AfD-Landtagsfraktion scheitert beim BVerfG: Här­te­fall-Kom­mis­sion für Aus­länder darf bestehen bleiben

06.10.2023

Ausreisepflichtige dürfen in bestimmten Härtefällen bleiben, wenn eine Kommission das empfiehlt. Gegen die Thüringer Härtefall-Verordnung zog die dortige AfD-Fraktion vor Gericht – und scheiterte. Auch das BVerfG ließ sie abblitzen.

Die Thüringer AfD-Landtagsfraktion ist mit ihrem Vorgehen gegen eine Härtefallkommission für Flüchtlinge auf Landesebene vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gescheitert. Der zweite Senat nahm am Freitag eine Verfassungsbeschwerde der Fraktion gegen ein Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofes (VerfGH) von Dezember 2020 nicht zur Entscheidung an. Die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet (Az. 2 BvR 107/21).

Gegenstand des von der Thüringer AfD-Fraktion vor dem VerfGH geführten Normenkontrollverfahrens bildete eine Thüringer Rechtsverordnung aus dem Bereich des Aufenthaltsrechts. Genauer ging es um ein Härtefall-Aufenthaltsrecht für Menschen, die eigentlich ausreisepflichtig sind - damit fügt sich das Verfahren bestens in aktuelle migrationspolitische Debatten ein.

Die Verordnung über die Härtefallkommission (Härtefallverordnung), die auf Grundlage des § 23a Abs. 2 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) – eines Bundesgesetzes –erlassen wurde, befähigt das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, an sich vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn die Härtefallkommission sie darum ersucht. Die Mitglieder der Kommission stammen aus der Politik, der Kirche sowie weiteren Interessengruppen. Vorsitzender ist der Staatssekretär des Ministeriums.

Thüringer VerfGH: Härtefall-Aufenthaltsrecht verfassungsgemäß

Daran störte sich die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, mit ihrem Normenkontrollantrag beanstandete sie unter anderem die Entscheidungsbefugnisse sowie die Zusammensetzung der Härtefallkommission. Die Richterinnen und -richter des Thüringer VerfGH konnten sie damit nicht überzeugen. Sie sahen keinen Verstoß gegen die Landesverfassung (Urt. v. 16.12.2020, Az. VerfGH 14/18).

Im Zuge dieser Prüfung traf der Thüringer VerfGH auch eine Aussage über die Vereinbarkeit von Landesverordnung und zugrundeliegendem Bundesrecht mit dem Grundgesetz (GG). Die Arbeit der Kommission und der ihr zugrunde liegende § 23a Abs. 2 S. 1 AufenthG seien unter anderem mit dem Demokratieprinzip vereinbar, da die Kommission keine Staatsgewalt ausübe, sondern ihre Arbeit vielmehr vorbereitenden Charakter habe. Auch sonst verstoße sie weder gegen das GG noch gegen die Landesverfassung.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Verfassungsbeschwerde beanstandete die Fraktion, dass der VerfGH ihr Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 des GG verletzt habe. Bei seiner Entscheidungsfindung hatte der VerfGH den § 23a Abs. 2 S. 1 AufenthG nicht den dem BVerfG zur konkreten Normenkontrolle vorgelegt. Daneben sah sich die AfD-Fraktion in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und wähnte einen Verstoß gegen das Willkürverbot.

BVerfG hält Vorlage an sich selbst nicht für erforderlich

Das BVerfG folgte dem nicht: Die Ansicht der Thüringer Verfassungsrichterinnen und -richter, § 23a Abs. 2 S. 1 AufenthG sei verfassungsmäßig, sei vertretbar. Die Norm hätte dem BVerfG daher nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG vorgelegt werden müssen. Der VerfGH habe den Vortrag der AfD-Fraktion außerdem hinreichend gewürdigt und seine Entscheidung erscheine auch unter keinem Gesichtspunkt willkürlich. Eine eigene Entscheidung über die Vereinbarkeit der Härtefallverordnung mit Landes- und Bundes-Verfassungsrecht traf das BVerfG dagegen nicht.

Sehr zum Missfallen der AfD: Der stellvertretende parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Stefan Möller, erklärte zu dem Beschluss vom Freitag: "Karlsruhe beschreitet weiter kreativ den Weg, einer Prüfung möglicherweise verfassungswidriger Entscheidungen aus dem Weg zu gehen."

An die Härtefallkommission können sich Ausländer wenden, die eigentlich ausreisen müssten und der Ansicht sind, dass sie wegen dringender humanitärer oder persönlicher Gründe weiter in Deutschland bleiben müssen. Die Kommission kann für Betroffene dann ein Bleiberecht vorschlagen. Der Vorschlag ist für das Ministerium nicht bindend. Ähnliche Ausschüsse gibt es in allen Bundesländern – sie basieren auf Gesetzen oder wie in Thüringen auf einer Verordnung der Landesregierung.

lst/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

AfD-Landtagsfraktion scheitert beim BVerfG: Härtefall-Kommission für Ausländer darf bestehen bleiben . In: Legal Tribune Online, 06.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52864/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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