Die juristische Presseschau vom 15. bis 17. November 2014: Drei Jahre für Middelhoff – Desaster Andrea Voßhoff – Weltraumtheorie des BND

17.11.2014

Das LG Essen hat Thomas Middelhoff zu drei Jahren Haft verurteilt. Jetzt will der frühere Manager in Revision gehen. Außerdem in der Presseschau: Bundestag beschließt eine Verschärfung des Sexualstrafrechts, enttäuschende Datenschutzbeauftragte, Stimmen zum Hartz-IV-Urteil des EuGH, die Weltraumtheorie des BND und hartgesottene Berlinerinnen.

Thema des Tages

LG Essen verurteilt Middelhoff: Das Landgericht Essen hat den früheren Arcandor-Manager Thomas Middelhoff zu drei Jahren Haft wegen Untreue in 27 und Steuerhinterziehung in drei Fällen verurteilt. Damit blieb das LG nahe am Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten gefordert hatte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Middelhoff private Kosten – privat veranlasste Flüge und eine Festschrift, die allein schon 180.000 Euro kostete – in Höhe von mehreren hunderttausend Euro über den Konzern laufen ließ. Middelhoff wurde noch im Gerichtssaal festgenommen – wegen Fluchtgefahr. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es berichten die Samstags-SZ (Kirsten Bialdiga), die Samstags-taz (Anja Krüger), die Samstags-FAZ (Joachim Jahn), die FAS (Rainer Hank) und die Welt am Sonntag (Carsten Dierig/Sebastian Jost).

Der Spiegel (J. Dahlkamp/G. Latsch/B. Schmid/J. Schmitt; spiegel.de-Zusammenfassung) schildert den Fall des "Bad T", der am Schluss nur noch sich selbst habe blenden können und weist auf den diese Woche in Köln beginnenden millionenschweren Zivilprozess zwischen Middelhoff und dem Bankhaus Sal. Oppenheim. Dazu berichtet ausführlich auch die Montags-SZ (Uwe Ritzer): Middelhoff fordere 101 Millionen Euro von der Bank, die im Gegenzug 78 Millionen Euro einklagen wolle. In der Sache werfen Middelhoff und seine Ehefrau der Bank vor, bei Fonds-Anlagen schlecht beraten worden zu sein und weigerten sich, Kredite zu bedienen. Die Bank sperrte ein Guthabenkonto mit 30 Millionen Euro und fordert ausstehende Darlehensrückzahlungen.

Die FAS (Bettina Weiguny) porträtiert Middelhoff, der sich "nie als Täter, immer nur als Opfer sah". Auch das Handelsblatt (Massimo Bognanni/Andreas Dörnfelder) berichtet und widmet dem Thema einen mehrseitigen Schwerpunkt: Compliance-Experte erblickten in dem Urteil ein Signal für künftige Strafverfahren gegen Manager, aber auch für die Praxis in Konzernen; wohlmöglich gäbe es bald häufiger hohe Haftstrafen in ähnlichen Verfahren. Separat protokolliert Massimo Bognanni (Handelsblatt) den "Absturz eines Vielfliegers".

Caspar Busse (Samstags-SZ) spricht von einem "spektakulären Verfahren" und einem Fallbeispiel dafür, "welchen Schaden der falsche Gebrauch von Einfluss und Macht haben können". Das Urteil sei "hart, aber nachvollziehbar". Middelhoff sei "ganz unten angekommen". Als "drastisch" und wie eine "pädagogische Zwangsmaßnahme für eine Kaste, die als entrückt erlebt wird", beurteilt Hans-Jürgen Jakobs (Handelsblatt) das Strafmaß: Die Grenze zwischen Privatleben und Beruf sei "bei den Vielfliegern aus den Topetagen" oft schwer zu ziehen. Christian Bommarius (Berliner Zeitung-Samstagsausgabe) kommentiert ebenfalls und meint, der Haftbefehlserlass beschreibe die Person Middelhoff besonders präzise: Fluchtgefahr.

Revision und Haftprüfung: Wie die Montags-FAZ (Joachim Jahn; faz.net-Kurzmeldung) berichtet, will Middelhoffs Anwalt Winfried Holtermüller Revision gegen das Urteil einlegen und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs herbeiführen – nicht mehr als ein "Strohhalm", so die FAZ. Für den heutigen Montag stehe ein zweiter Termin zur Haftprüfung an. Im ersten Prüfungstermin war der Haftbefehl gegen Middelhoff wohl wegen eines Fehlers seines Fahrers nicht aufgehoben worden: Dieser war geschickt worden, Middelhoffs Reisepass zu holen, brachte aber einen abgelaufenen Pass wieder mit. Problematisch, so die FAZ weiter, könnte noch die Stellung einer Kaution aus eigenen Mitteln werden. Dazu auch zeit.de.

