Die juristische Presseschau vom 1. bis 3. November 2014: Pkw-Maut und Datenschutz – Horrende Anwaltsgebühren – Täter im Netz

03.11.2014

Justiz

BVerfG zu Akten in Blindenschrift: Blinde und sehbehinderte Kläger haben nicht immer einen Anspruch darauf, dass Gerichte ihnen eine Akte in Blindenschrift zukommen lassen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am vergangenen Freitag Beschluss entschieden. Entscheidend sei, ob auch ein Anwalt den Streitstand gleichwertig vermitteln kann. Dann bedürfe es der Akte in Blindenschrift nicht. Ein sehbehinderter Mann hatte einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 Grundgesetz moniert. lto.de berichtet.

BVerwG zu diskriminierten Beamten: Beamte haben einen Anspruch auf Entschädigung, soweit die Höhe ihrer Besoldung allein von ihrem Lebensalter abhing. Das hat das Bundesverwaltungsgericht am vergangenen Donnerstag entschieden. Rechtsanwalt Holger Zuck erklärt auf lto.de die Folgen des Urteils – und für welche Personenkreise es relevant sein könnte.

BVerfG – Luftverkehrsteuer: Das Bundesverfassungsgericht wird an diesem Mittwoch über die Verfassungsmäßigkeit der Luftverkehrsteuer entscheiden. Die Abgabe wird seit 2011 beim Abflug eines Fluggastes von einem inländischen Startort erhoben. Das Land Rheinland-Pfalz klagt gegen die Steuer. Die Montags-Welt (Ernst August Ginten) erklärt die Hintergründe.

StGH Baden-Württemberg zu NPD-Parteitag: Wie lto.de meldet, darf die NPD ihren Parteitag in der Stadthalle in Weinheim ausrichten. Das hat der baden-württembergische Staatsgerichtshof im Rahmen einer einstweiligen Anordnung am vergangenen Donnerstag entschieden. Zuletzt hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Versagung der Stadthalle erklärt. Begründung der Stadt Weinheim: Es seien keine Kapazitäten mehr frei. Der StGH entschied nun, dass der VGH den Zweifeln der NPD an der behaupteten Belegung der Stadthalle nicht nachgegangen sei und die NPD im November dort tagen dürfe. Den Termin bestimme allerdings die Stadt Weinheim selbst.

OLG Karlsruhe zu Kachelmann und der "Kriminellen": Mit dem Urteil des OLG Karlsruhe, nach dem Jörg Kachelmann seine ehemalige Geliebte nicht als "Kriminelle" bezeichnen darf, befasst sich jetzt auch Thomas Stadler (internet-law.de). Stadler kritisiert die Grundrechtsabwägung als "nicht konsistent", weil losgelöst vom Gesamtkontext: Wenn man davon ausgehe, dass "der gegen Kachelmann erhobene Vergewaltigungsvorwurf als falsch bezeichnet werden darf, dann muss auch die Zuspitzung erlaubt sein, dass diejenige, die ihn einer schweren Straftat bezichtigt hat, dann wegen dieser aus Sicht Kachelmanns falschen Verdächtigung als Kriminelle bezeichnet wird".

FG Rheinland-Pfalz zu Scheidungskosten: Können die Prozesskosten für eine Scheidung weiterhin als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend gemacht werden? Ja, wie das Finanzgericht Rheinland-Pfalz Mitte Oktober laut lto.de entschied. Einkommensteuerrechtlich sind Aufwendungen für Prozesse seit 2013 grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt nach der Formulierung des FG, wenn der Steuerpflichtige prozessiert, um seine Existenzgrundlage zu sichern oder weil er seine "lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen" kann. Einen solchen Fall hat das FG bei Prozesskosten für Scheidungen angenommen: Für Ehepartner sei es existenziell, sich aus der zerrütteten Ehe lösen zu können.

