Die juristische Presseschau vom 29. November bis 1. Dezember 2014: Abschiebungen rascher – Sorgerecht stärker – BND kreativer

01.12.2014

Recht in der Welt

Ägypten – Mubarak: Ein Gericht in Kairo hat die Anklage gegen den ehemaligen Machtinhaber Ägyptens Mubarak fallen gelassen. Mubarak war angeklagt, während der Revolutionstage 2011 den Tod von über 800 Demonstranten verantwortet zu haben. Das Gericht habe erklärt, es gebe keinerlei strafrechtliche Grundlage, Mubarak für den Tod der Demonstranten zur Rechenschaft zu ziehen. tagesschau.de, die Montags-SZ (Paul-Anton Krüger) und die Montags-FAZ (Markus Bickel) berichten.

USA – Ferguson: Zwölf Schüsse, der letzte tödlich – wegen der Erschießung des schwarzen Jugendlichen Michael Brown in Ferguson wird keine Anklage erhoben, wie die "Grand Jury" in Ferguson vergangene Woche entschied. Die FAS (Patrick Bahners) setzt sich mit den rechtlichen Voraussetzungen auseinander, wann bei einer Festnahme der Tod des Festzunehmenden im Bundesstaat Missouri in Kauf genommen werden darf. Die Staatsanwaltschaft habe die Geschworenen aber falsch über die Rechtslage informiert, so das Resümee: Sie seien befangen "in einem Irrtum über die Grenze von gerechtfertigtem und ungerechtfertigtem Schusswaffengebrauch" gewesen. Auch Strafverteidiger Steffen Ufer kritisiert im Focus den Verlauf des Verfahrens und die Staatsanwaltschaft. Und Wolfgang Janisch fragt sich schließlich in der Samstags-SZ, welche Folgen ein entsprechender Fall in Deutschland gehabt hätte: Der Polizeibeamte müsste sich wohl in einem öffentlichen Strafprozess verantworten – und nicht hinter verschlossenen Türen einer Geschworenen-Jury. Nach deutschem Recht wären die Schüsse wohl unverhältnismäßig gewesen, auch wenn Brown den Beamten am Ende angegriffen hatte.

Sonstiges

Externe Expertise in Ministerien: Dürfen Ministerien und Bundesämter Fachleute aus Wirtschaft und Wissenschaft für die Ausarbeitung von Gesetzen bemühen? Nein, so der Juraprofessor Bernd Hartmann aus Osnabrück. Wie der Spiegel (Horand Knaup) meldet, hat Hartmann in einem Gutachten festgestellt: Es ist verfassungswidrig, wenn Verbände und Wirtschaftsunternehmen an der Verwaltung partizipieren. Denn die Kontaktpflege sei "kein Selbstzweck, sondern soll dem Unternehmen zu mehr Einfluss verhelfen". Öffentliche Verwaltung sei aber dem Interesse der Allgemeinheit verpflichtet.

Ein Viertel für die Todesstrafe: Jeder vierte Deutsche spricht sich für die Einführung der Todesstrafe aus. Dies geht aus einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach hervor, die die Samstags-Welt (Sabine Menkens) bespricht. Der Artikel erinnert auch an die im Oktober vorgestellte Erlanger Studie, der zufolge ein Drittel der Jurastudenten die Einführung der Todesstrafe fordert.

Totalüberwachung des BND: Der Bundesnachrichtendienst darf Datenleitungen nach Maßgaben des G10-Gesetzes anzapfen – zur sogenannten strategischen Fernmeldekontrolle zu einem Anteil von zwanzig Prozent. Ist damit der tatsächliche Datenstrom gemeint? Oder die maximale Kapazität der Datenleitung? Der BND fasst die Regelung offenbar so auf, dass der gesamte Datenverkehr über eine Leitung überwacht werden darf, wenn deren Auslastung unter zwanzig Prozent liegt. Thomas Stadler (internet-law.de) setzt sich kritisch mit einer entsprechenden Aussage eines ehemaligen BND-Juristen vor dem NSA-Untersuchungsausschuss auseinander. Da die Auslastung der Datenleitungen meist unter zwanzig Prozent liege, würde die Auffassung des BND zur "Totalüberwachung" legitimieren. Der BND zeige eine "haarsträubende Rechtsauslegung, die keiner seriösen juristischen Bewertung standhält".

