Die juristische Presseschau vom 24. Oktober 2014: Kiffen & fahren - Dealen & fair trial – Italien & Immunität

24.10.2014

Justiz

EGMR zu verdeckten Ermittlern: Ein wegen Drogenhandels zu einer Haftstrafe verurteilter Deutscher ist in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden. Der Mann berief sich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte darauf, verdeckte Ermittler hätten ihn überredet, mit Drogen zu dealen und ihn damit zu den Straftaten angestiftet. Die Verwertung der so gewonnenen Beweise verstoße gegen Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dem folgte der EGMR: Die Verurteilung stütze sich im Wesentlichen auf Beweise, die durch unrechtmäßige Tatprovokationen erlangt worden seien. lto.de berichtet.

EuGH zu Strompreiserhöhungen: Der Europäische Gerichtshof hat in Sachen Transparenz von Preisklauseln der Energieversorger entschieden. Bei Preiserhöhungen für Strom oder Gas müssen die Verbraucher schon vorab über die Gründe informiert werden. Das Gericht urteilte, dass im Falle der Preiserhöhungen ein allein nachträgliches Kündigungsrecht nicht ausreiche – sondern vielmehr "rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang" informiert werden müsse. Das Urteil geht auf eine Vorlage des Bundesgerichtshofs zurück, vor dem zwei Strom- und Gaskunden gegen Preiserhöhungen vorgegangen waren. Das Urteil könnte zahlreiche Rückforderungen von Verbrauchern nach sich ziehen. Die SZ (Markus Balser), das Handelsblatt (Thomas Ludwig) und tagesschau.de.

EuGH zum Framing: Wie golem.de meldet, ist das Setzen eines framenden Links urheberrechtlich zulässig. Der Europäische Gerichtshof habe diese Frage kürzlich entschieden. Framende Links liegen zum Beispiel vor, wenn Facebook-Nutzer Youtube-Links posten und Facebook die Youtube-Videos automatisch einbindet. Ob diese im Netz gelebte Praxis Urheberrechte verletzen kann, wird seit Jahren lebhaft diskutiert. Der EuGH habe dies jetzt verneint – solange sich "die Wiedergabe nicht an ein neues Publikum wende und keine andere Wiedergabetechnik einsetze".

EuGH – Gewässerschutz: Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Niilo Jääskinen hat sich im Streit um die Weser- und Elbvertiefung für einen strengen Gewässerschutz ausgesprochen und damit die Position von Naturschützern gestützt. Möglich sollen Vertiefungen aber bleiben – gegebenenfalls unter Auflagen oder mit Ausgleichszahlungen. Das Bundesverwaltungsgericht rief 2013 zur Auslegung der EU-Wasserrahmenrichtlinie den EuGH an, nachdem der BUND gegen die Ausbaggerung geklagt hatte. Zum wasserrechtlichen Hintergrund und der Rechtsansicht des Generalanwalts schreiben die taz (Christian Rath) und die SZ (Kristina Läsker).

BVerfG zu Rehabilitierungsverfahren von DDR-Heimkindern: Rehabilitierungsanträge ehemaliger DDR-Heimkinder dürfen nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, die Einweisung habe dem damaligen Stand der Pädagogik entsprochen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, wie lto.de und die FAZ (Reinhard Müller) melden. Ein ehemaliges DDR-Heimkind hatte 2006 seine Rehabilitierung beantragt, nachdem es in den 1960-er Jahren zwei Mal in ein Heim eingewiesen wurde – zuletzt vor dem Oberlandesgericht Naumburg ohne Erfolg. Das BVerfG rügt die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch die pauschal ablehnende OLG-Entscheidung. Außerdem sieht das BVerfG Verstöße gegen das Verbot objektiver Willkür und die allgemeine Handlungsfreiheit. Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) begrüßt das Urteil des BVerfG und fragt sich, wie die Richter des OLG Naumburg zu ihrer Entscheidung kamen.

