Die juristische Presseschau vom 15. bis 17. November 2014: Drei Jahre für Middelhoff – Desaster Andrea Voßhoff – Weltraumtheorie des BND

17.11.2014

Justiz

EuGH zum Höchstalter für Polizeidienst: Ein Höchstalter von dreißig Jahren für Polizeianwärter ist unzulässig. Das hat der Europäische Gerichtshof laut lto.de am vergangenen Donnerstag entschieden. Der Polizeidienst erfordere zwar eine gewisse körperliche Eignung, so der EuGH. Es sei aber nicht ersichtlich, wieso sich deshalb nur eine bestimmte Altersgruppe bewerben dürfe. Das Urteil geht auf eine entsprechende Regelung aus Spanien zurück.

EuGH zu Hartz-IV: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Hartz-IV-Ansprüchen von EU-Ausländern kommentiert der SZ-Autor Roland Preuß im Deutschlandfunk. In seinen Augen ist das Urteil richtig: Es gehe darum, "ob jemand ein Recht auf Hilfe aus einem nationalen Solidarsystem hat, obwohl er nie etwas dazu beigetragen hat". Diese Frage bleibe nun dort, wo sie hingehöre: "bei den nationalen Parlamenten." Die Freizügigkeit dürfe nicht entwertet werden. Das Urteil von vergangener Woche geht auf den Fall einer Rumänin zurück, die vor vier Jahren nach Deutschland gezogen war, hier aber nie gearbeitet hat und sich nie um Arbeit bemüht, zugleich aber Hartz-IV beantragt hat.

Der Europarechtler Daniel Thym meint im Spiegel, das Urteil werde viele Ausländer betreffen – auch diejenigen, die auf Arbeitssuche seien. Thym vermutet zugleich, das Bundesverfassungsgericht könnte der Rumänin am Ende eine ähnliche Unterstützung zusprechen wie Asylbewerbern – "weil das Grundgesetz die Menschenwürde auch von Rumänen schützt".

BGH zu Vaterschaften: Verstorbene dürfen zwecks einer DNA-Untersuchung zur Feststellung von Vaterschaften exhumiert werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden, wie lto.de und die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) berichten. Dem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung sei gegenüber dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen grundsätzlich der Vorrang einzuräumen: Das Wissen um die eigene Herkunft sei von zentraler Bedeutung für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Individualität.

BGH zur Beweismittelrückgabe: Die Ehefrau eines verurteilten Drogendealers hat einen Streit um beschlagnahmtes Geld vor dem Bundesgerichtshof gewonnen. Das meldet lto.de. Rund 40.000 Euro waren bei einer Razzia in der Wohnung des Ehepaares entdeckt und beschlagnahmt worden. Die Frau wollte das Geld nach dem Strafverfahren zurück, bekam aber nur die Hälfte. Grund: Die Vorinstanz hatte nicht feststellen können, ob das Geld der Ehefrau oder dem Ehemann gehörte. Zu Unrecht: Für den BGH ist es unerheblich, in wessen Eigentum das Beweismittel steht. Das Geld gehöre beiden Eheleuten – die Frau könne die Herausgabe für sie beide verlangen.

OLG München zu Online-Nutzerrezensionen: In einem ausführlichen Beitrag befasst sich der Spiegel (D. Hipp/A. Kistner/B.Schmid) mit neueren Entscheidungen und Expertenansichten zum Thema unliebsamen Verbraucherrezensionen im Internet. So habe das Oberlandesgericht München im Oktober in einem Fall eines negativen Ebay-Kommentars entschieden, der Kommentar sei eine Tatsachenbehauptung und gerade nicht als Meinungsäußerung geschützt; damit träfe den Kunden auch eine erweitere Darlegungslast. Ein Verbraucher hatte bei einem Ebay-Händler Vorrichtungen zur Befestigung eines Jacht-Sonnendaches gekauft und in die Bewertung geschrieben, er habe die Gewinde "wegen Schwergängigkeit" nachschleifen müssen.

In einem anderen Verfahren habe das OLG bereits entschieden, dass auch Betreiber von Bewertungsportalen künftig Sorgfalt zu tragen haben. Könne im Streitfall der Nutzer die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung, etwa als Grundlage einer Benotung, nicht nachweisen, seien Betreiber zur Prüfung des Sachverhalts verpflichtet. Diese Wertungen teilten auch zahlreiche juristische Experten, so der Spiegel weiter. Anders habe es der Bundesgerichtshof noch in der sogenannten "Spick-Mich"-Entscheidung gesehen und Notenvergaben als reine Meinungsäußerungen verstanden.

VG Köln zu Wohncontainern: Das Verwaltungsgericht Köln hat die in einem Gewerbegebiet geplanten Wohncontainer für Flüchtlinge gestoppt. Das meldet lto.de. Zur Errichtung der Container hätte es der Änderung der Bebauungspläne bedurft, so das VG. Die Wohnunterkünfte entsprächen nicht dem Charakter eines Gewerbegebiets.

LG Berlin zu Totschlag in besetzter Schule: Nach dem gewaltsamen Tod eines marokkanischen Flüchtlings in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg ist ein damaliger Mitbewohner wegen Totschlags zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Das meldet die Samstags-taz. Der aus Gambia stammende Mann hatte unter einer Dusche neunmal auf den Mann eingestochen.

AG Emmendingen zu Blitzern: Über die Freisprüche für drei vermeintliche Raser durch das Amtsgericht Emmendingen aus der vergangenen Woche berichtet der Spiegel (Dietmar Hipp): Das Gericht sah es als Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens an, dass eine nachträgliche Kontrolle der Messdaten der gleichwohl zertifizierten Blitzer von PoliScan, auf deren Messungen die Fälle beruhten, nicht möglich sei. Zahlreiche der fest installierten Blitzer, die auch mehrspurige Fahrbahnen abdecken sollen, würden mit einer älteren Auswertungs-Software laufen, die höchst fehleranfällig sei. Zwar habe das Oberlandesgericht Karlsruhe in vergleichbaren Verfahren aus Emmendingen bereits Freisprüche kassiert. Jedoch habe jüngst der Richter am Bundesgerichtshof Jürgen Cierniak, zuständig für Verkehrsstrafsachen, in einer Veröffentlichung ganz im Sinne des Richters aus Süddeutschland argumentiert.

Sta München – Krauss-Maffei Wegmann: Wie u.a. die Montags-Welt meldet, hat die Münchener Staatsanwaltschaft beim Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung Durchsuchungen durchgeführt.

Umgang mit Sexualstraftätern: Einem Bericht des Focus (C. Elflein/A. Siemens) zufolge lässt die Justiz immer mehr verurteilte Sexualstraftäter frei – auch wenn Gutachter sie für gefährlich halten. Richter werteten das Recht auf Freiheit oft höher als den Schutz potenzieller Opfer. Als Gründe werden unter anderem Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs genannt, die eine "Welle der Liberalisierung" ausgelöst hätten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. bis 17. November 2014: Drei Jahre für Middelhoff – Desaster Andrea Voßhoff – Weltraumtheorie des BND . In: Legal Tribune Online, 17.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13823/ (abgerufen am: 06.05.2024 )

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