Die juristische Presseschau vom 11. bis 13. Februar 2017: Lam­mert-Rede ver­fas­sungs­widrig? / Böh­m­er­mann-Gedicht ehr­ver­let­zend / Flug­ha­fen­ausbau gestoppt

13.02.2017

Justiz

LG Hamburg zu Böhmermann: Das Landgericht Hamburg hat Jan Böhmermann untersagt, 18 von 24 Zeilen des Gedichts "Schmähkritik" über Recep Tayyip Erdoğan zu wiederholen. Das Gedicht reproduziere rassistische Vorurteile gegenüber Türken und verletze die Menschenwürde des türkischen Präsidenten. Zeilen, in denen es um Erdoğans Politik geht, bleiben hingegen erlaubt. Die Samstags-taz (Christian Rath, erweiterte Online-Fassung), die Samstags-SZ (Annette Ramelsberger) und die Samstags-BerlZ (Christian Bommarius) fassen den Fall und das Urteil zusammen.

Christian Rath (Samstags-SWP) bezeichnet das Urteil als unbefriedigend: Der Fernseh-Beitrag sei ein "satirisches Gesamtkunstwerk" gewesen, das man rechtlich entweder ganz oder gar nicht akzeptieren könne. Ähnlich sieht es Heribert Prantl (Samstags-SZ). Der Text werde durch das teilweise Verbot so verstümmelt, dass er nicht mehr zu verstehen sei. Max Bauer (tagesschau.de) begrüßt hingegen das Urteil: Das Gedicht sei rassistisch und "Kunst und Rassismus passen schlecht zusammen".

In einem Beitrag auf lto.de erläutern die Anwälte Stefan Engels und Verena Haisch die Unterschiede zur strafrechtlichen Beurteilung sowie die Bedeutung der grundrechtlichen Herangehensweise an den Fall.

ArbG Berlin zu Schwesigs Chauffeur: Die Kündigung des Chauffeurs von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) wegen ausländerfeindlicher Äußerungen war rechtswidrig. Das hat das Arbeitsgericht Berlin nach einer Meldung des Spiegel (Sven Becker und Wolf Wiedmann-Schmidt, erweiterte Online-Fassung) entschieden. Der Mann hatte zu einer Kollegin "Ich hasse Ausländer" gesagt und holocaustverharmlosende Äußerungen zumindest wiedergegeben. Das Gericht befand, eine Abmahnung würde genügen.

KG Berlin zu Gina-Lisa Lohfink: Das Kammergericht Berlin hat den Schuldspruch gegen Gina-Lisa Lohfink bestätigt. Nur die Höhe der Tagessätze muss neu verhandelt werden. Lohfink war wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe von 20.000 Euro verurteilt worden, nachdem sie behauptet hatte, von zwei Männern vergewaltigt worden zu sein. Der Vorsitzende Richter am Kammergericht Ralf Fischer nutzte die Urteilsverkündung, um Lohfink und ihrem Verteidiger die Leviten zu lesen. Entweder habe Lohfink bewusst die öffentliche Aufmerksamkeit gesucht oder ihr Verteidiger habe seine Interessen über die der Mandantin gestellt und Lohfink "den Haien zum Fraß vorgeworfen". Zukünftig solle Lohfink sich einen Anwalt suchen, "der etwas von Strafrecht versteht". Es berichten die Samstags-FAZ (Julia Schaaf), der Samstags-Tsp (Jost Müller-Neuhof), spiegel.de (Ansgar Siemens) und lto.de.

GBA – Kriegsverbrechen in Syrien: Die Bundesanwaltschaft hat nach Informationen der WamS (Eva Marie Kogel/Florian Flade) im Dezember 2016 einen internationalen Haftbefehl gegen einen IS-Terroristen wegen des Völkermords an den irakischen Jesiden ausgestellt. Insgesamt ermittelt das Bundeskriminalamt in rund 30 Fällen zu Kriegsverbrechen in Syrien.

StA Dresden zu Richter bei AfD-Veranstaltung: Die Staatsanwaltschaft Dresden hat die Ermittlungen gegen den Richter Jens Maier eingestellt. Das meldet die Samstags-SächsZ. Der Richter hatte bei einer Veranstaltung der AfD einen "Schuldkult" für "endgültig beendet" erklärt und über eine "Herstellung von Mischvölkern" gesprochen.

StA Mannheim – Rüstungsexport: Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt gegen Verantwortliche der Heinrich-Müller-Maschinenfabrik GmbH wegen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz. Das Unternehmen will Maschinen nach Mexiko exportieren, die Rohre für Gewehre produzieren sollen. Die Geschäftsführung geht davon aus, dass keine Genehmigung erforderlich sei und beruft sich auf die Dual-Use-Verordnung der EU, die den Export von Gütern regelt, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind. Die Montags-taz (Wolf-Dieter Vogel) berichtet.

EuGH – humanitäre Visa: Im Interview mit dem Spiegel (Dietmar Hipp) äußert Rechtsprofessor Daniel Thym Zweifel daran, dass der Europäische Gerichtshof dem Antrag des Generalanwalts Paolo Mengozzi folgen wird, nach dem Flüchtlinge unter Umständen ein Recht auf die Ausstellung humanitärer Visa haben. Die Menschenrechte würden nur gelten, wenn die Personen der Hoheitsgewalt der Mitgliedsstaaten unterstehen. Das sei jedoch bei Anträgen in einer Botschaft nicht der Fall. Jacques Schuster (Samstags-Welt) befürchtet, dass der Europäische Gerichtshof dem Antrag folgt, und sieht darin eine Kompetenzanmaßung. Die Richter sollten im Kopf haben, "dass ein Mehr an Europa genauso wenig im Sinne weiter Teile der Bevölkerung ist wie die Öffnung der Grenzen für alle Menschen".

BVerwG zu Kosten von IFG-Auskünften: Kopien für Auskünfte nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes dürfen nicht dem Antragsteller in Rechnung gestellt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Das Informationsfreiheitsgesetz sehe zwar eine Ermächtigung für das Erheben von Gebühren vor, diese umfasse jedoch nicht Auslagen. netzpolitik.org (Arne Semsrott) befasst sich mit dem Urteil sowie seinen Auswirkungen auf bereits ergangene Gebührenbescheide und die Rechtslage nach den Landesgesetzen.

BSG – Tätigkeitsbericht: Die Verfahren am Bundessozialgericht sind rückläufig. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht des Gerichts hervor, mit dem sich die Samstags-FAZ (Marcus Jung) befasst. Weil sich zudem die personelle Situation verbessert habe, sei die durchschnittliche Dauer einer Revision von einem Jahr auf zehn Monate gesunken. Die Anzahl der Klagen gegen "Hartz-IV"-Bescheide habe abgenommen, Verfahren zu Arbeitsunfällen würden zunehmen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. bis 13. Februar 2017: Lammert-Rede verfassungswidrig? / Böhmermann-Gedicht ehrverletzend / Flughafenausbau gestoppt . In: Legal Tribune Online, 13.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22074/ (abgerufen am: 04.05.2024 )

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