BAuA: Nur 33 % der Beschäftigten werden regelmäßig gelobt. Dabei ist Anerkennung ein wichtiger Baustein zur Zufriedenheit.

Sensibilisierung und Förderung der Gesundheitskompetenz

Auch für Psychologin Kaluza liegt der Schlüssel gegen Burnout darin, die Chefinnen und Chefs zu sensibilisieren und deren Gesundheitskompetenz zu fördern: "Nur wenn die Führungskräfte gesund sind, können sie gut führen – und umgekehrt wirkt sich ihr Führungsstil auch auf ihre Gesundheit aus", erklärt sie den Zusammenhang. Kaluza appelliert daher: "Führungskräfte sollten den eigenen Stress und Belastungen ernst nehmen, rechtzeitig reagieren und sich auch eventuell professionelle Unterstützung suchen. Davon profitieren alle Beteiligten." Arbeitgeber sollten gezielte Trainingsmaßnahmen für ihre Führungskräfte anbieten, rät Kaluza. Und das GDA-Arbeitsprogramm Psyche empfiehlt den Verantwortlichen, Aufgaben abzugeben, Pausen und Arbeitszeiten einzuhalten – und damit zugleich gute Vorbilder zu sein.

Liane Allmann konkretisiert: "Ein guter Chef ist kommunikationsfähig, an den Mitarbeitenden und deren Entwicklung interessiert, dabei auch immer selbstreflektierend. Ihm gelingt es, eine offene Atmosphäre des konstruktiven Austausches zu schaffen und er lobt seine Mitarbeiter, sagt ihnen, dass er dankbar ist, sie bei sich zu haben. Er ist Feedback-fähig, hilft beim Wachsen und erfreut sich an ihrer Entwicklung." Zugleich zeichnet Allmann damit das Bild eines empathischen Vorgesetzten, wie auch junge Anwälte ihn sich wünschen.

Außerdem hält Allmann einige auf den ersten Blick paradox klingende Tipps für Führungskräfte bereit: "Belohnen Sie durch Arbeit. Geben Sie den jungen Mitarbeitern anspruchsvolle Sachen, nehmen Sie sie mit ins Boot, geben Sie ihnen die Möglichkeit, Spezialisten zu werden, besprechen Sie mit ihnen die Strategie eines Falls und holen Sie ihren Input rein. Ermutigen Sie sie. Das hilft auch Ihnen als Führungskraft, denn oft sind vorgesetzte Partner mit Teams in großen Kanzleien sehr, sehr allein."

Gesundheitskompetenz als Wirtschaftsfaktor für kleine und große Kanzleien

In die Gesundheit zu investieren lohnt sich allemal, auch für kleinere Kanzleien, denn Beschäftigte, die wertgeschätzt und unterstützt werden, sind zufriedener, seltener körperlich oder emotional erschöpft und signifikant seltener krank. Der wirtschaftliche Schaden durch ausgebrannte Mitarbeiter dagegen ist enorm.

Psychische Erkrankungen belegen mit fast 20 Prozent Platz zwei bei den krankheitsbedingten Fehlzeiten. Sie kosten nicht erst dann, wenn die Beschäftigten ausfallen, sondern weit früher: wenn sie unmotiviert und unkonzentriert sind, wenn sie innerlich gekündigt haben, Fehler machen und der Kanzlei durch sie womöglich ein Imageschaden entsteht.

Im Gegenzug sinken laut Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) durch gesundheitsfördernde Maßnahmen oder Investitionen in den Arbeitsschutz krankheitsbedingte Fehlzeiten um durchschnittlich ein Viertel. Mit jedem investierten Euro können 2,70 Euro durch reduzierte Fehlzeiten eingespart werden. Das psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter solltealso bei kleinen und großen Kanzleien auch aus wirtschaftlichen Gründen ganz oben auf der Agenda stehen.

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