Die juristische Presseschau vom 26. März 2015: Falsch besetzte Aufsichtsräte? – Verfassungsschutzreform – Überlastetes BVerfG

26.03.2015

Justiz

Überlastetes BVerfG: Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle hat am gestrigen Mittwochabend die Politik um Vorschläge für eine deutliche Entlastung gebeten, da das Gericht und seine Rechtsprechung sonst Gefahr liefen, "ernsthaft Schaden zu nehmen". Die Zahl der Verfahren sei im letzten Jahr weiter gestiegen, mittlerweile um 22 Prozent im letzten Jahrzehnt. Insbesondere Verfassungsbeschwerden würden immer mehr, mit einer Erfolgsquote von lediglich 1,92 Prozent, meldet die Welt.

EuGH – "safe habor"-Abkommen: Am Dienstag hat der Europäische Gerichtshof im Vorlageverfahren des irischen obersten Gerichts die Frage verhandelt, ob das sogenannte "safe habor"-Abkommen mit den USA – eigentlich eine Entscheidung der EU-Kommission – gegen Unionsrecht verstößt. Das Verfahren geht auf eine Beschwerde des österreichischen Juristen Max Schrems gegen die irische Tochter des Facebook-Konzerns – zuständig für die Daten europäischer Nutzer – zurück. Die FAZ (Helene Bubrowski/Martin Gropp) stellt die Zusammenhänge dar und in Aussicht, dass – nach der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zum Datenschutz zu urteilen – eine Entscheidung auf Unionsrechtswidrigkeit nicht unwahrscheinlich ist.

BGH zu Recht auf gesetzlichen Richter: Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil wegen Verstoßes gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter aufgehoben, weil das Gericht einen Schöffen freigestellt hatte, ohne den dafür erforderlichen triftigen Grund tatsächlich zu prüfen. Das Gericht hatte vage Angaben zur Arbeitsbelastung des Schöffen ausreichen lassen, meldet lawblog.de (Udo Vetter).

BGH zu bedingungsloser Rückabwicklung: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Anspruch aus Rückabwicklung eines Vertrags über einen mangelhaften PKW unbedingt zu gewähren sei. Der Wagen war zwischenzeitlich ausgebrannt und die Versicherung hatte mangels Klärung der Ursachen noch nicht gezahlt und auch einer Abtretung der Ansprüche nicht zugestimmt. Daraus könne sich aber keine Rückzahlung unter Bedingung der Abtretung ergeben, so der BGH laut FAZ (Joachim Jahn) und lto.de.

BAG zu Urlaub und fristloser Kündigung: Rechtsanwältin Saskia Krusche stellt auf dem Handelsblatt Rechtsboard die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Februar zur Erfüllung von Urlaubsanspruch dar. Danach ist Urlaubsanspruch nicht allein durch Freistellung, sondern erst durch vorbehaltlose Zusage von Urlaubsentgelt erfüllt. Bei fristloser Kündigung und hilfsweise fristgerechter Kündigung unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch unter sofortiger Freistellung ist damit – bei wirksamer fristgerechter Kündigung – der Urlaubsanspruch nicht abgegolten.

VG Neustadt zu EU-Führerscheintourismus: Das Verwaltungsgericht Neustadt hat laut lawblog.de (Udo Vetter) entschieden, dass deutsche Behörden auch bei einem ausländischen Führerschein die Fahreignung eigens prüfen dürfen. Ein Deutscher hatte nach Führerscheinentzug wegen Alkoholfahrten in Tschechien einen "neuen" Führerschein gemacht. Als er danach wieder in Deutschland wegen Alkohols auffiel, ordneten die Behörden eine Fahreignungsprüfung an.

LG Köln – Sal. Oppenheimer-Prozess: Gegen Zahlung von sechs Millionen Euro hat das Landgericht Köln den Strafprozess gegen den Immobilienunternehmer Josef Esch wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Untreue im Zusammenhang mit dem Niedergang des Kölner Bankhauses Sal. Oppenheimer eingestellt. Wegen möglichen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz muss sich Esch weiter verantworten. Auch gegen die vier persönlich haftenden Gesellschafter der Bank geht der Prozess weiter, sie müssen sich wegen besonders schweren Falls der Untreue verantworten. Es berichtet das Handelsblatt (Massimo Bognanni).

Privilegierungsverbot nach BVerfG auch für Bildungsinhalte? Das Bundesverfassungsgericht hat im Kopftuchbeschluss auch für verfassungswidrig erklärt, dass die "Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen" laut nordrhein-westfälischem Schulgesetz nicht gegen das Neutralitätsgebot verstießen. Didaktikprofessor Wolfgang Sander macht in der FAZ darauf aufmerksam, dass die Regelung auch auf Bildungsinhalte beziehbar sei – etwa die Bedeutung des Christentums in der deutschen Geschichte und für die Entstehung der normativen Werteordnung des Grundgesetzes. So könnte das BVerfG einem Säkularismus Vorschub geleistet haben, der "Weltlichkeit" zu ideologischer Grundlage staatlicher Schulen mache und so die Attraktivität religiöser Fundamentalismen fördere.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 26. März 2015: Falsch besetzte Aufsichtsräte? – Verfassungsschutzreform – Überlastetes BVerfG . In: Legal Tribune Online, 26.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15066/ (abgerufen am: 04.05.2024 )

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