Rechtspolitik

Verschärftes Sexualstrafrecht: Der Bundestag hat am vergangenen Freitag eine Verschärfung des Sexualstrafrechts beschlossen, berichtet etwa die Samstags-FR. Kinder und Jugendliche sollen demnach besser vor unerlaubten Nacktaufnahmen geschützt werden. Künftig mache sich strafbar, wer Kinder und Jugendliche nackt fotografiert oder filmt, um die Bilder zu verkaufen oder in Tauschbörsen einzustellen. Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte ursprünglich noch geplant, das unbefugte Ablichten von Personen generell unter Strafe zu stellen. Vonseiten der Opposition habe es geheißen, das Gesetz schieße über das Ziel hinaus und schaffe neue Rechtsunsicherheit.

Christian Rath (taz.de) meint, die neue Strafvorschrift enthalte "wenigstens eine brauchbare Ausnahmeklausel für Journalisten". Dass Maas außerdem angekündigt habe, Schutzlücken bei der Strafbarkeit von Vergewaltigungen zu schließen, begrüßt Rath. "Gut gemeint - schlecht gedacht", kommentiert Dirk-Oliver Heckmann (Deutschlandfunk.de).

Kinderwahlrecht: Für die Einführung eines Kinderwahlrechts plädiert Olaf Gersemann (Welt am Sonntag). Gersemann schlägt vor, von einem Mindestalter für die Wahlberechtigung gänzlich abzusehen. Eltern Minderjähriger könnten treuhänderisch die Stimmen für ihre Kinder abgeben. Es sei ungerecht, dass ein Seniorenpaar gegenüber einer alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern ein doppeltes Stimmgewicht habe. Als Anlass für seine Forderung führt er unter anderem die alternde Gesellschaft an – und die Notwendigkeit, wieder "strukturelle Mehrheiten" für politische Reformen zu schaffen.

"Terrorismus-Strafrecht": Mit dem Rechtswissenschaftler Nikolaos Gazeas spricht zeit.de (Till Schwarze) anlässlich des Urteils im sogenannten Al-Kaida-Prozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf über die verhängten Freiheitsstrafen und das Verhältnis von Strafrecht und Gefahrenabwehr sowie die Pläne aus der Politik, auch Reiseabsichten von Dschihadisten künftig zu bestrafen.

BVerfG-Richter Peter Huber: Im SWR-Interview (Michael Reissenberger) äußert sich Peter Huber, Richter am Bundesverfassungsgericht, zu einigen rechtspolitischen Themen. Die Wiedervereinigung unter dem Grundgesetz hält Huber für gelungen. Huber zweifelt daran, dass die Kritik an den Linken von Liedermacher Wolf Biermann im Bundestag mit dessen Geschäftsordnung konform ging. Er äußert sich außerdem zur Reform der Richterwahl am BVerfG und den Äußerungsrechten des Bundespräsidenten.

Ziercke-Interview: Im Interview mit dem scheidenden Präsidenten des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke spricht der Spiegel (J. Diehl/J. Schindler/A. Ulrich) über seine fast 11 Jahre dauernde Amtszeit. Dabei geht es unter anderem um die Anti-Terror-Gesetze aus den letzten Jahren, das Fortschreiten des islamischen Terrors, die notwendige Zusammenarbeit mit den USA sowie polizeilichen Rassismus und Islamhasser.

Bundesdatenschutzbeauftragte: "Die Frau ist ein Desaster" bilanziert Constanze Kurz (Montags-FAZ) das nun fast abgelaufene erste Amtsjahr der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff. "Kein flammendes Plädoyer für den Datenschutz kam ihr seit ihrem Amtsantritt über die Lippen, kein ernstzunehmender Beitrag oder auch nur Denkanstoß" sei von Voßhoff gekommen, weder habe sie zur NSA-Affäre noch zur EU-Datenschutzgrundverordnung Stellung bezogen und sei damit auch dafür verantwortlich, dass trotz breitem Erklärungs- und Diskussionsbedarf "im Berliner Machtzentrum kaum etwas" ankomme.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. bis 17. November 2014: Drei Jahre für Middelhoff – Desaster Andrea Voßhoff – Weltraumtheorie des BND . In: Legal Tribune Online, 17.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13823/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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