Jobprofil Patentanwalt und Patent Litigator

Wer hat's erfunden?

von Janina SeyfertLesedauer: 5 Minuten
Im Patentrecht ist das Verständnis für das Produkt eines Mandanten Grundvoraussetzung – erst danach kommt die Rechtslage. Patentanwälte müssen deshalb erst eine Naturwissenschaft studieren, bevor sie die juristische Karriere einschlagen können. Wie Recht und Technik zu bewältigen sind und was einen Patent Litigator von einem Patentanwalt unterscheidet, hat uns Gisbert Hohagen erklärt.

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Dr. Gisbert Hohagen kennt sich mit Gleitsichtgläsern aus. Er weiß, weshalb sie anders funktionieren, als Bi- oder Trifokalgläser und warum sie eine übergangslose, scharfe Sicht ermöglichen. Zum Standardwissen eines Volljuristen gehört das nicht unbedingt. Doch genau darum ging es in einem seiner letzten Mandate für ein großes japanisches Unternehmen. Hohagen ist Partner bei Taylor Wessing in München und berät nationale und internationale Unternehmen in Fragen des geistigen Eigentums. Sein Schwerpunkt liegt hierbei im Patentrecht. Als Patent Litigator übernimmt er vor allem die Prozessvertretung in – häufig internationalen – Patentverletzungsverfahren.

Vorbereitungsmarathon bis zur Verhandlung

Ob ein Patent verletzt ist, ist eine komplexere Frage, als es auf den ersten Blick scheint. Um sie zu beantworten, muss präzise erfasst werden, worin genau der Gegenstand der geschützten Erfindung und der Schutzbereich des Patentes besteht und auf welche Weise und in welchem Umfang sich ein Dritter diese geschützte Erfindung zu eigen gemacht hat. Für Patentverletzungsverfahren sind in Deutschland spezielle Patentstreitkammern an zwölf Landgerichten zuständig. Es gilt, wie im normalen Zivilprozess, der Beibringungsgrundsatz – vom Gericht werden dementsprechend nur Tatsachen berücksichtigt, die von den Parteien vorgetragen werden. Der Patent Litigator sieht sich also vor der Aufgabe, einen detaillierten Parteivortrag zu erarbeiten, damit das Gericht über die Verletzungsfrage entscheiden kann. Dass das nicht unbedingt einfach ist, bestätigt Hohagen aus seiner jahrelangen Erfahrung: "Die Mandate sind extrem zeitaufwendig, es ist keine Besonderheit, ein Jahr lang an Schriftsätzen zu arbeiten, bis es zum Gerichtstermin kommt." Um der anspruchsvollen Aufgabe, die eine Patentstreitigkeit mit sich bringt, gerecht zu werden, wird für jedes Patentverletzungsmandat ein individuelles Team aus Experten zusammengestellt. Juristische Kompetenz reicht wegen der technischen Details dabei nicht aus – es werden regelmäßig externe Patentanwälte hinzugezogen. Diese verfügen über ein abgeschlossenes naturwissenschaftliches oder technisches Hochschulstudium und eine juristische Zusatzausbildung. Trotz der Bezeichnung "Anwalt" sind sie keine Volljuristen. Im Gegensatz zu diesen sind sie daher auch nicht berechtigt, vor ordentlichen Gerichten Anträge zu stellen. Ihre Aufgabe im Verletzungsverfahren besteht darin, gemeinsam mit dem Patent Litigator die Schriftsätze zu erarbeiten und in der mündlichen Verhandlung gegebenenfalls zu technischen Fragen Stellung zu nehmen.

