Die juristische Presseschau vom 1. bis 3. November 2014: Pkw-Maut und Datenschutz – Horrende Anwaltsgebühren – Täter im Netz

03.11.2014

Die Aufregung um die Pkw-Maut reißt nicht ab: Der Gesetzentwurf sieht vor, Autofahrer elektronisch zu erfassen. Kommt die Vorratsdatenspeicherung im Maut-Pelz? Und wie steht es ums EU-Recht? Außerdem in der Presseschau: de Maizières Dilemma in der Anti-Terror-Gesetzgebung, in München wird um Anwaltsgebühren gestritten, die NPD darf in Weinheim ihren Parteitag feiern, der neue Typus digitaler Straftäter und warum ein Mann fast zwei Jahre bekam, nachdem er sich zwei Finger abgesägt hatte.

Thema des Tages

Pkw-Maut: Der Gesetzentwurf zur Pkw-Maut aus dem Bundesverkehrsministerium wurde am vergangenen Wochenende bekannt. Anstelle einer Vignette ist vorgesehen, die Mautgebühr elektronisch zu verbuchen. Dafür sollen die Kennzeichen der Autofahrer elektronisch erfasst werden. Das Ministerium garantiert laut Samstags-taz (Svenja Bergt), dass erhobene Daten nicht an andere Behörden weitergegeben werden. Vielmehr sollten personenbezogene Daten "sofort gelöscht" und auch nicht zur Strafverfolgung genutzt werden. In der Welt am Sonntag (Manuel Bewarder u.a.) fordert BKA-Chef Ziercke, dass die gewonnenen Daten im Bereich der Verfolgung von Schwerstkriminalität genutzt werden sollen. Dem erteilte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in der Montags-SZ (Daniela Kuhr) eine "klare Absage".

Weil Kennzeichen gescannt werden sollen, hat der Gesetzentwurf in den letzten Tagen das Thema Datenschutz in den Fokus der Diskussion um die Maut gerückt. In den Augen Thomas Stadlers (internet-law.de) regelt die Maut in ihrer geplanten Form en passant ein umfassendes Überwachungssystem. Die Neuregelung ordne an, "vollständige Bewegungsprofile eines jedes deutschen Autofahrers zu erstellen und für einen längeren Zeitraum zu speichern". Dies sei "Vorratsdatenspeicherung von enormem Ausmaß". Stadler hält das Gesetz daher für verfassungswidrig. Anderer Auffassung ist der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Hans Peter Bull: In einem Gastbeitrag für die Montags-SZ erklärt er, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stehe der Maut nicht entgegen. Bull warnt davor, pauschal von "Einschüchterungseffekten" auszugehen. Dies lasse rechtliche und praktische Hindernisse gegen Datenmissbrauch außer Acht. Bull hält es für angemessen, die Daten im Falle schwerer Kriminalität zu verwenden. Constanze Kurz vom Chaos Computer Club geht in der Montags-FAZ schließlich davon aus, dass "auf juristischer Seite qualitativ weiter gehende Fragen zu stellen sind, als sie in Karlsruhe bisher aufgeworfen waren". Mit der Abgabe müsse man vor allem das Erfassen von Bewegungsprofilen neu diskutieren.

Hinsichtlich der europarechtlichen Bedenken gegen die Maut lässt der Spiegel (Dietmar Hipp) Europa- und Staatsrechtler zu Wort kommen, die neben der EU-Ausländer- nun auch eine Inländerdiskriminierung fürchten: weil Dobrindt Ausländer nur für Autobahnen zur Kasse bitten wolle, inländische Kfz-Halter aber auch für Bundesstraßen. Der Staatsrechtler Christian Hillgruber hält die Bedenken für unbegründet und fasst in einem Gastbeitrag für die Montags-Welt die Ergebnisse aus dem Gutachten zusammen, das er fürs Bundesverkehrsministerium geschrieben hat. Das Gutachten soll in den kommenden Tagen veröffentlicht werden.

Rechtspolitik

Anti-Terror-Gesetze: Wie weit kann Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in der Anti-Terror-Gesetzgebung gehen? Für die Montags-Welt (Manuel Bewarder/Thorsten Jungholdt) steckt der Minister in einem Dilemma: "Er will, er muss auf den Terror reagieren. Doch er weiß auch, dass nicht mehr viel geht." Denn bereits mit der Gesetzgebung unter Innenminister Otto Schily (SPD) sei der Gesetzgeber an die Grenzen dessen gegangen, was das Grundgesetz erlaubt – und manchmal darüber hinaus.

Quotengesetz: Wie die Montags-FAZ (Joachim Jahn) aus Regierungskreisen zu berichten weiß, kommt das Gesetz zur Einführung einer Frauenquote an diesem Mittwoch doch nicht ins Kabinett. Zugleich habe Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) mitteilen lassen, es werde keine wesentlichen Änderungen mehr am Gesetzentwurf geben. Nach dem Quotengesetz sollen die rund 120 börsennotierten Gesellschaften hierzulande gezwungen werden, vom Jahr 2016 an 30 Prozent ihrer Aufsichtsratssitze mit Frauen zu besetzen.

Tarifeinheitsgesetz: Vergangene Woche stellte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) einen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit vor. Es soll die Zersplitterung der Tariflandschaft eindämmen und so den Einfluss kleiner Gewerkschaften begrenzen. Eine Einschätzung zum Gesetzentwurf gibt der Münchner Arbeitsrechtler Volker Rieble in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Wagniskapitalgeber schreiben Gesetz selbst: Weil ihnen die Politik zu langsam ist, schreiben Wagniskapitalgeber in Deutschland jetzt selbst einen Gesetzesentwurf, den sie im Januar 2015 vorstellen wollen. Das hat der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften laut Montags-FAZ (smo) mitgeteilt. Hintergrund seien die vergleichsweise geringen Mittel, die Start-ups hierzulande von risikobereiten Investoren als Anschubhilfe erhalten. Die Koalition hatte versprochen, günstigere Bedingungen für sogenanntes Risikokapital zu schaffen – doch bislang sei nichts passiert.

Zweifel am Rechtsstaat: Glauben die Bürger, dass Polizei und Justiz Sicherheit garantieren und das Recht der Bürger durchsetzen können – oder zweifeln sie am Rechtsstaat? Mit dieser Frage befasst sich der Spiegel (Ann-Katrin Müller/Simon Pfanzelt) unter dem Titel "Gesetz und Gefühl". Der Artikel zitiert eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach. Danach fühlten sich deutlich mehr Menschen "bedroht" oder "sehr bedroht" durch Verbrechen; die Mehrzahl der Deutschen habe das Gefühl, die Zahl der Verbrechen nähmen zu. Zahlreiche Verfahrenseinstellungen, Stellenstreichungen in der Justiz bestärkten das "Gefühl der Unsicherheit", das "gefährlich für jeden Rechtsstaat" sei.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. bis 3. November 2014: Pkw-Maut und Datenschutz – Horrende Anwaltsgebühren – Täter im Netz . In: Legal Tribune Online, 03.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13677/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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