LG München I – horrende Anwaltsgebühren: lto.de berichtet über einen Rechtsstreit um Anwaltsgebühren vor dem Landgericht München I. Für die Prüfung eines Arbeitsvertrages hatte ein Münchener Anwalt über 55.000 Euro berechnet, die der ehemalige Mandant nicht zahlen möchte. Die Summe habe sich aus den gesetzlichen Gebühren berechnet. Die Anwaltskammer soll jetzt beurteilen, ob die Forderungen angemessen sind.

LG München II – Urteilsbegründung im Fall Hoeneß: Auch der Spiegel (Dietmar Hipp) befasst sich mit der Urteilsbegründung im Fall Hoeneß, die das Landgericht München II vergangene Woche veröffentlicht hat. In einem kurzen Interview äußert sich Strafverteidiger Michael Rosenthal: Handwerklich sei das Urteil "sauber gemacht"; äußerst ungewöhnlich sei aber, wie großzügig zu Gunsten von Hoeneß gerechnet worden sei. Mit welcher Begründung das LG von Vorgaben des Bundesgerichtshof abwich, überzeugt Rosenthal nicht.

LG Bayreuth zu Unterbringung nach Freispruch: Der vom Landgericht Bayreuth freigesprochene Ulvi K. bleibt nach einer Entscheidung des LG vorerst in der Psychiatrie. Das meldet lto.de. Begründung des LG: Ein neues Gutachten über den geistig Behinderten sei nicht so ausgefallen, dass über eine sofortige Entlassung entschieden werden müsste. Im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens war K. vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern 2013 freigesprochen worden. 2004 hatte das Landgericht Hof K. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

LG Duisburg – Loveparade: Der Focus (Frank Lehmkuhl/Axel Spilcker) befasst sich mit der strafrechtlichen Aufarbeitung der Duisburger Loveparade-Tragödie im Jahre 2010, bei der 21 Menschen starben. Es sei zweifelhaft, ob es jemals zum Prozess wegen fahrlässiger Tötung vor dem Duisburger Landgericht kommt. Denn bislang könne das Gericht nicht über die Eröffnung des Verfahrens entscheiden. Gründe dafür seien Ermittlungsfehler, lückenhafte Akten und fehlende Datenträger. Der Focus stützt dies auf einen "Brandbrief" des Duisburger Richters Joachim Schwartz, in dem dieser seinen Unmut über die Arbeit der Staatsanwaltschaft äußert. Auch Opfer-Anwälte monierten Fehler in der Aufarbeitung als "Katastrophe nach der Katastrophe".

LG Essen – Middelhoff: Im Untreueprozess gegen Thomas Middelhoff hat die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten beantragt. Die Welt am Sonntag (Michael Gassmann) schreibt über das Plädoyer des Staatsanwalts, den allein die Frage interessiert habe, ob Middelhoff private Ausgaben zu Lasten seines Arbeitgebers abgerechnet hat. Middelhoff sei noch in eine Reihe von Straf- und Zivilprozessen rund um den Niedergang von Arcandor verstrickt. "Schneller, cleverer, erfolgreicher als alle" – so steht es nach dem Eindruck des Autors um Middelhoffs Ego.

StA Verden – verkaufte Referendarklausuren: Im März war er in Mailand festgenommen worden – jetzt will die Staatsanwaltschaft Verden (Niedersachsen) Anklage wegen Bestechlichkeit erheben: Der Richter Jörg L. soll Prüfungen fürs zweite Examen an Referendare verkauft haben; der Fall ging bundesweit durch die Presse. Der Spiegel (Michael Fröhlingsdorf/Lena Greiner – Vorabmeldung) schreibt jetzt, Ministeriale und Staatsanwälte hätten seit Langem von einer undichten Stelle in der Prüfungsbehörde gewusst. Pikant: Jörg L. selbst soll als Referatsleiter der Prüfungsbehörde an der Suche nach dem Leck "in vorderster Reihe" beteiligt gewesen sein.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. bis 3. November 2014: Pkw-Maut und Datenschutz – Horrende Anwaltsgebühren – Täter im Netz . In: Legal Tribune Online, 03.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13677/ (abgerufen am: 04.05.2024 )

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