Die juristische Presseschau vom 29. November bis 1. Dezember 2014: Abschiebungen rascher – Sorgerecht stärker – BND kreativer

01.12.2014

Justiz

BVerfG zur Entziehung des Sorgerechts: Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem am vergangenen Freitag bekanntgewordenen Beschluss eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Vorinstanz Amtsgericht Paderborn) aufgehoben. Ein aus Ghana stammender Mann hatte das Sorgerecht für seine anderthalbjährige Tochter entzogen bekommen – angeblich wegen seiner "afrikanischen Erziehungsmethoden". Die Urteile sind nach Ansicht des BVerfG auf ein unzureichendes Sachverständigengutachten gestützt. Das elterliche Fehlverhalten müsse so gravierend sein, dass das Kindeswohl nachhaltig gefährdet erscheint. Nur dann sei eine Trennung von Eltern und Kind erlaubt. Eltern müssten auch nicht positiv ihre Eignung nachweisen, ein Kind erziehen zu können. Vielmehr müsse ihr Versagen festgestellt werden können. Außerdem fordert das BVerfG, dass Gerichte sich nicht blind der Ansicht der Sachverständigen anschließen, sondern sich mit deren Feststellungen auseinandersetzen müssen. Jetzt muss das OLG Hamm den Fall erneut prüfen. lto.de berichtet; ebenso die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch), die darauf hinweist, dass das BVerfG in diesem Jahr bereits über ein halbes Dutzend ähnliche Fälle gerügt hatte. taz.de (Christian Rath) nennt zudem Details aus dem Gutachten, auf dessen Grundlage dem Mann das Sorgerecht entzogen worden war – und das nach Ansicht des BVerfG nicht die "gebotene Neutralität" hat erkennen lassen.

BVerfG – Richterbesoldung: Laut Spiegel (Dietmar Hipp/Barbara Schmid) steht die Besoldung von Richtern und Staatsanwälten zur Prüfung vor dem Bundesverfassungsgericht. Es klagen Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Sie monieren einen Verstoß gegen das in Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes normierte Alimentationsprinzip. Voßkulhes Zweiter Senat müsse nun "Maßstäbe für ein faires Entgelt finden, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, man entscheide als Betroffener", wie es im Artikel heißt. Am kommenden Mittwoch findet die erste Verhandlung statt; das Urteil wird für Anfang 2015 erwartet.

BVerwG zur Weisungsbefugnis Privater: Private Träger haben gegenüber Beamten keine Weisungsbefugnis, wenn gesetzlich nicht klar geregelt ist, wer letztlich weisungsbefugt ist. Das hat das BVerwG entschieden. Geklagt hatte ein in Baden-Württemberg beamteter Bewährungshelfer, der sich an Weisungen des freien Trägers nicht gebunden fühlte. Das Land hat die Bewährungs- und Gerichtshilfe in private Hände gelegt, indem es die Aufgaben 2007 an eine gemeinnützige GmbH übertrug. Die entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen und den Generalvertrag zur Übertragung der Aufgaben hielt der Bewährungshelfer für rechtswidrig. lto.de informiert über die Details.

VG Münster zu sicherem Herkunftsland: Das Verwaltungsgericht Münster hat einem Eilantrag einer serbischen Familie stattgegeben, die sich gegen ihre Abschiebung nach Serbien wendet. Damit hat das Gericht aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Androhung der Abschiebung angeordnet. Grund: Das VG hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der jüngsten Asylrechtsänderung, der zufolge Serbien als sicheres Herkunftsland eingestuft wird und Flüchtlinge dorthin schneller zurückgeschickt werden können. Es bestehe die Sorge, dass der Familie bei der Rückkehr Nachteile drohen könnten, die der Gesetzgeber womöglich nicht gesehen hat. Es berichten die Samstags-SZ (Heribert Prantl) und lto.de. Falls sich die Zweifel nicht klären lassen, werde das VG das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen.

OLG Frankfurt – IS-Kämpfer: Mit einem "vergleichsweise milden" Urteil rechnen kann laut Samstags-SZ (Susanne Höll) der erste in Deutschland angeklagte Kämpfer der Terrororganisation Islamischer Staat. Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt steht der 20-jährige Kreshnik B. wegen der mutmaßlichen Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation. B. soll sich 2013 nach Syrien abgesetzt haben, um dort an der Errichtung eines Gottesstaates mitzuwirken. Die Staatsanwaltschaft habe in ihrem Plädoyer am vergangenen Freitag eine Jugendstrafe von vier Jahren und drei Monaten beantragt. Das Strafmaß soll bereits zu Prozessbeginn vereinbart worden sein – abhängig von der Mitwirkung des Angeklagten B., namentlich zu gestehen und auszusagen. B. habe unter anderem zugegeben, in Syrien in zweiter Reihe gekämpft zu haben. Angeklagt waren Verstöße gegen die Paragrafen 129a und 129b des Strafgesetzbuches; laut FAZ (Alexander Haneke) hatte die Staatsanwaltschaft den "weitaus komplexeren" Tatbestand der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (Paragraf 89a StGB) gar nicht erst angeklagt – womit seine Anwendbarkeit auf Bürgerkriege im Ausland weiter ungeklärt sei.

LG Hamburg zum Film "Die Auserwählten": Das Landgericht Hamburg hat den ARD-Film "Die Auserwählten" in der ausgestrahlten Fassung verboten. Das berichtet der Spiegel (Martin U. Müller). Der Spielfilm stellt fiktiv den systematischen Missbrauch von Schülern durch Lehrkräfte an der Odenwaldschule dar. Zwei ehemalige Schüler sahen ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, weil die Filmfiguren sehr realitätsnah seien. Das Gericht hat im Fall eines Schülers eine "schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung" des Betroffenen angenommen, da er als Missbrauchsopfer gezeigt wird. Den Film hatte die ARD bereits am 1. Oktober ausgestrahlt.

LAG Baden-Württemberg – Heckler & Koch und Waffenexporte: Vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in Freiburg findet am heutigen Montag eine Berufungsverhandlung statt, die nach Angaben der taz (Wolf-Dieter Vogel) Details zu ungenehmigten Exporten von G36-Sturmgewehren nach Mexiko aufdecken könnte. Mexikanische Polizisten wie auch die Mafia verwendeten diese Gewehre, die dort nach in Deutschland geltenden Exportvorgaben nicht hätten landen dürfen. In dem Prozess geht es konkret um die Rechtmäßigkeit zweier verhaltensbedingter Kündigungen eines Vertriebsbereichsleiters und einer Vertriebssachbearbeiterin der Waffenfirma Heckler & Koch.

LG Berlin zu Sixt bei Google: Der Autovermieter Sixt darf seinen Fahrdienst bei Google nach einer Entscheidung des Landgerichts Berlin nicht mit dem Suchbegriff "Taxi" bewerben. Das meldet sueddeutsche.de. Das Angebot dürfe zwar weiterhin unter dem Suchbegriff auffindbar sein – innerhalb der Anzeige müsse aber klarwerden, dass es sich hier nicht um ein Taxiunternehmen handelt. Geklagt hatte die Taxivereinigung Frankfurt.

ArbG Köln zum Einschlafen bei der Arbeit: Durfte einer Mitarbeiterin des Bordservices der Bahn gekündigt werden, weil sie während der Arbeit in einem Zugabteil einschlief? Nein, so das Arbeitsgericht Köln nach einem Urteil, das blog.beck.de (Markus Stoffels) vorstellt. Nach Ansicht des ArbG war die Kündigung unverhältnismäßig; die Mitarbeiterin hätte zuerst abgemahnt werden müssen.

AG Berlin zu Rapper Sido: Den von Rapper Sido eingelegten Einspruch gegen einen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung hat das Amtsgericht Berlin verworfen Das melden die Berliner Zeitung und lto.de. Weder Sido noch ein Verteidiger erschienen vor Gericht. In dem Strafbefehl warf die Staatsanwaltschaft Sido vor, bei einem Streit in einem Berliner Club vor zweieinhalb Jahren einem anderen Gast eine Wodkaflasche auf den Kopf geschlagen zu haben. Die Strafe: neun Monate Gefängnis auf Bewährung und 15.000 Euro an die Justizkasse.

LG Köln – Klage gegen Luftfahrtkonzerne: Die Bahn verklagt nach einem Bericht der Montags-SZ (Klaus Ott) Luftfahrtkonzere wegen illegaler Preisabsprachen vor dem Landgericht Köln. Die Bahn verlange von der Lufthansa und weiteren international führenden Fluggesellschaften Schadenersatz in Höhe von 1,76 Milliarden Euro wegen verbotener Preisabsprachen bei Frachtaufträgen. Offenbar lässt die Bahn die Klage am heutigen Montag beim LG per Lkw abliefern – die "bislang wohl umfangreichste und höchste Kartellklage" umfasse 400 Ordner, verpackt in 54 Umzugskartons.

Bundesregierung plant Strafanzeige: Die Bundesregierung plant offenbar, wegen Verrats von Dienstgeheimnissen Strafanzeige gegen Unbekannt zu erstatten. Das berichtet der Spiegel (Nikolaus Blome und andere – Kurzfassung). Anlass dafür seien Berichte des Spiegel und der SZ, in denen vertrauliche Erkenntnisse unter anderem zur Arbeit des Verfassungsschutzes und Details zur technischen Ausrüstung des Bundesnachrichtendienstes enthüllt worden waren.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 29. November bis 1. Dezember 2014: Abschiebungen rascher – Sorgerecht stärker – BND kreativer . In: Legal Tribune Online, 01.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13965/ (abgerufen am: 06.05.2024 )

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