Strates Buch: Mangelhafte psychiatrische Gutachten renommierter Sachverständiger werden von Gerichten oft nur durchgewunken: Gisela Friedrichsen schreibt im Spiegel über den Strafverteidiger Gerhard Strate, der in seinem Buch "Der Fall Mollath" mit der forensischen Psychiatrie abrechnet, den Finger in die Wunde lege, aber bisweilen übertreibe. "Es ist ein böses, ein aufklärerisches Buch", so Friedrichsen.

Kreditgebühren zurückfordern: Im Oktober entschied der Bundesgerichtshof, dass Verbraucher Kreditbearbeitungsgebühren bis ins Jahr 2004 hinein zurückfordern können. Wie die Montags-Welt (Karsten Seibel) meldet, reagieren vielen Banken auf Aufforderung mit vergleichbaren Schreiben. Darin kündigen sie regelmäßig an, die Gebühren "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu erstatten" und auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Im Einzelfall müsse sich beeilen, wer die Erstattung geltend machen will.

Ramelows Wahl: Am kommenden Freitag wird Bodo Ramelow voraussichtlich zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt. Denkbar ist, dass Ramelow in zwei Wahlgängen nicht die erforderliche absolute Mehrheit erreicht. In einem dritten Wahlgang wäre dann laut Thüringischer Verfassung gewählt, wer "die meisten Stimmen erhält". Was aber, wenn nur Ramelow antritt? Reicht dann schon eine Ja-Stimme aus, um Ramelow zum Ministerpräsidenten zu wählen? Nein, so der Konstanzer Juraprofessor Christoph Schönberger auf verfassungsblog.de: "Kandidiert nur ein Bewerber, dann müssen die Mitglieder des Landtags die Möglichkeit haben, sich in verfassungsrechtlich relevanter Weise zu dieser Kandidatur zu verhalten." Dies sei nur möglich, wenn Nein-Stimme und Enthaltung auch eine rechtliche Konsequenz hätten. Schönberger widerspricht mit seiner Lesart der Thüringischen Verfassung dem Düsseldorfer Kollegen Martin Morlok, der in einem Gutachten die Ansicht vertritt, eine einzige Ja-Stimme genüge.

Der Fall Tuğçe und das Jugendstrafrecht: Der Fall Tuğçe A. bewegte vergangene Woche die Gemüter. Die mittlerweile verstorbene A. war offenbar von einem 18-jährigen Mann niedergeschlagen worden und gestürzt, nachdem sie einen Streit schlichten wollte. Gegen den Mann war anscheinend schon mehrfach wegen Körperverletzungen ermittelt worden. Wird das Jugendstrafrecht, werden Polizei und Justiz ihrer Aufgabe gerecht? spiegel.de stellt in einem interaktiven Pressekompass einzelne Kommentarstimmen zusammen. Peter Michalzik (fr-online.de) etwa kritisiert die in "altbekannter und einigermaßen geschmackloser Weise" geforderte Verschärfung des Strafrechts. Peter Lückmeier (faz.net) meint, Polizei, Justiz und soziale Organisationen sollten jugendliche Delinquenten aufmerksamer in den Blick nehmen.

Das Letzte zum Schluss

Ostentatives Schwarzfahren: "Ich fahre Schwarz" stand auf dem Schild geschrieben, das Dirk J. aus Bayern stolz vor dem Bauch trug. In der Münchner S-Bahn war er in eine Kontrolle geraten – und wies den Kontrolleur auf das Schild hin. Angesichts dieser Offenheit habe er schließlich nichts erschlichen, so J. Der Kniff hielt aber der rechtlichen Prüfung des Amtsgerichts Starnberg nicht stand: Das Gericht hat ihn dennoch wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt. J. hätte sich "schon direkt an den Lokführer oder einen Schaffner wenden müssen, bevor er einstieg. Dann hätten die Verantwortlichen selbst entscheiden können, ob er mitfahren darf oder nicht", so die Begründung des Gerichts laut Focus (Göran Schattauer).

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/fr

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 29. November bis 1. Dezember 2014: Abschiebungen rascher – Sorgerecht stärker – BND kreativer . In: Legal Tribune Online, 01.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13965/ (abgerufen am: 06.05.2024 )

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