Die juristische Presseschau vom 28. März 2014: Neuigkeiten zu Gurlitt – EuGH zu Netz-Sperren – Deutsch in Italien

28.03.2014

Justiz

EuGH zu Netz-Sperren: Internetanbieter können nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dazu verpflichtet sein, den Zugang zu Seiten mit rechtswidrigen Inhalten zu erschweren. Die Urheberrechts-Richtlinie aus dem Jahr 2001 verpflichte die Anbieter nach Ansicht des Gerichts zu einem "hohen Schutzniveau", schreibt die taz (Christian Rath), so dass es eines einzelnen Nachweises der Nutzung etwa illegal angebotener Filme für die Kunden von Internetprovidern nicht bedürfe. Diese Unternehmen dürften auch nur zu "zumutbaren" Sperrmaßnahmen verpflichtet werden. Im Bericht der SZ (Wolfgang Janisch) ist das Urteil "sehr viel differenzierter, als es die Warnungen der Internetcommunity vermuten lassen." Das Gericht habe sich um eine Kompromisslösung bemüht und diese durch die Berücksichtigung der Belange der Unternehmen und auch jener von Nutzern, die auf legale Inhalte zugreifen wollten, auch gefunden.

Für lto.de stellt Thomas Stadler die Entscheidung sowie ihre tatsächlichen und technischen Hintergründe vor und formuliert Kritik. So sei zum einen die Kausalität, nach der Provider einen Beitrag zur konkreten Rechtsverletzung leisten müssten, problematisch, zum anderen ein zu befürchtender Chilling Effect, nach dem Anbieter im Wege eines vorauseilenden Gehorsams Websites nur aufgrund eines Verdachts rechtswidriger Inhalte sperren könnten.

Nach Wolfgang Janisch (SZ) "schlägt sich das Urteil nicht einseitig auf die Seite der Film- und Musikindustrie", sondern schütze auch die Grundrechte der Netzgemeinde. Gleichzeitig bestünden Versuchungen, Internetprovider "als Kontrolleure und Torwächter" einzusetzen, weil sich "da draußen im Netz" immer Gründe für Sperren finden ließen.

BVerfG zum ZDF-Staatsvertrag: Aus Anlass des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts interviewt Henrike Maier (verfassungsblog.de) den emeretierten Rechtsprofessor und früheren Verfassungsrichter Dieter Grimm zu den Gründen politischer Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den Möglichkeiten des Rechts, diese zu verhindern oder wenigstens einzugrenzen, den Auswirkungen des jetzigen Urteils auf die künftige Gremienzusammensetzung in Rundfunkanstalten und seiner Meinung zum Rundfunkbeitrag.

BVerfG – NPD-Verbot: In dem beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verbotsverfahren gegen die NPD hat die Partei nun die sofortige Einstellung des Verfahrens beantragt. Wie die taz (Konrad Litschko) schreibt, sei nach Ansicht der NPD "nicht glaubhaft dargelegt", dass die zur Begründung des Verbotsantrages eingereichten Materialien nicht von V-Leuten des Verfassungsschutzes stammten.

BGH zu Terror-Vorbereitungen: In einem aktuellen Verfahren vor dem Bundesgerichtshof zu einer Verurteilung nach Paragraf 89a Strafgesetzbuch, der die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat bestraft, hat die Verteidigung die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht angeregt, weil die Norm Gesinnungsstrafrecht gleichkomme. Christian Rath (taz) hält diesen Vorwurf für "abwegig." Im konkreten Fall seien die Vorbereitungen zum Bau einer Bombe recht weit fortgeschritten gewesen. Wegen der Skrupellosigkeit terroristischer Täter müsse der Staat auch im Vorfeld ermitteln können.

BGH zu konkludenter Abnahme: In einem Gastbeitrag für den Immobilien-Teil der FAZ berichtet Rechtsanwalt Friedrich-Karl Scholtissek über eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem vergangenen Monat, nach der auch vor vollständiger Vollendung eines Architektenwerkes von einer konkludenten Abnahme ausgegangen werden könne. Voraussetzung sei, dass der Auftraggeber davon ausgeht, dass die wesentlichen Architektenleistungen abgeschlossen seien und auch der Bauherr sich so verhält, dass der Planer davon ausgehe dürfe, dass seine Leistungen als vertragsgerecht anerkannt werde.

VerfGH Bayern zu Verwandtenaffäre: In mündlicher Verhandlung befasste sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit der Frage, ob die Regierung des Freistaats zur Offenlegung der Beträge, die Minister und Staatssekretäre im Zuge der sogenannten Verwandtenaffäre zurückerstatteten, verpflichtet ist. Die von Horst Seehofer (CSU) angeführte Regierung berufe sich darauf, dass die Betroffenen, die Familienmitglieder anstellten und aus öffentlichen Kassen bezahlten, in ihrer Funktion als Landtagsabgeordnete gehandelt hätten und daher nicht der Verantwortlichkeit der Landesregierung unterfielen, schreibt die SZ (Frank Müller) in ihrem Bayern-Teil. Ein Urteil werde im Mai erwartet.

OLG München – NSU-Prozess: Über die Fortsetzung der Vernehmung einer früheren Freundin des mitangeklagten Ralf Wohlleben im Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere vor dem Oberlandesgericht München schreibt die SZ (Tanjev Schultz). Die Zeugin habe sich wiederum mehrfach auf Erinnerungslücken berufen, andererseits aber behauptet, ihren damaligen Freund nicht über ihre Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz informiert zu haben. Zeit.de (Tom Sundermann) berichtet über die Aussage eines Verfassungsschützers, der die Zusammenarbeit mit dem früheren NPD-Funktionär Tino Brandt in höchsten Tönen lobte. Auch dieser Quelle sei es jedoch nicht gelungen, Einzelheiten über das untergetauchte NSU-Trio in Erfahrung zu bringen.

AG Meschede zu Stalking: Wegen Nachstellung hat das Amtsgericht Meschede eine Rentnerin zu 14 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Über den bizarren Fall – das Opfer ist ein Pfarrer, die vielfältigen Belästigungen halten zum Teil schon seit mehr als zehn Jahren an – berichtet die FAZ (Reiner Burger).

StA Frankfurt – Auschwitz-Wachmänner: In ihrem Frankfurt-Teil berichtet die FAZ (Denise Peikert) über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen in Frankfurt lebende, ehemalige Wachmänner des KZ Auschwitz. Die Ermittlungen wurden von der Zentralen Stelle für die Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg nach der Demjanuk-Entscheidung des Landgerichts München aufgenommen und sind nun an die lokalen Ermittlungsbehörden übergeben worden. Der "kniffeligen" Rechtsansicht einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit durch "bloße" Anwesenheit in Vernichtungslagern stehe ein Beschluss des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1969 entgegen.

Investitionsschutz: Zeit.de (Alexandra Endres/Lukas Koschnitzke) berichtet über Investitionsschutz durch Schiedsgerichtsverfahren und stellt aktuelle Fälle, unter anderem eine vier Milliarden Euro schwere Schadensersatzklage des Energiekonzerns Vattenfall gegen die Bundesrepublik wegen staatlich verfügter Abschaltungen von Atomkraftwerken, vor.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. März 2014: Neuigkeiten zu Gurlitt – EuGH zu Netz-Sperren – Deutsch in Italien . In: Legal Tribune Online, 28.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11477/ (abgerufen am: 02.05.2024 )

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