Die juristische Presseschau vom 27. Juni 2013: Blüms Richterschelte – US-Supreme Court zur Homo-Ehe – 20 Jahre Bad Kleinen

27.06.2013

"Berufsbedingt überheblich" – der ehemalige Bundesminister Norbert Blüm kritisiert die deutsche Richterschaft in einem Gastbeitrag deutlich. Außerdem in der Presseschau: geheimdienstliche Überwachungsprogramme und Datenschutz, die Entscheidungen des Supreme Court zur Homo-Ehe und zum Wahlgesetz, der tragische Polizeieinsatz von Bad Kleinen vor 20 Jahren und warum der "Vesuv von Neuss" nicht mehr rauchen darf.



Blüms Richterschelte:
In einem Beitrag für die Zeit übt der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm harsche Kritik am deutschen Richterwesen. Richterliche Unabhängigkeit werde mit Unangreifbarkeit und Rechtsfertigungsfreiheit verwechselt. Durch richterliche "Selbstüberschätzung" werde die Unabhängigkeit zu einer Ungebundenheit vom Recht, die Recht nicht auslegt, sondern schafft. Diesbezüglich gehe gegenwärtige Trend dazu, dass das gesetzliche Recht, etwa beim Deal im Strafverfahren, einer "geschwätzigen Kompromissfindung" weiche. Auch in der Verhandlungsführung von Manfred Götzl im NSU-Verfahren erkennt Blüm eine "berufsbedingte Überheblichkeit". Die "Entrücktheit" der Richterschaft schädige letztlich nicht nur die Rechtspflege, sondern auch die Gewaltenteilung.

Weitere Themen – Rechtspolitik

PRISM/Tempora: Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern haben die Bundesregierung in einer Pressemitteilung, teilweise zitiert bei netzpolitik.org (Nicolas Fennen), zu entschlossenem Handeln bei der Aufklärung des Überwachungsskandals der Programme "PRISM" und "Tempora" aufgefordert. Dies wird nach Einschätzung der taz (Christian Rath) aber ein "frommer Wunsch" bleiben. Gegen die anlasslose Überwachung von Telefon- und Internetverkehr könne die Bundesregierung schon deshalb nicht glaubhaft protestierten, weil der Bundesnachrichtendienst dies auch tue, und weil Deutschland überdies ein großes Interesse an Informationen der leistungsfähigeren US- und britischen Dienste habe. Zudem habe die Bundesregierung weder auf völkerrechtlicher noch auf europäischer Ebene eine rechtliche Handhabe, und müsse sich daher damit begnügen, klein beizugeben, wenn die USA und Großbritannien Bitten um Aufklärung nicht entsprechen.

Nach Meldung der FAZ (Michael Ludwig, Matthias Rüb) hat nunmehr die EU-Justizkommissarin Viviane Reding von der britischen Regierung schriftlich eine umfassende Stellungnahme zum Spähprogramm "Tempora" verlangt.

Racial Profiling: Die taz (Mareen Ledebur) beschäftigt sich mit einer Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte zum Racial Profiling, der Personenkontrolle allein aufgrund von Gesichtszügen, Haut- oder Haarfarbe. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Teile des deutschen Polizeirechts gegen elementare Grund- und Menschenrechte verstoßen. Die Anwendung des § 22 des Bundespolizeigesetzes, wonach Kontrollen zur Verhinderung einer unerlaubten Einreise zulässig sind, begründe eine rassistische Vorgehensweise und wirke damit faktisch diskriminierend. Wer selektiv Personen kontrollieren soll, dem bleibe nur, auf äußere Merkmale zu achten.

Internet in der JVA: lto.de (Daniel Grosse) schildert die ersten Schritte einiger Bundesländer, Gefangenen in Justizvollzugsanstalten Zugang zum Internet zu gewähren. Die derzeitigen Pilotprojekte beschränkten sich auf die Internetnutzung zu Zwecken der Ausbildung oder der Jobsuche. Im Jahr 2018 soll dagegen in der JVA Bremen den Häftlingen ein Haftraummediensystem zur Verfügung stehen, über das einzelne freigegebene Internetseiten ("Whitelist") genutzt werden können.

Bundespresseauskunftsgesetz: Nach Meldung der taz (Christian Rath) wird der Bundestag morgen den SPD-Entwurf für ein Bundespresseauskunftsgesetz ablehnen. Hintergrund des Entwurfs ist eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom Februar, wonach die Landespressegesetze nicht für Bundesbehörden gelten, Journalisten einen Auskunftsanspruch daher nur unmittelbar auf das Grundgesetz stützen können, das aber nur einen Mindeststandard garantiere. Allerdings hatten bei der Sachverständigenanhörung im Bundestag alle Rechtswissenschaftler das Urteil des BVerwG für falsch gehalten und argumentiert, der Bund dürfe mangels Zuständigkeit keine Gesetze zum Presserecht machen. Seither werde der Vorschlag von CDU/CSU und FDP nicht mehr unterstützt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. Juni 2013: Blüms Richterschelte – US-Supreme Court zur Homo-Ehe – 20 Jahre Bad Kleinen . In: Legal Tribune Online, 27.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9022/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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