Die juristische Presseschau vom 30. Juni 2016: Dop­pelte Straf­ver­fol­gung mög­lich / BAG zu Min­dest­lohn / Strafe für Lux-Leaks-Whist­le­b­lower

30.06.2016

Justiz

BAG zu Mindestlohn: Arbeitgeber müssen auch Bereitschaftszeiten des Arbeitnehmers mindestens mit dem Mindestlohn vergüten, wenn dieser sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten muss, so ein Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts. Bei der Berechnung des Stundenlohns sei auf das Monatsentgelt abzustellen. Der Kläger hatte gefordert, die Stunden nach dem Tarifmodell zu beurteilen (demnach erhielte er für Bereitschaftsstunden 7,90 Euro) und seinen Lohn auf den Mindestlohn aufzustocken, schreiben taz (Christian Rath) und FAZ (Hendrik Wieduwilt).

BVerfG zu Auslieferung an die USA: Solange die USA den Grundsatz der Spezialität nicht achten und im Falle einer Auslieferung nicht wie bisher bei Diskrepanzen zwischen den Strafbestimmungen nur die Tat ahnden, die in beiden Staaten strafbar ist, verstoßen Auslieferungen in die USA gegen den Anspruch auf Rechtsschutz. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht. Zuvor hatte ein amerikanisches Bundesberufungsgericht besagten Grundsatz gekippt. Die SZ (Wolfgang Janisch) schildert den zugrundeliegenden Fall, der nun zurück an das Oberlandesgericht Frankfurt geht.

BVerfG zu Auslieferung an EU-Mitglied: Trotz EU-Haftbefehls dürfen deutsche Staatsbürger nicht an andere EU-Mitgliedsstaaten ausgeliefert werden, wenn sie die vorgeworfene Straftat in Deutschland geplant oder vorbereitet haben. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einem nun veröffentlichen Beschluss, meldet die SZ (Wolfgang Janisch) in einer kurzen Nebeninformation.

BGH zu KfZ-Standzeit: Eine lange Standzeit vor der Erstzulassung eines Wagens ist kein Sachmangel, wenn dieser gebraucht gekauft wird und die Standzeit aufgrund der Dauer der Zulassung, der Laufleistung, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der vorherigen Nutzung nicht ins Gewicht fällt. Dies entschied der Bundesgerichtshof, schreibt swr.de (Klaus Hempel).

BGH zu Befangenheit: Der Richter auf Probe Benedikt Meyer weist auf lto.de auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. April diesen Jahres hin, dem zufolge ein Ablehnungsgesuch gemäß § 47 Absatz 2 Zivilprozessordnung weiterhin zulässig ist, auch wenn die vorbringende Partei zur Sache verhandelt. Meyer zeichnet den Fall und den Zweck des Gesetzes nach.

LG Augsburg zu Kindesvernachlässigung: Das Landgericht Augsburg hat eine Mutter wegen versuchten Totschlags an ihrem Baby zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Sie soll ihr Kind so sehr vernachlässigt haben, dass es wegen Unterernährung ins Krankenhaus gebracht wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haft von sechs Jahren und drei Monaten gefordert, meldet spiegel.de.

OLG München – NSU: Im NSU-Prozess weigerte sich der Zeuge Marcel D. nach wie vor, seine V-Mann-Tätigkeit zu bestätigen, obwohl deswegen bereits ein Verfahren wegen Falschaussage läuft. Nachdem das Gericht zu dem Schluss kam, dass er bei seinem letzten Auftritt als Zeuge aus dem Zeugenstand nicht entlassen wurde, kann er sich nun bis zur nächsten Befragung überlegen, ob er seine Aussage revidiert und so straflos bleibt, schreibt spiegel.de (Wiebke Ramm).

Kommende Woche sollen die Nebenkläger im NSU-Prozess erstmals Fragen an Zschäpe richten dürfen. Die SZ meldet, es sei unklar, ob die Angeklagte sich äußern werde – sie habe angekündigt, nicht zu antworten.

VG Gelsenkirchen zu Abschiebung: Die Zeit (Martin Klingst) zeigt anhand des Falls Sami A. wie kompliziert das Ausländer- und Asylrecht ist und wie das Folterverbot deutsche Behörden bindet. A. hat seine Aufenthaltserlaubnis verloren, weil er – entgegen eigener Angaben – als Leibwächter bin Ladens gearbeitet haben soll; wegen Foltergefahr darf er nicht nach Tunesien abgeschoben werden und wird stattdessen seit zehn Jahren überwacht.

BVerfG zu OMT-Programm: Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem OMT-Urteil gezeigt, dass die verfassungsrechtlichen Prinzipien von Identitäts- und ultra-vires-Kontrolle "doch nicht ganz so scharfe Schwerter" seien, konstatiert der wissenschaftliche Mitarbeiter Björn Schiffbauer auf juwiss.de. Allerdings könnten die in der Entscheidung vorgebrachten "gewichtigen Einwände" aus Karlsruhe zukünftige Beschwerdeführer ermutigen, auf dieser Basis gegen Unionsrechtsakte vorzugehen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. Juni 2016: Doppelte Strafverfolgung möglich / BAG zu Mindestlohn / Strafe für Lux-Leaks-Whistleblower . In: Legal Tribune Online, 30.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19840/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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