Die juristische Presseschau vom 25. Mai 2016: Tricksen beim Min­dest­lohn / Ersatz­f­rei­heits­strafe ade / AfD gegen Rechts­staat

25.05.2016

Mögliche Tricksereien zur Umgehung des Mindestlohns erstmals vor dem BAG. Außerdem in der Presseschau: Ist "Containern" Diebstahl und was hält Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der AfD?

Thema des Tages

BAG - Tricksen beim Mindestlohn: Können Weihnachts- und Urlaubsgeld auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden, wenn jeweils ein Zwölftel davon pro Monat ausbezahlt wird? Am heutigen Mittwoch befasst sich das Bundesarbeitsgericht erstmals mit etwaigen Tricks um den Mindestlohn. Die Tochterfirma eines Städtischen Klinikums hatte ihrer Mitarbeiterin besagte Sonderzahlungen in zwölf monatlichen Raten ausgezahlt, um so den Vorschriften des gesetzlichen Mindestlohns zu entsprechen. Ohne diese Zahlungen beliefe sich der Stundenlohn der Mitarbeiterin auf 8,03 Euro. Die vorhergehenden Instanzen erlaubten diese Praxis, da der Arbeitgeber das Urlaubsgeld unabhängig davon ausbezahlte, ob die Angestellten tatsächlich in Urlaub fuhren oder nur einen Teil des Jahres angestellt waren. Zudem gab es eine entsprechende Vereinbarung mit dem Betriebsrat. Die Klägerin argumentiert hingegen, dass das Urlaubsgeld zusätzlich zum Lohn vereinbart sei und das Weihnachtsgeld die Betriebstreue belohne. Sie fordert eine Grundvergütung über 1.473 Euro (entsprechende 8,50 Euro pro Stunde), schreibt die SZ (Detlef Esslinger) in ihrem Vorabbericht.

Rechtspolitik

Integrationsgesetz: Am heutigen Mittwoch will das Bundeskabinett das geplante Integrationsgesetz beschließen. Der Entwurf sehe ein Systems des "Förderns und Forderns" vor. So sollen Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch läuft, bereits zur Integration verpflichtet werden (mit Sanktionen bei Weigerung). Haben sie allerdings eine gute Bleibeperspektive, sollen sie leichter an einen Arbeitsplatz kommen; dazu solle die Vorrangregelung gelockert werden, nach der Deutsche und EU-Bürger bei Jobangeboten bevorzugt behandelt werden. Umstritten sei insbesondere die Wohnsitzregelung. spiegel.de (Vanessa Steinmetz), SZ (Stefan Braun/Constanze von Bullion) und FAZ (Dietrich Creutzburg) stellen den Entwurf vor. Ausführlich geht auch zeit.de (Lisa Caspari) auf den Entwurf ein.

Dietrich Creutzburg (FAZ) moniert, das geplante Integrationsgesetz ergebe sich aus einem "faulen Kompromiss" zwischen Innen- und Sozialpolitikern und erschwere letztlich Integration. So sorge die Lockerung der Vorrangprüfung für bürokratischen Aufwand, nütze Inländern aber kaum. Creutzburg hätte es daher befürwortet, die Regelung probeweise zu streichen.

Der Staatsrechtler Arnd Uhle fokussiert sich in einem FAZ-Gastbeitrag auf die freiheitsgerechte Integration mit Blick auf das Staatsziel der "Vitalität und Dauerhaftigkeit der freiheitlichen Grundordnung": Die Zustimmung zur Integration sei nicht als Rechtspflicht einzufordern, sondern (im Sinne der freiheitlichen Grundordnung) der freien Entscheidungsmacht der Zuwanderer zu überantworten. Die dauerhafte Aufrechterhaltung der Verfassung fuße darauf, dass die Gesellschaft sie frei annimmt.

Wohnsitzzuweisung: Wie sinnvoll ist die Wohnsitzregelung? Ist die räumliche Konzentration von Einwanderern überhaupt ein Problem? Unter dem Titel "Wohnpflicht allein genügt nicht" vollzieht die FAZ (Bernhard Clemm) in einem Vergleich mit der Wohnortzuweisung für Spätaussiedler nach, inwieweit die Kritik an der Maßnahme berechtigt ist, und stellt verschiedene Pro- und Kontrapositionen vor.

Ersatzfreiheitsstrafe: Der Brandenburger Justizminister fordert in einem Antrag für die im Juni tagende Justizministerkonferenz, die Ersatzfreiheitsstrafe deutschlandweit abzuschaffen. Brandenburg wolle zudem Strafgefangene in die gesetzliche Rentenversicherung aufnehmen. Die taz skizziert die Forderungen und erklärt die Ersatzfreiheitsstrafe.

Leiharbeit/Werkverträge: Der Direktor des Bonner Instituts für Arbeitsrecht Gregor Thüsing analysiert in der FAZ, welche unerwünschten Folgen aus der Reform von Leiharbeit und Werkverträgen in der Praxis resultieren können. Tatsächliche Schwierigkeiten könnten sich etwa aus dem Gleichbehandlungserfordernis von Leiharbeitern und Stammbelegschaft ergeben.

E-Akte in Strafsachen: Ein "Jahrtausend-Umbruch" ergebe sich durch die Einführung elektronischer Akten in Strafsachen, meint der Präsident des Thüringischen Oberlandesgerichts im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur, welches lto.de aufgreift. Kaufmann äußerst sich zu Effizienzgewinn, notwendigen Sicherheitsstandards, Akteneinsicht und Kosten der elektronischen Akten.

EU-Investorenschutz: Petra Pinzler (Die Zeit) kritisiert, dass das Wirtschaftsministerium nun doch für das Vorhaben von Deutschland und vier weiteren EU-Staaten plädiert, ein EU-Schiedsgericht zum Schutz von Investoren einzurichten. Sie zeigt auf, dass es ausreichend Gerichte in der EU gebe und teilt die Meinung der EU-Kommission, es brauche keinen bilateralen Investitionsschutz in einem gemeinsamen Markt.

Stromsteuer für Selbstversorger: Das Bundesfinanzministerium plant, die Selbstversorgung mit Strom ab 20 Megawattstunden mit 2,05 Cent pro Kilowattstunde zu besteuern (mit Ausnahmen). Jan Willmroth (SZ) legt dar, weshalb das Vorhaben im Hinblick auf die Energiewende "geradezu absurd" sei. "Wahnwitzig" insbesondere der Plan, die Steuer rückwirkend einzufordern, denn dies laufe dem gesetzgeberischen Zweck der 1999 mit der Stromsteuer eingeführten Steuerfreiheit für Selbstversorger zuwider.

§ 175 StGB a.F.: Der ehemalige Verfassungsrichter Everhardt Franßen hält in einem FAZ-Gastbeitrag fest, warum Heiko Maas (SPD) mit seiner Feststellung, der ehemalige § 175 Strafgesetzbuch sei "von Anfang an verfassungswidrig", falsch liege.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. Mai 2016: Tricksen beim Mindestlohn / Ersatzfreiheitsstrafe ade / AfD gegen Rechtsstaat . In: Legal Tribune Online, 25.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19461/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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