Die juristische Presseschau vom 26. September 2014: Neue Gesetze gegen Terroristen? – Ruhe vor Auskunfteien – Kostenerstattung für Aktenberge

26.09.2014

Der UN-Sicherheitsrat verabschiedet eine Anti-Terror-Resolution. Muss das deutsche Strafrecht verschärft werden? Außerdem in der Presseschau: Datenschutz bei Polizei-Kameras und Auskunfteien, Echo auf Inzest-Reformvorschlag, Kostenerstattung für Aktenausdrucke, Entschädigung für US-amerikanische Ureinwohner und keine Nachsicht für notorischen Briefeschreiber.

Thema des Tages

Anti-Terrorismus-Resolution: Am Mittwochabend verabschiedete der UN-Sicherheitsrat einstimmig eine Anti-Terrorismus-Resolution. Nach Darstellung der taz (Andreas Zumach) sind die 193 Mitgliedsstaaten damit völkerrechtlich verbindlich dazu verpflichtet, "auf ihren Hoheitsgebieten die Rekrutierung, den Transport, die Durchreise, Finanzierung, Organisierung und Ausrüstung von Terroristen oder terrorbereiten Personen" zu unterbinden und zu bekämpfen. Als Ziel gelte dabei "Terrorismus in all seinen Formen und Ausprägungen", besonderes Augenmerk verdiene die Rekrutierung ausländischer Kämpfer etwa der Gruppe "Islamischer Staat."

Ob sich die Bundesregierung durch die Resolution zu einer Änderung des deutschen Strafrechts veranlasst sehe, werde nach Bericht der SZ (Stefan Braun) derzeit geprüft. Die FAZ (Eckart Lohse) zitiert die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl, mit konkreten Vorschlägen. So sei zu erwägen, "Markierungen in den Personalausweisen von Dschihadisten anzubringen." Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thomas Strobl (CDU) fordere: "Wir müssen das Strafrecht und besonders die Strafprozessordnung einem Islamisten-TÜV unterziehen." Die taz (Christian Rath/Tobias Schulze) stellt in ihrem Bericht auch die bereits existierenden für die Verfolgung von Kämpfern und Unterstützern relevanten Strafnormen vor. Seit 2001 mache sich nach § 129b Strafgesetzbuch (StGB) strafbar, wer Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung ist. Nach § 89b StGB kann bestraft werden, wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereite.

Rechtsprofessor Martin Scheinin (verfassungsblog.de) unterzieht die Resolution einer gründlichen Kritik. Der Völkerrechtler bemängelt vor allem die in dem Beschluss unterbliebene Definition von Terrorismus und macht weitreichende Missbrauchsmöglichkeiten gegenüber unliebsamen Minderheiten für autoritär regierte Staaten aus. Im Ergebnis bedeute der Beschluss einen "gigantischen Rückschlag im UN-Terrorbekämpfungsregime" und weise den Weg zur Sicherheitsratsresolution 1373, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erlassen wurde.

Rechtspolitik

Datenschutz: Lto.de (Anne-Christine Herr) befragt den Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar zu einem derzeit in der Freien und Hansestadt anlaufenden Pilotprojekt, bei dem Polizisten mobile Kameras am Körper tragen werden. Caspar hält die hierdurch ermöglichten Bild- und Tonaufnahmen zu Zwecken der Gefahrenprävention und Beweissicherung für grundsätzlich zulässig, mahnt aber Verbesserungen bei der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit der polizeirechtlichen Ermächtigungsgrundlage sowie der Kenntlichmachung bei der Anfertigung von Aufnahmen an. Auch sei eine gesetzliche Festlegung einer bestimmten Speicherdauer erwägenswert.

Datenschutz und Auskunfteien: Das Bundesjustizministerium wird demnächst ein Gutachten zur rechtlichen Zulässigkeit des von Auskunfteien wie der Schufa betriebenen Scorings vorstellen. In einem Kommentar stellt Christiane Schulzki-Haddouti (zeit.de) verschiedene Methoden dieser Praxis und deren Bewertung durch Gerichte vor. Die Autorin befürchtet, dass sich die Kritik von Daten- und Verbraucherschützern auf einzelne Methoden beschränken wird. Stattdessen sollten Betroffene in Ausübung ihres "Rechts, in Ruhe gelassen zu werden" auch der Erhebung korrekter Daten widersprechen können, ohne hierdurch Schäden erleiden zu müssen.

Inzest: Das Bundesjustizministerium hat unter Hinweisen auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ablehnend auf das Votum des Deutschen Ethikrates zur Lockerung des Inzestverbots zwischen volljährigen Geschwistern reagiert. Dies meldet die FAZ (Heike Schmoll) und berichtet über die ebenfalls mehrheitlich ablehnenden Stellungnahmen von Politikern. In diesem Sinne kommentiert auch Reinhard Müller (FAZ) den Vorschlag. Argumente um mögliche Erbschäden sollten in der Debatte nicht "überstrapaziert" werden, vielmehr stünde die Familie als "Keimzelle der Gesellschaft auf dem Spiel." Der von ihr geschaffene Ordnungsrahmen bestünde nicht zuletzt um des Wohls der Kinder wegen. Dieses würde aber im "allgemeinen Trend, Ehe und Familie für beliebig zu erklären" auch in anderen Zusammenhängen, etwa der "verfassungsrechtlich fragwürdigen Einebnung der Ehe zugunsten der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft konsequent kleingeredet."

Investitionsschutz: In einem längeren Gastbeitrag für die FAZ wirbt der Politökonom Robert Basedow dafür, die gegenwärtigen Verhandlungen zum europäisch-US-amerikanischen Freihandelsabkommen dafür zu nutzen, das bereits bestehende Regime zum Investitionsschutz durch Schiedsgerichte zu reformieren. Durch Festlegung "prozessualer Standards der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit" böte sich die Chance einer "Konstitutionalisierung des Investitionsregimes" und dadurch die Gewährleistung eines "Mindestmaßes an Rechtsstaatlichkeit in der Weltwirtschaft."

Parlamentsrechte: Die FAZ (Günter Bannas) berichtet über Kritik des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) an der Bundesregierung. Zum einen habe Lammert in einem Brief an den Haushaltsausschuss den Gesetzentwurf zur Änderung des ESM-Finanzierungsgesetzes kritisiert, weil Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Beteiligung und Mitwirkung des Parlaments ungenügend beachtet worden wären. Zum anderen störe sich der Parlamentspräsident an der von der Regierung geübten Praxis, zu aktuellen Fragestunden des Bundestages Staatssekretäre und keine Minister zu entsenden.

Unbefugte Nacktaufnahmen: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat einen Gesetzentwurf vorgestellt, nach dem künftig unbefugte Nacktaufnahmen sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen verboten sein sollen. Der Entwurf bezwecke vor allem eine Stärkung des Persönlichkeitsschutzes, schreibt die taz (Christian Rath). Hierzu sollte auch die Anfertigung von Bildern, die geeignet seien, "dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden" verboten werden. Kritiker des Entwurfs bemängelten vor allem die Unbestimmtheit der verwendeten Begrifflichkeiten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 26. September 2014: Neue Gesetze gegen Terroristen? – Ruhe vor Auskunfteien – Kostenerstattung für Aktenberge . In: Legal Tribune Online, 26.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13317/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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