Die juristische Presseschau vom 30. Juni 2016: Dop­pelte Straf­ver­fol­gung mög­lich / BAG zu Min­dest­lohn / Strafe für Lux-Leaks-Whist­le­b­lower

30.06.2016

EuGH lockert Verbot mehrfacher Strafverfolgung. Außerdem in der Presseschau: Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienst, keine Auslieferung in die USA und Lux-Leaks-Whistleblower verurteilt.

Thema des Tages

EuGH zu erneuter Strafverfolgung: Wenn ein abgeschlossenes Ermittlungsverfahren in einem EU-Staat ein offensichtliches Defizit aufweist, hindert dessen Abschluss einen anderen Mitgliedsstaat nicht daran, ein eigenes Strafverfahren einzuleiten. Dies entschied der Europäische Gerichtshof und relativiert damit das transnationale Verbot der mehrfachen Strafverfolgung aus Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens zusammen mit Artikel 50 der EU-Grundrechtscharta. Dieses folge demnach nicht nur formalen Voraussetzungen, vielmehr eröffnet das Luxemburger Urteil eine materielle Prüfung der vorhergehenden Einstellungsentscheidung der Strafjustiz. Im vorliegenden Fall ging der EuGH von einem offensichtlichen Defizit aus, weil nicht richtig ermittelt worden sei. Strafrechtsprofessor Marco Mansdörfer beleuchtet das Urteil für lto.de. Die SZ (Wolfgang Janisch) bringt eine Meldung dazu.

Rechtspolitik

Erbschaftsteuer: Wie die FAZ (Kerstin Schwenn) meldet, werde der Bundesrat wohl empfehlen, hinsichtlich der Erbschaftsteuerreform den Vermittlungsausschuss einzuberufen. Der Beitrag resümiert die Kritik der Länderfinanzminister am Entwurf, dieser entspreche in einigen Teilaspekten nicht der verfassungsgemäßen Schonung betrieblichen Vermögens.

Der Publizist Rudolf Walther mahnt in der taz, erben sei nicht gerecht, und zitiert Kant, Locke und Hegel, die der Erbschaft ebenfalls kritisch gegenüber standen.

Lohngerechtigkeit: "Lohngleichheit ist die Folge echter Chancengleichheit und nicht die von Berichtspflichten für Unternehmen", moniert die Arbeitsrechtlerin Anna Köhn auf lto.de. Der Entwurf zum Lohngerechtigkeitsgesetz gehe an der Wirklichkeit vorbei und werde daher keine signifikante Senkung der Lohndifferenz zwischen Mann und Frau erreichen.

In der Zeit antwortet Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) auf eine Kritik am Lohngerechtigkeitsgesetz ("Regulierungswahn") in selbiger Zeitung von Kolja Rudzio. Sie betont, die Berichtspflichten seien leistbar und Lohntransparenz angesichts der Lohndifferenzen für gleichwertige Arbeit nötig. Sie bringt auch weitere Vorschläge, wie etwa eine Familienarbeitszeit vor, um die Gleichberechtigung von Frauen im Beruf zu gewährleisten.

Sexualstrafrecht: Der angestrebte Paradigmenwechsel der Sexualstrafrechtsreform wolle "die Wahrheitsfindung unüberprüfbar aus der Objektivität heraus und in die persönliche Deutungshoheit der Anzeigeerstatterin" legen, moniert Sabine Rückert (Die Zeit) in einer ausführlichen Kritik an der geplanten Reform. Sie kritisiert, Beweisschwierigkeiten könnten zulasten des Angeklagten ausfallen und beanstandet, Gerichten würden "hochgradig risikobehaftete Beweisführungen" aufgebürdet. Sie unterstützt die Strafverfolgungsbehörden im Fall Lohfink.

BND-Reform: "Der Versuch einen Geheimdienst der völligen parlamentarischen Transparenz zuzuführen, kann nur Enttäuschungen produzieren", konstatiert Mariam Lau (Die Zeit). Entweder gebe es einen Untersuchungsausschuss mit immer gleichen Vorwürfen oder der Geheimdienst würde faktisch abgeschafft – dabei, schildert Lau, brauche es einen guten Geheimdienst. zeit.de (Kai Biermann) erläutert ausführlich, warum die Reform dem BND noch mehr Befugnisse zukommen lasse und dessen Tätigkeit der parlamentarischen Kontrolle weiter entziehe.

Der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes Hansjörg Geiger stellt in der SZ Vor- und Nachteile der Reform dar. So begrüßt er etwa, dass das Gesetz einen Ständigen Bevollmächtigten einführen wolle. Kritisch sehe er, dass der Vorschlag außer acht lasse, dass Kooperationsstaaten ausgetauschte Daten entgegen der gemeinsamen Vereinbarung verwendeten. Er sieht die Chance verpasst, das BND-Gesetz grundsätzlich verständlicher zu gestalten.

Ceta: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker meint, das Ceta-Abkommen falle ausschließlich in die Kompetenz der EU und mache so eine Abstimmung der nationalen Parlamente unnötig. FAZ (Hendrik Kafsack), Hbl (Dana Heide/Till Hoppe) und taz (Eric Bonse) schildern seine Argumentation, die einige Kritik hervorbrachte. Sigmar Gabriel (SPD) missbilligt etwa das "dumme Durchdrücken von Ceta".

Alexander Mühlauer (SZ) hebt hervor, wie wichtig Handelsabkommen wie Ceta und TTIP für die internationale Rolle der EU seien. Er unterstützt Jean-Claude Juncker bei seinem Vorstoß, da Abstimmungen der Parlamente dazu führten, dass die Abkommen nicht geschlossen würden.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. Juni 2016: Doppelte Strafverfolgung möglich / BAG zu Mindestlohn / Strafe für Lux-Leaks-Whistleblower . In: Legal Tribune Online, 30.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19840/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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