Die juristische Presseschau vom 1. April 2014: IGH verbietet Walfang – 100 Tage NSU-Prozess – Offene Türen in Landsberg

01.04.2014

Justiz

EuGH – Hartz IV für EU-Ausländer: Gegenwärtig beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage eines Anspruchs von Hartz IV-Leistungen für in Deutschland lebende EU-Ausländer. Die FAZ (Corinna Budras) befragt aus diesem Anlass Heinrich Alt, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, zu möglichen Entscheidungen und deren Auswirkungen für die Jobcenter sowie der aktuellen Bescheidungspraxis. In einer Zusammenfassung der aktuellen Rechtslage fordert Corinna Budras (FAZ) den Leistungsbezug für EU-Ausländer "klar an ihren Willen zur Arbeitssuche" zu koppeln und nicht an den Aufenthaltsstatus der Betroffenen. Dies wäre erfolgversprechender, als Behörden zu ohnehin nicht durchsetzbaren Ausweisungen zu zwingen.

Verfassungsrichterwahl: Die geplante Reform der Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht unterzieht Rechtsprofessor Fabian Wittreck für lto.de einer kritischen Würdigung. Der Staatsrechtler analysiert hierfür zunächst die aktuelle Praxis und ihre Bewertung durch die Lehre um in einem zweiten Schritt zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die Änderung, nach der die vom Bundestag ernannten Richter künftig vom Plenum des Parlaments gewählt werden, "bloße Kosmetik" sei. Denn die Liste der in Frage kommenden Kandidaten würde nach wie vor von den großen Parteien bestimmt. Dieses "Verteilungskartell" ließe sich etwa durch eine Berücksichtigung der Wünsche der Oppositionsparteien aufbrechen.

BGH zu Jonny K.: Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilungen im Fall des 2012 zu Tode geprügelten Jonny K. bestätigt, meldet spiegel.de.

OLG Oldenburg zu Volksverhetzung: Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in der vergangenen Woche die Verurteilung eines durch ein Lied mit dem Titel "Döner-Killer" zu zweifelhafter Bekanntheit gelangten Musikers wegen Volksverhetzung bestätigt, meldet rechtslupe.de. Auf den vor Veröffentlichung eingeholten Rat einer Anwältin, der Text des für die Verurteilung maßgeblichen Liedes "Geschwür am After" erfülle keinen Straftatbestand, habe der Verurteilte nicht vertrauen dürfen. Denn bei "nur mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen" hätte der Autor leicht selbst die strafrechtliche Relevanz entdecken können.

OLG München – NSU-Prozess: Am heutigen Dienstag steht der 100. Verhandlungstag im vor dem Oberlandesgericht München laufenden Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere an. Aus diesem Anlass bringt die taz (Konrad Litschko/Andreas Speit) eine Zwischenbilanz in Frage und Antwort-Form.

Die Welt (Per Hinrichs) lässt in ihrem Bericht Prozessbeteiligte zu Wort kommen. So bemängelten Nebenklagevertreter die mangelnde Bereitschaft der Bundesanwaltschaft, etwaigen Verwicklungen des Verfassungsschutzes in die Mordserie nachzugehen, erkannten aber andererseits einen klaren "Verurteilungskurs" des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl. Unverständnis würde dagegen ob des von "vielen als zu passiv und nicht konfrontativ genug" geltenden Auftritts der Verteidigung der Hauptangeklagten geäußert.

In einem weiteren Beitrag (Christian Unger) wird Gül Pinar, Vertreterin der Familie des in Hamburg ermordeten Lebensmittelhändlers Süleyman Tasköpru, zu ihren Eindrücken befragt. Die Anwältin zeigt sich überrascht über die im Prozess zutage tretende Größe der rechtsextremen Szene in Deutschland, meint, dass es Zschäpe mit ihrer scheinbaren Teilnahmslosigkeit darauf anlege, sich zur Ikone der Szene zu machen, lobt die "auf Ruhe und Beharrlichkeit" fußende Vernehmungstaktik Götzls, der es zu danken sei, dass auch verschwiegen Zeugen reden würden und kritisiert die Bundesanwaltschaft für deren mehrfach bekundeten Unwillen, Strukturen und Vernetzung des NSU aufzuklären.

FR-Online.de (Mirko Weber) beschreibt in einem längeren Beitrag die trotz des widrigen Anlasses eingekehrte Routine beim Gericht und mutmaßt, dass ohne eine Aussage Zschäpes die maßgeblichen Hintergründe der Taten im Dunklen bleiben werden.

LG Ulm – Scala: Über den Prozessauftakt im Verfahren zur Zulässigkeit von Kündigungen sogenannter Scala-Verträge durch die Sparkasse vor dem Landgericht Ulm berichtet das Handelsblatt (M. Buchenau/E. Atzler/A. Rezmer). In einer vorläufigen Einschätzung der unter anderem von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg angestrengten Klage habe die Richterin klargestellt, dass eine Kündigungsklausel, auf die sich die beklagte Bank berufe, unwirksam sei. Der Prozess werde im Juli fortgesetzt.Frank M. Drost (Handelsblatt) hält auch ohne Urteil die Sparkassen für die Verlierer dieses Rechtsstreits. Deren Geschäftsmodell gründe sich auf Vertrauen von Sparern, dass durch die Vertragskündigungen zerstört worden sei. Dabei wäre das unternehmerische Risiko der nun streitgegenständlichen Sparmodelle von den Sparkassen selbst zu tragen und es "mehr als fragwürdig," die Kunden diese Suppe nun selbst "auslöffeln zu lassen."

StA Verden – verkaufte Examensarbeiten: Ein an das Landesprüfungsamt in Celle abgeordneter Richter soll Referendaren Examensthemen verkauft haben, meldet focus.de. Wegen Unregelmäßigkeiten habe die Staatsanwaltschaft Verden bereits seit einiger Zeit ermittelt und in der vergangenen Woche auch das Büro des Richters durchsucht. Während der flüchtig gewesen sei, habe ihn das Dienstgericht daraufhin vorläufig seines Amtes enthoben. Die italienische Polizei habe ihn nun in Mailand festgenommen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. April 2014: IGH verbietet Walfang – 100 Tage NSU-Prozess – Offene Türen in Landsberg . In: Legal Tribune Online, 01.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11506/ (abgerufen am: 06.05.2024 )

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