BGH zu falscher Anschuldigung: Der BGH hat die Verurteilung einer Lehrerin zu einer Haftstrafe wegen einer vorgetäuschten Vergewaltigung bestätigt. Die Frau hatte einen Kollegen beschuldigt, er habe sie 2001 in einer Reichelsheimer Schule vergewaltigt. Später stellte sich in einem Wiederaufnahmeverfahren heraus, dass die Anschuldigung falsch war. Das LG Darmstadt verurteilte die Lehrerin 2013 wegen schwerer Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten – jetzt ist das Urteil rechtskräftig. Die SZ (Annette Ramelsberger) berichtet.

BGH zu Farbmarken: Der Wörterbuchverlag Langenscheidt hat einen Rechtsstreit um die Farbmarke Gelb mit seinem US-Konkurrenten Rosetta gewonnen. Rosetta hatte versucht, die Löschung der Farbmarke zu erwirken – ohne Erfolg: Der Bundesgerichtshof hat dem Löschungsantrag Rosettas laut Handelsblatt nun endgültig eine Absage erteilt. Es ist der zweite Sieg Langenscheidts im Streit um die Farbmarke Gelb in diesem Jahr.

LAG Schleswig-Holstein zur Altersdiskriminierung: Dürfen Arbeitgeber in einer Stellenausschreibung eine "mehrjährige Berufserfahrung" verlangen – oder liegt darin eine Altersdiskriminierung? Sie dürfen, entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Rahmen eines Prozesskostenhilfe-Verfahrens: Stellenbewerber, die nicht über diese fachliche Qualifikation verfügen, könnten mangels objektiver Eignung nicht geltend machen, durch eine Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung diskriminiert zu werden. In der Stellenausschreibung wurde von Bewerbern unter anderem "mehrjährige Erfahrung in der Programmierung mit Java" gefordert. blog.beck.de (Christian Rolfs) fasst den Fall zusammen.

ArbG Augsburg zu Kündigung: Die Diakonie kündigte einer Erzieherin, weil sie nebenbei als Darstellerin in Erotikfilmen tätig war. Die Erzieherin klagte gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht Augsburg – jedoch ohne Erfolg: Die Nebentätigkeit der Erzieherin für Erotikfilme stehe im Widerspruch zur kirchlichen Sexualethik. Dies stelle eine "Loyalitätspflichtverletzung" dar, so das ArbG. lto.de berichtet.

OLG München – Entlastung durch ehemaligen Zschäpe-Verteidiger: Wie die SZ (Tanjev Schultz) meldet, hat im NSU-Prozess vor dem OLG München ein ehemaliger Verteidiger von Beate Zschäpe ausgesagt. Zschäpe hatte den Juristen zuvor in einem Punkt von der Schweigepflicht entbunden, weil sie sich Entlastung versprochen habe: Der Anwalt bekundete vor Gericht, Zschäpe habe ihm wenige Tage nach dem Zwickauer Hausbrand im November 2011 mitgeteilt, sich vor Brandlegung vergewissert zu haben, dass sich im Haus niemand mehr befindet. Hintergrund: Zschäpe ist auch wegen versuchten Mordes angeklagt, weil bei dem Brand eine betagte Frau in dem Haus hätte sterben können.

AG Hannover zum Personenstand: Udo Vetter (lawblog.de) weist auf einen Beschluss des Amtsgerichts Hannover hin, nach dem der Personenstand einer Antragstellerin nicht in "inter" oder "divers" geändert wird. Die Betroffene hatte sich dagegen gewehrt, dass ihr Personenstand in amtlichen Papieren mit "weiblich" angegeben wurde – ohne Erfolg: Das AG Hannover sieht die Geschlechtsangabe "männlich" oder "weiblich" als allein mögliche Varianten an. "Inter" oder "divers" seien personenstandsrechtlich nicht vorgesehen. Die Betroffene wolle bis zum Bundesverfassungsgericht klagen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. Oktober 2014: Kiffen & fahren - Dealen & fair trial – Italien & Immunität . In: Legal Tribune Online, 24.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13584/ (abgerufen am: 30.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen