Innenminister de Maizière plant, straffällige Ausländer schneller abzuschieben und zugleich die Anforderungen an das Bleiberecht herunterzuschrauben. Außerdem in der Presseschau: Das BVerfG rügt erneut die Entziehung des elterlichen Sorgerechts, Sixt darf seinen Fahrdienst nicht mit "Taxi" bewerben, der BND glaubt an die Rechtmäßigkeit der Totalüberwachung und warum trotzdem erschleicht, wer ganz freimütig schwarzfährt.
Thema des Tages
Schnellere Abschiebung und weiteres Bleiberecht: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will noch vor Weihnachten einen Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen, der die Abschiebung straffällig gewordener Ausländer erleichtert. Zugleich soll das Bleiberecht von Geduldeten verbessert werden. Das meldet die Passauer Neue Presse (Rasmus Buchsteiner – Kurzfassung) nach eigenen Informationen aus Koalitionskreisen. Ausländern, die zu einer Haftstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind, soll demnach die Wiedereinreise für bis zu zehn Jahren verboten werden. Das soll laut der Zeitung auch für Mitglieder einer terroristischen Vereinigung und für Ausländer gelten, die an Gewalt aus politischen oder religiösen Motiven beteiligt waren. Wer gut integriert sei, strafrechtlich eine weiße Weste und gute Sprachkenntnisse habe, aber von den Behörden bisher nur "geduldet" ist, hätte dagegen leichter als bisher die Chance auf Bleiberecht. Auch ausländische Abschlüsse sollen in Zukunft leichter anerkannt werden. Der Spiegel (Jürgen Dahlkamp und andere) berichtet ebenfalls über das Vorhaben des Innenministers. Eine "Mischung aus Härte und Offenheit" nennt es die Montags-SZ (Christoph Hickmann).
Rechtspolitik
Erhöhtes Beförderungsentgelt: Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag ein erhöhtes Beförderungsentgelt für Schwarzfahrer beschlossen. Statt vierzig soll Fahren ohne Fahrschein nun sechzig Euro kosten. Zwei Verordnungen muss das Bundesverkehrsministerium noch ändern; sie regeln die Beförderungsbedingungen in Bahn- und Linienverkehr. Anlass für die Erhöhung laut Bundesrat: Der alte Preis schreckt nicht mehr ab. Die Samstags-Welt (Matthias Kamann) berichtet. Svenja Bergt (Montags-taz) kritisiert das Missverhältnis des erhöhten Beförderungsentgelts zum Bußgeldkatalog für Falschparker und fordert zudem, den Straftatbestand des Erschleichens von Leistungen zu überdenken. Ähnliche Töne schlägt Jan Bielicki (Samstags-SZ) an.
Maas zum Terrorismusstrafrecht: In einem Interview mit der WamS (Thorsten Jungholt) spricht Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) über das geltende und das künftige Terrorismusstrafrecht. Das geltende Recht wirke, so Maas. Ende des Jahres soll zudem ein Gesetzentwurf vorgestellt werden, nachdem sich strafbar macht, wer "Deutschland verlassen will, um sich an schweren staatsgefährdenden Gewalttaten im Ausland zu beteiligen oder um sich für die Teilnahme an solchen Taten ausbilden zu lassen". Außerdem soll ein Straftatbestand kommen, der die Terrorismusfinanzierung sanktioniert. Dass der UN-Sicherheitsrat diesbezüglich konkrete Gesetzesänderungen fordert, hält Maas nicht für rechtsstaatlich bedenklich: Gesetze würden weiterhin vom Bundestag gemacht, und in der Terrorismusbekämpfung sei eine internationale Abstimmung notwendig.
Pkw-Maut belastet Deutsche: Künftige Erhöhungen der Pkw-Maut sollen offenbar auch deutsche Autofahrer belasten. Das berichtet die Montags-SZ (Daniela Kuhr) unter Bezug auf den Gesetzentwurf zur Kfz-Steuer, den das Bundesfinanzministerium zur Abstimmung an andere Ministerien verschickt habe und der dem Blatt offenbar vorliegt. Die Anpassung der Kfz-Steuer sei notwendig geworden, damit deutsche Autofahrer um den Betrag erleichtert werden, den sie für die Maut zahlen müssen. Im Entwurf heiße es aber auch, dass künftige Änderungen der Infrastrukturabgabe losgelöst von der Kfz-Steuer erfolgen würden. Daniela Kuhr (Montags-SZ) meint in einem gesonderten Kommentar: "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis aus Dobrindts Ausländer-Maut eine Maut für alle wird."
Kritik am Freihandel: Heribert Prantl warnt in der Montags-SZ davor, die Kritik an geplanten Freihandelsabkommen wie TTIP vorschnell als "internetgefüttert" abzutun. Sie habe einen rechtsstaatlichen Kern, denn ein "Investorenschutz in Verbindung mit einer nur einstufigen privaten Schiedsgerichtsbarkeit und ohne Rechtsmittel zu ordentlichen Gerichten führt zur Aushöhlung rechtsstaatlicher Schutzstrukturen".
Justiz
BVerfG zur Entziehung des Sorgerechts: Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem am vergangenen Freitag bekanntgewordenen Beschluss eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Vorinstanz Amtsgericht Paderborn) aufgehoben. Ein aus Ghana stammender Mann hatte das Sorgerecht für seine anderthalbjährige Tochter entzogen bekommen – angeblich wegen seiner "afrikanischen Erziehungsmethoden". Die Urteile sind nach Ansicht des BVerfG auf ein unzureichendes Sachverständigengutachten gestützt. Das elterliche Fehlverhalten müsse so gravierend sein, dass das Kindeswohl nachhaltig gefährdet erscheint. Nur dann sei eine Trennung von Eltern und Kind erlaubt. Eltern müssten auch nicht positiv ihre Eignung nachweisen, ein Kind erziehen zu können. Vielmehr müsse ihr Versagen festgestellt werden können. Außerdem fordert das BVerfG, dass Gerichte sich nicht blind der Ansicht der Sachverständigen anschließen, sondern sich mit deren Feststellungen auseinandersetzen müssen. Jetzt muss das OLG Hamm den Fall erneut prüfen. lto.de berichtet; ebenso die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch), die darauf hinweist, dass das BVerfG in diesem Jahr bereits über ein halbes Dutzend ähnliche Fälle gerügt hatte. taz.de (Christian Rath) nennt zudem Details aus dem Gutachten, auf dessen Grundlage dem Mann das Sorgerecht entzogen worden war – und das nach Ansicht des BVerfG nicht die "gebotene Neutralität" hat erkennen lassen.
BVerfG – Richterbesoldung: Laut Spiegel (Dietmar Hipp/Barbara Schmid) steht die Besoldung von Richtern und Staatsanwälten zur Prüfung vor dem Bundesverfassungsgericht. Es klagen Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Sie monieren einen Verstoß gegen das in Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes normierte Alimentationsprinzip. Voßkulhes Zweiter Senat müsse nun "Maßstäbe für ein faires Entgelt finden, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, man entscheide als Betroffener", wie es im Artikel heißt. Am kommenden Mittwoch findet die erste Verhandlung statt; das Urteil wird für Anfang 2015 erwartet.
BVerwG zur Weisungsbefugnis Privater: Private Träger haben gegenüber Beamten keine Weisungsbefugnis, wenn gesetzlich nicht klar geregelt ist, wer letztlich weisungsbefugt ist. Das hat das BVerwG entschieden. Geklagt hatte ein in Baden-Württemberg beamteter Bewährungshelfer, der sich an Weisungen des freien Trägers nicht gebunden fühlte. Das Land hat die Bewährungs- und Gerichtshilfe in private Hände gelegt, indem es die Aufgaben 2007 an eine gemeinnützige GmbH übertrug. Die entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen und den Generalvertrag zur Übertragung der Aufgaben hielt der Bewährungshelfer für rechtswidrig. lto.de informiert über die Details.
VG Münster zu sicherem Herkunftsland: Das Verwaltungsgericht Münster hat einem Eilantrag einer serbischen Familie stattgegeben, die sich gegen ihre Abschiebung nach Serbien wendet. Damit hat das Gericht aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Androhung der Abschiebung angeordnet. Grund: Das VG hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der jüngsten Asylrechtsänderung, der zufolge Serbien als sicheres Herkunftsland eingestuft wird und Flüchtlinge dorthin schneller zurückgeschickt werden können. Es bestehe die Sorge, dass der Familie bei der Rückkehr Nachteile drohen könnten, die der Gesetzgeber womöglich nicht gesehen hat. Es berichten die Samstags-SZ (Heribert Prantl) und lto.de. Falls sich die Zweifel nicht klären lassen, werde das VG das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen.
OLG Frankfurt – IS-Kämpfer: Mit einem "vergleichsweise milden" Urteil rechnen kann laut Samstags-SZ (Susanne Höll) der erste in Deutschland angeklagte Kämpfer der Terrororganisation Islamischer Staat. Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt steht der 20-jährige Kreshnik B. wegen der mutmaßlichen Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation. B. soll sich 2013 nach Syrien abgesetzt haben, um dort an der Errichtung eines Gottesstaates mitzuwirken. Die Staatsanwaltschaft habe in ihrem Plädoyer am vergangenen Freitag eine Jugendstrafe von vier Jahren und drei Monaten beantragt. Das Strafmaß soll bereits zu Prozessbeginn vereinbart worden sein – abhängig von der Mitwirkung des Angeklagten B., namentlich zu gestehen und auszusagen. B. habe unter anderem zugegeben, in Syrien in zweiter Reihe gekämpft zu haben. Angeklagt waren Verstöße gegen die Paragrafen 129a und 129b des Strafgesetzbuches; laut FAZ (Alexander Haneke) hatte die Staatsanwaltschaft den "weitaus komplexeren" Tatbestand der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (Paragraf 89a StGB) gar nicht erst angeklagt – womit seine Anwendbarkeit auf Bürgerkriege im Ausland weiter ungeklärt sei.
LG Hamburg zum Film "Die Auserwählten": Das Landgericht Hamburg hat den ARD-Film "Die Auserwählten" in der ausgestrahlten Fassung verboten. Das berichtet der Spiegel (Martin U. Müller). Der Spielfilm stellt fiktiv den systematischen Missbrauch von Schülern durch Lehrkräfte an der Odenwaldschule dar. Zwei ehemalige Schüler sahen ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, weil die Filmfiguren sehr realitätsnah seien. Das Gericht hat im Fall eines Schülers eine "schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung" des Betroffenen angenommen, da er als Missbrauchsopfer gezeigt wird. Den Film hatte die ARD bereits am 1. Oktober ausgestrahlt.
LAG Baden-Württemberg – Heckler & Koch und Waffenexporte: Vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in Freiburg findet am heutigen Montag eine Berufungsverhandlung statt, die nach Angaben der taz (Wolf-Dieter Vogel) Details zu ungenehmigten Exporten von G36-Sturmgewehren nach Mexiko aufdecken könnte. Mexikanische Polizisten wie auch die Mafia verwendeten diese Gewehre, die dort nach in Deutschland geltenden Exportvorgaben nicht hätten landen dürfen. In dem Prozess geht es konkret um die Rechtmäßigkeit zweier verhaltensbedingter Kündigungen eines Vertriebsbereichsleiters und einer Vertriebssachbearbeiterin der Waffenfirma Heckler & Koch.
LG Berlin zu Sixt bei Google: Der Autovermieter Sixt darf seinen Fahrdienst bei Google nach einer Entscheidung des Landgerichts Berlin nicht mit dem Suchbegriff "Taxi" bewerben. Das meldet sueddeutsche.de. Das Angebot dürfe zwar weiterhin unter dem Suchbegriff auffindbar sein – innerhalb der Anzeige müsse aber klarwerden, dass es sich hier nicht um ein Taxiunternehmen handelt. Geklagt hatte die Taxivereinigung Frankfurt.
ArbG Köln zum Einschlafen bei der Arbeit: Durfte einer Mitarbeiterin des Bordservices der Bahn gekündigt werden, weil sie während der Arbeit in einem Zugabteil einschlief? Nein, so das Arbeitsgericht Köln nach einem Urteil, das blog.beck.de (Markus Stoffels) vorstellt. Nach Ansicht des ArbG war die Kündigung unverhältnismäßig; die Mitarbeiterin hätte zuerst abgemahnt werden müssen.
AG Berlin zu Rapper Sido: Den von Rapper Sido eingelegten Einspruch gegen einen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung hat das Amtsgericht Berlin verworfen Das melden die Berliner Zeitung und lto.de. Weder Sido noch ein Verteidiger erschienen vor Gericht. In dem Strafbefehl warf die Staatsanwaltschaft Sido vor, bei einem Streit in einem Berliner Club vor zweieinhalb Jahren einem anderen Gast eine Wodkaflasche auf den Kopf geschlagen zu haben. Die Strafe: neun Monate Gefängnis auf Bewährung und 15.000 Euro an die Justizkasse.
LG Köln – Klage gegen Luftfahrtkonzerne: Die Bahn verklagt nach einem Bericht der Montags-SZ (Klaus Ott) Luftfahrtkonzere wegen illegaler Preisabsprachen vor dem Landgericht Köln. Die Bahn verlange von der Lufthansa und weiteren international führenden Fluggesellschaften Schadenersatz in Höhe von 1,76 Milliarden Euro wegen verbotener Preisabsprachen bei Frachtaufträgen. Offenbar lässt die Bahn die Klage am heutigen Montag beim LG per Lkw abliefern – die "bislang wohl umfangreichste und höchste Kartellklage" umfasse 400 Ordner, verpackt in 54 Umzugskartons.
Bundesregierung plant Strafanzeige: Die Bundesregierung plant offenbar, wegen Verrats von Dienstgeheimnissen Strafanzeige gegen Unbekannt zu erstatten. Das berichtet der Spiegel (Nikolaus Blome und andere – Kurzfassung). Anlass dafür seien Berichte des Spiegel und der SZ, in denen vertrauliche Erkenntnisse unter anderem zur Arbeit des Verfassungsschutzes und Details zur technischen Ausrüstung des Bundesnachrichtendienstes enthüllt worden waren.
Recht in der Welt
Ägypten – Mubarak: Ein Gericht in Kairo hat die Anklage gegen den ehemaligen Machtinhaber Ägyptens Mubarak fallen gelassen. Mubarak war angeklagt, während der Revolutionstage 2011 den Tod von über 800 Demonstranten verantwortet zu haben. Das Gericht habe erklärt, es gebe keinerlei strafrechtliche Grundlage, Mubarak für den Tod der Demonstranten zur Rechenschaft zu ziehen. tagesschau.de, die Montags-SZ (Paul-Anton Krüger) und die Montags-FAZ (Markus Bickel) berichten.
USA – Ferguson: Zwölf Schüsse, der letzte tödlich – wegen der Erschießung des schwarzen Jugendlichen Michael Brown in Ferguson wird keine Anklage erhoben, wie die "Grand Jury" in Ferguson vergangene Woche entschied. Die FAS (Patrick Bahners) setzt sich mit den rechtlichen Voraussetzungen auseinander, wann bei einer Festnahme der Tod des Festzunehmenden im Bundesstaat Missouri in Kauf genommen werden darf. Die Staatsanwaltschaft habe die Geschworenen aber falsch über die Rechtslage informiert, so das Resümee: Sie seien befangen "in einem Irrtum über die Grenze von gerechtfertigtem und ungerechtfertigtem Schusswaffengebrauch" gewesen. Auch Strafverteidiger Steffen Ufer kritisiert im Focus den Verlauf des Verfahrens und die Staatsanwaltschaft. Und Wolfgang Janisch fragt sich schließlich in der Samstags-SZ, welche Folgen ein entsprechender Fall in Deutschland gehabt hätte: Der Polizeibeamte müsste sich wohl in einem öffentlichen Strafprozess verantworten – und nicht hinter verschlossenen Türen einer Geschworenen-Jury. Nach deutschem Recht wären die Schüsse wohl unverhältnismäßig gewesen, auch wenn Brown den Beamten am Ende angegriffen hatte.
Sonstiges
Externe Expertise in Ministerien: Dürfen Ministerien und Bundesämter Fachleute aus Wirtschaft und Wissenschaft für die Ausarbeitung von Gesetzen bemühen? Nein, so der Juraprofessor Bernd Hartmann aus Osnabrück. Wie der Spiegel (Horand Knaup) meldet, hat Hartmann in einem Gutachten festgestellt: Es ist verfassungswidrig, wenn Verbände und Wirtschaftsunternehmen an der Verwaltung partizipieren. Denn die Kontaktpflege sei "kein Selbstzweck, sondern soll dem Unternehmen zu mehr Einfluss verhelfen". Öffentliche Verwaltung sei aber dem Interesse der Allgemeinheit verpflichtet.
Ein Viertel für die Todesstrafe: Jeder vierte Deutsche spricht sich für die Einführung der Todesstrafe aus. Dies geht aus einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach hervor, die die Samstags-Welt (Sabine Menkens) bespricht. Der Artikel erinnert auch an die im Oktober vorgestellte Erlanger Studie, der zufolge ein Drittel der Jurastudenten die Einführung der Todesstrafe fordert.
Totalüberwachung des BND: Der Bundesnachrichtendienst darf Datenleitungen nach Maßgaben des G10-Gesetzes anzapfen – zur sogenannten strategischen Fernmeldekontrolle zu einem Anteil von zwanzig Prozent. Ist damit der tatsächliche Datenstrom gemeint? Oder die maximale Kapazität der Datenleitung? Der BND fasst die Regelung offenbar so auf, dass der gesamte Datenverkehr über eine Leitung überwacht werden darf, wenn deren Auslastung unter zwanzig Prozent liegt. Thomas Stadler (internet-law.de) setzt sich kritisch mit einer entsprechenden Aussage eines ehemaligen BND-Juristen vor dem NSA-Untersuchungsausschuss auseinander. Da die Auslastung der Datenleitungen meist unter zwanzig Prozent liege, würde die Auffassung des BND zur "Totalüberwachung" legitimieren. Der BND zeige eine "haarsträubende Rechtsauslegung, die keiner seriösen juristischen Bewertung standhält".
Strates Buch: Mangelhafte psychiatrische Gutachten renommierter Sachverständiger werden von Gerichten oft nur durchgewunken: Gisela Friedrichsen schreibt im Spiegel über den Strafverteidiger Gerhard Strate, der in seinem Buch "Der Fall Mollath" mit der forensischen Psychiatrie abrechnet, den Finger in die Wunde lege, aber bisweilen übertreibe. "Es ist ein böses, ein aufklärerisches Buch", so Friedrichsen.
Kreditgebühren zurückfordern: Im Oktober entschied der Bundesgerichtshof, dass Verbraucher Kreditbearbeitungsgebühren bis ins Jahr 2004 hinein zurückfordern können. Wie die Montags-Welt (Karsten Seibel) meldet, reagieren vielen Banken auf Aufforderung mit vergleichbaren Schreiben. Darin kündigen sie regelmäßig an, die Gebühren "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu erstatten" und auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Im Einzelfall müsse sich beeilen, wer die Erstattung geltend machen will.
Ramelows Wahl: Am kommenden Freitag wird Bodo Ramelow voraussichtlich zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt. Denkbar ist, dass Ramelow in zwei Wahlgängen nicht die erforderliche absolute Mehrheit erreicht. In einem dritten Wahlgang wäre dann laut Thüringischer Verfassung gewählt, wer "die meisten Stimmen erhält". Was aber, wenn nur Ramelow antritt? Reicht dann schon eine Ja-Stimme aus, um Ramelow zum Ministerpräsidenten zu wählen? Nein, so der Konstanzer Juraprofessor Christoph Schönberger auf verfassungsblog.de: "Kandidiert nur ein Bewerber, dann müssen die Mitglieder des Landtags die Möglichkeit haben, sich in verfassungsrechtlich relevanter Weise zu dieser Kandidatur zu verhalten." Dies sei nur möglich, wenn Nein-Stimme und Enthaltung auch eine rechtliche Konsequenz hätten. Schönberger widerspricht mit seiner Lesart der Thüringischen Verfassung dem Düsseldorfer Kollegen Martin Morlok, der in einem Gutachten die Ansicht vertritt, eine einzige Ja-Stimme genüge.
Der Fall Tuğçe und das Jugendstrafrecht: Der Fall Tuğçe A. bewegte vergangene Woche die Gemüter. Die mittlerweile verstorbene A. war offenbar von einem 18-jährigen Mann niedergeschlagen worden und gestürzt, nachdem sie einen Streit schlichten wollte. Gegen den Mann war anscheinend schon mehrfach wegen Körperverletzungen ermittelt worden. Wird das Jugendstrafrecht, werden Polizei und Justiz ihrer Aufgabe gerecht? spiegel.de stellt in einem interaktiven Pressekompass einzelne Kommentarstimmen zusammen. Peter Michalzik (fr-online.de) etwa kritisiert die in "altbekannter und einigermaßen geschmackloser Weise" geforderte Verschärfung des Strafrechts. Peter Lückmeier (faz.net) meint, Polizei, Justiz und soziale Organisationen sollten jugendliche Delinquenten aufmerksamer in den Blick nehmen.
Das Letzte zum Schluss
Ostentatives Schwarzfahren: "Ich fahre Schwarz" stand auf dem Schild geschrieben, das Dirk J. aus Bayern stolz vor dem Bauch trug. In der Münchner S-Bahn war er in eine Kontrolle geraten – und wies den Kontrolleur auf das Schild hin. Angesichts dieser Offenheit habe er schließlich nichts erschlichen, so J. Der Kniff hielt aber der rechtlichen Prüfung des Amtsgerichts Starnberg nicht stand: Das Gericht hat ihn dennoch wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt. J. hätte sich "schon direkt an den Lokführer oder einen Schaffner wenden müssen, bevor er einstieg. Dann hätten die Verantwortlichen selbst entscheiden können, ob er mitfahren darf oder nicht", so die Begründung des Gerichts laut Focus (Göran Schattauer).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. November bis 1. Dezember 2014: Abschiebungen rascher – Sorgerecht stärker – BND kreativer . In: Legal Tribune Online, 01.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13965/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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