Naturwissenschaftler im Gerichtssaal – Patentanwälte

Wer sich als Naturwissenschaftler unter die Robenträger mischen will, muss eine Ausbildung zum Patentanwalt durchlaufen, welche sich vor allem nach der Patentanwaltsordnung richtet. Neben dem technischen oder naturwissenschaftlichen Studium wird dabei eine mindestens einjährige Berufserfahrung vorausgesetzt, um überhaupt die fast dreijährige Ausbildung zum Patentanwalt beginnen zu können. Patentanwälte müssen demnach genau wie Volljuristen eine lange Zeit Bücher wälzen, bis sie an einem Prozess teilnehmen können. Ihre Aufgaben sind vielseitig. Neben der technischen und naturwissenschaftlichen Beratung in Teams mit Patentrechtlern wie Hohagen, durch welche sie im Verletzungsverfahren das nötige Fachwissen liefern, führen sie auf nationaler und internationaler Ebene die Anmeldung aller gewerblicher Schutzrechte durch. Während Patentanwälte in Verletzungsverfahren die Vertretung vor Gericht den Volljuristen überlassen, treten sie außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit zudem selbstständig als Vertreter auf. Vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, dem Bundespatentgericht und dem Europäischen Patentamt sind sie die Protagonisten des Verfahrens. Sehr häufig werden insbesondere in internationalen Patentstreitigkeiten die Patente mit einer parallelen Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht oder einem Einspruch beim Europäischen Patentamt angegriffen. In diesen Fällen arbeiten die Litigation Teams – bestehend aus Rechts- und Patentanwälten – sowohl im Patentverletzungs- als auch im parallelen Rechtsbestandsverfahren vor dem Bundespatentgericht und dem Europäischen Patentamt zusammen.

Chancen Abseits des Tellerrandes

Wenn Jura auf Natur und Technik trifft, entsteht auf sprachlicher Ebene häufig Übersetzungsbedarf. Zu Hohagens Aufgaben gehört es daher auch immer, dem Gericht einen juristisch verdaubaren Vortrag zu liefern und die Sprache der Naturwissenschaftler und Techniker zu dechiffrieren. Dass er dazu für seine Mandate regelmäßig in die unterschiedlichsten Materien eindringen muss, stellt für den Münchener Anwalt gerade den Reiz seiner Tätigkeit dar. Patentrechtler wollte er nicht schon als Zehnjähriger werden, aber bereits früh zeichnete sich ab, dass er zumindest zu Fragen des geistigen Eigentums tendiert. Bei Exkursionen ins IP-Recht während der Vorlesungen zum allgemeinen Teil des BGB wurde er schon als junger Student hellhörig. Dementsprechend wählte er den Schwerpunkt im geistigen Eigentum und promovierte schließlich während einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum im Urheberrecht. Neugierde an Natur und Technik brachten ihn dann zum Patentrecht. Dass Hohagen dort letztlich seine berufliche Erfüllung fand, hängt auch damit zusammen, dass er über eine hohe Frustrationstoleranz verfügt. Diese sei für einen Patenrechtler eine unabdingbare Eigenschaft. So spannend es auch sei, sich in das Produkt und die Welt eines Mandanten einzuarbeiten, stelle es für einen Juristen jedes Mal aufs Neue einen großen Arbeitsaufwand dar und erfordere viel außerfachliches Verständnis. Für junge Juristen kann das Patentrecht laut Hohagen durchaus eine Chance sein, da es vergleichsweise wenige Experten in diesem Bereich gibt. Viele Rechtswissenschaftler, die sich für geistiges Eigentum interessieren, würden einen großen Bogen um das technikbeladene Patentrecht machen und suchen ihren Weg tendenziell eher im Marken- und Wettbewerbsrecht sowie im Urheberrecht. Oft trifft man daher auf die gleichen Vertreter in patentrechtlichen Streitigkeiten. Wer sich dennoch traut und sein Glück im Patentrecht finden will, sollte neben einer guten juristischen Qualifikation Interesse an technischen Zusammenhängen und ein gewisses Durchhaltevermögen mitbringen. Anwälte wie Hohagen arbeiten im Projektgeschäft. Die Belastung gleicht einer Wellenlinie und übersteigt an ihren Höhepunkten eine gewöhnliche Arbeitslast sehr deutlich. Allerdings hat er die Erfahrung gemacht, mit den Jahren deutlich schneller zu werden, wenn es darum geht, das Produkt und die Patente eines Mandanten zu verstehen. Und seine Kenntnisse zum Thema Optik kann ihm keiner mehr nehmen.

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