Die juristische Presseschau vom 22. Juli 2014: Zschäpe-Verteidiger bleiben – Europäischer Grundrechtsschutz – NPD sucht Recht

22.07.2014

Beate Zschäpe hat kein Vertrauen in ihre Verteidiger, der NSU-Prozess wird trotzdem fortgesetzt – in gleicher Besetzung. Außerdem in der Presseschau: EuGH im Wandel, die NPD und die Gerichte, Schmerzensgeld in Deutschland und den USA, Großbritannien und der EGMR, Kostenerstattung für Christian Wulff und ein steuerpflichtiges Vergnügen im Tantra-Studio.

Thema des Tages

OLG München – NSU-Prozess: Der in der vergangenen Woche im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) München von der Hauptangeklagten Beate Zschäpe mitgeteilte Vertrauensverlust in ihre Verteidigung hat sich offenbar in einer "recht allgemeinen, unpräzisen" schriftlichen Erklärung gegenüber dem Gericht erschöpft. Wie die SZ (Annette Ramelsberger) schreibt, habe sich Zschäpes Unmut offenbar an der Befragung des Zeugen Tino Brandt durch ihre Vertreter entzündet. Die Bundesanwaltschaft habe diese Erklärung in einer Stellungnahme als "rechtlich unbeachtlich" bezeichnet, die Verteidigung dagegen eine inhaltliche Erklärung unter Hinweis auf ihre Verschwiegenheitsverpflichtung abgelehnt. Dass unter diesen Umständen eine auch nur teilweise Entpflichtung der Rechtsvertreter Zschäpes unwahrscheinlich sei, prognostiziert auch die Welt (Per Hinrichs, Zusammenfassung). Der Vorstoß belege vielmehr das "strapazierte Nervenkostüm" der seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft Befindlichen, der nach dem Gerichtsbeschluss zur Haftfortdauer des mitangeklagten Ralf Wohlleben klar sein dürfte, dass sich das OLG auf "Verurteilungskurs" befinde.

Beide Voraussagen sind offenbar eingetroffen: Wie die FAZ (Helene Bubrowski) kurz berichtet, hat das Gericht den Antrag auf Entpflichtung zurückgewiesen und auch keinen neuen Pflichtverteidiger bestellt. Konkrete Anhaltspunkte für eine endgültige und nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses seien nicht dargetan worden.

In einem Kommentar erinnert Heribert Prantl (SZ), dass eine vom Vertrauen des Mandanten getragene Verteidigung elementarer Bestandteil des rechtsstaatlichen Prozesses ist. Bei Zschäpe könne die Notwendigkeit eines weiteren Verteidigers, der ihr Vertrauen genießt, angezeigt sein. Die beibehaltenen Verteidiger trügen demgegenüber den Makel der Zwitterhaftigkeit: zu einer Hälfte seien sie Verteidiger, zur anderen aber auch "Verfahrensfortsetzungsbeauftragte des Gerichts." Gerade in diesem Verfahren träfe das Gericht eine besonders große Fürsorgepflicht gegenüber der Angeklagten. Unter dem Motto "Augen zu und durch" käme es dieser nur unzureichend nach und erhöhe so auch die Chancen einer erfolgreichen Revision.

Rechtspolitik

Steuerhinterziehung: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hat ihren Plan für einen globalen Standard zum automatischen Informationsaustausch in Steuersachen vorgestellt. Durch vollständigen Austausch zahlreicher Länder, unter ihnen Deutschland, zu sämtlichen Kapitalerträgen solle Steuerhinterziehung durch das Parken von Geldern im Ausland erheblich erschwert werden, schreibt die FAZ (Manfred Schäfers).

Unternehmensstrafrecht: Gegen Ende des Jahres soll nach der Vorstellung des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty (SPD) ein Gesetzentwurf zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts in den Bundesrat eingebracht werden, schreibt das Handelsblatt (Wolf Albin). Während Lobbyverbände keinen Bedarf erkennen würden und sich der im Beitrag zitierte Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Stuttgart ebenfalls skeptisch zum Nutzen des Instruments zeigte, sei allgemein anerkannt, dass Firmen dem Thema Compliance zu wenig Beachtung schenkten. Eine hiermit zusammenhängende Reform der Bußgeldtatbestände sei der im Entwurf angedachten "Todesstrafe für Unternehmen", d.h. deren Auflösung bei massiven Rechtsverstößen, vorzuziehen.

PKW-Maut: In einem Kommentar erinnert Reinhard Müller (FAZ) an "eine der wenigen klaren Aussagen der Bundeskanzlerin" aus dem Wahlkampf: Mit Angela Merkel (CDU) werde es keine Maut geben. Die aktuelle Diskussion über Ausnahmeregelungen für Grenzregionen beweise deren grundlegenden Fehler. Weil Geld für die Instandhaltung von Straßen vorhanden sei, bedürfe es keines Grundes für "Wegelagerei."

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. Juli 2014: Zschäpe-Verteidiger bleiben – Europäischer Grundrechtsschutz – NPD sucht Recht . In: Legal Tribune Online, 22.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12636/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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