OVG NRW lässt Verkehrsschilder vorerst stehen: Wem Tempo 30 zu langsam ist, der muss sch­neller sein

03.08.2023

Nur 30 Stundenkilometer neben einer Grundschule? Das war einem Mann zu viel Eingriff in den fließenden Verkehr. Er klagte dagegen und das VG Düsseldorf gab ihm Recht. Doch das OVG NRW sah es im Eilverfahren anders: Der Mann habe zu spät geklagt.

In der nordrhein-westfälischen Gemeinde Meerbusch gilt auf zwei Straßen vorerst weiter eine Geschwindigkeitsbergrenzung von 30 Stundenkilometern und an der Kreuzung der beiden Straßen muss weiterhin gestoppt werden. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit zwei am Donnerstag veröffentlichten Beschlüssen (v. 02.08.2023, Az. 8 B 760/23 u. 8 B 763/23). Das OVG kassierte damit zwei Eilbeschlüsse des Verwaltungsgerichts (VG) Düsseldorf. Dieses hatte der Gemeinde aufgegeben, die Schilder innerhalb von zwei Wochen vorläufig zu entfernen bzw. unwirksam zu machen.

Die Gemeinde Meerbusch im Rhein-Neuss-Kreis hatte schon vor Jahren am Winklerweg im Bereich einer neben einer Grundschule gelegenen Bushaltestelle sowie an der Gonellastraße Tempo 30 angeordnet. Zusätzlich waren STOP-Schilder an der Kreuzung der Gonellastraße mit der Hauptstraße, die eigentlich eine Fußgängerzone ist, aufgestellt und Haltelinien aufgemalt.

Einem Mann mit Zweitwohnsitz in Meerbusch war das zu viel Eingriff in den fließenden Verkehr, er wollte die standardmäßig geltenden 50 Stundenkilometer zurück. Er klagte im Hauptsacheverfahren vor dem VG Düsseldorf darauf, die Anordnung der Verkehrszeichen an den betroffenen Straßenabschnitten für rechtswidrig zu erklären, und wehrte sich zusätzlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Aufstellung der Schilder. Mit beidem hatte der Teilzeit-Anwohner Erfolg.

Einjährige Anfechtungsfrist nicht eingehalten

Nach Auffassung des VG Düsseldorf fehle es an beiden Straßenabschnitten an der für eine Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß § 45 Abs. 1, 9 Straßenverkehrsordnung (StVO) erforderlichen qualifizierten Gefahrenlage. Gemäß dessen Abs. 9 sind solche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen "nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist".

Formal habe der Mann auch die entsprechend § 58 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geltende einjährige Frist zur Anfechtung von Verkehrszeichen eingehalten. Diese beginnt nach der Rechtsprechung ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem er zum ersten Mal auf das Verkehrszeichen trifft. Weil Meerbusch nur der Zweitwohnsitz des hauptsächlich in Bielefeld wohnenden Mannes ist, hielt das VG für überzeugend, dass er die Schilder erst im Spätsommer bzw. Herbst 2021 erstmals wahrgenommen habe, wie er vor Gericht angab.

Davon zeigte sich das OVG nun aber nicht überzeugt. Dass der Mann die Schilder als Autofahrer erst nach Jahren erblickt haben will, sei "nicht überwiegend wahrscheinlich", heißt es in einer Mitteilung des OVG vom Donnerstag. Schließlich sei der Mann "in den vergangenen Jahren in verschiedenen Ortsteilen von Meerbusch zumindest mit Zweitwohnsitz gemeldet" und wohne nach eigenen Angaben auch zeitweise dort.

Fall befeuert Debatte um StVO-Reform

Nun dürfen die Schilder also vorerst dort stehen bleiben. Im Hauptverfahren hat das OVG jedoch noch nicht über das von der Meerbuscher Gemeinde eingelegte Rechtsmittel entschieden. Die Begründung der Eilentscheidungen vom Mittwoch deutet jedoch klar darauf hin, dass das OVG auch hier die Vorinstanz korrigieren und die Schilder stehen lassen wird.

Der Rechtsstreit fügt sich in die aktuelle Debatte um die Reform des Straßenverkehrsrechts ein: § 45 Abs. 1 und 9 StVO wird von den Vertretern der Kommunen sowie von Radverkehrsverbänden massiv kritisiert, weil er Behörden zu wenig Flexibilität bei der Stadtplanung lasse.

Zwar hat die Bundesregierung im Juni eine Novelle des Straßenverkehrsgesetzes beschlossen, wonach Klimaschutz, Gesundheit und städtebauliche Entwicklung zu Zwecken des Straßenverkehrsrechts erhoben wurden. Jedoch ist § 45 StVO nach wie vor unverändert, sodass Behörden immer noch das Vorliegen einer konkreten Gefahrenlage handfest beweisen müssen, um die Anordnung von Verkehrszeichen – sogar Zebrastreifen oder, wie hier, Geschwindigkeitsbegrenzungen neben Schulen – zu rechtfertigen.

mk/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OVG NRW lässt Verkehrsschilder vorerst stehen: Wem Tempo 30 zu langsam ist, der muss schneller sein . In: Legal Tribune Online, 03.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52414/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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