AG Köln zum Notwegerecht: Von der Außen­welt abge­schnitten

von Xenia Piperidou

22.01.2024

Zwei Kölner Eheleute dürfen die Straße vor ihrer Haustür nicht mehr betreten oder befahren. Andernfalls droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft, entschied das AG Köln. Dabei hätte ein Notwegerecht womöglich geholfen.

Wenn ein Ehepaar aus Köln einkaufen gehen möchte, dann geht dies fortan nur noch auf Umwegen. Das Betreten oder Befahren der Straße vor ihrem Haus ist ihnen nämlich untersagt. Halten sie sich nicht daran, kann es teuer werden: 250.000 Euro Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Wochen hat das Amtsgericht (AG) Köln für einen Verstoß gegen die Anordnung angedroht (Urt. v. 03.01.2024, Az. 149 C 520/23). 

Seit nunmehr drei Jahren streitet das Ehepaar mit einer Immobiliengesellschaft, die Eigentümerin der Straße ist, die das Grundstück des Paares mit dem öffentlichen Straßennetz verbindet. Der erste Streitpunkt: Um Leitungen für einen Gasanschluss zu verlegen, mussten die Eheleute die Straße aufreißen lassen. Erfreut war die Immobiliengesellschaft über den Aufriss ihrer Straße nicht, hinnehmen musste sie es dennoch, wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete.  

Womit das Paar wohl nicht gerechnet hatte, waren die Konsequenzen, die die Immobiliengesellschaft daraus zog. Zunächst ließ die Gesellschaft vom AG Köln feststellen, dass das Paar nicht mehr auf der Straße parken dürfe. Kurz darauf verklagte die Gesellschaft das Ehepaar an derselben Stelle auf Zahlung von 18.300 Euro als jährlicher Nutzungsentschädigung. Das AG Köln hielt eine Entschädigung im Grundsatz für angemessen, reduzierte den Betrag aber deutlich auf 300 Euro. Beide Entscheidungen bestätigte das Landgericht später. 

Paar beantragte kein Notwegerecht 

Nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeigers hat das Paar das Geld dann auch gezahlt. Doch erledigt hatte sich der Streit damit noch nicht: Die Immobiliengesellschaft stellte Poller auf, um eine Durchfahrt Unbefugter zu verhindern. Die Poller können mit einem Schlüssel aus dem Weg geräumt werden. Manche Anlieger erhielten einen, nicht aber die hier beklagten Eheleute. Dennoch nutzen die beiden die Straße weiter, einmal touchierte die Ehefrau einen der Poller, ein anderes Mal ein von ihnen bestellter Handwerker. 

So gelangte der Fall ein weiteres Mal vor das Kölner AG – der Antrag der Immobiliengesellschaft diesmal: dem Ehepaar unter Androhung von Sanktionen zu verbieten, die Straße zu nutzen. Dem Ansinnen gab das AG nun statt. Der Anspruch ergebe sich aus § 862 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).  

Das Gericht führte aus, dass schon das unbefugte Benutzen eines Weges eine Besitzstörung im Sinne des § 862 Abs. 1 S. 1 BGB darstelle. Die Eheleute seien damit unmittelbare Handlungsstörer, wenn sie das Grundstück selbst begehen oder befahren. Wenn Gäste und Dienstleister das Grundstück über die Straße erreichen wollen, dann seien die beiden mittelbare Handlungsstörer, so das AG Köln. 

Zum Verhängnis wurde den Eheleuten dabei, dass sie sich nicht auf ein Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 BGB berufen hatten – obwohl ein solches in den vorangegangenen Rechtsstreitigkeiten vor den Kölner Gerichten bereits thematisiert worden war. Im Verfahren um die angemessene "Parkgebühr" hatte das Oberlandesgericht festgestellt, der Zahlungsanspruch folge nicht aus § 917 Abs. 2 BGB, da die Eheleute kein Notwegerecht geltend gemacht hätten. Auch im hiesigen Verfahren gab das AG einen richterlichen Hinweis auf ein Notwegerecht, dennoch hätten sich die Eheleute darauf nie eindeutig berufen, so das Gericht. Dies wäre laut AG die einzige rechtliche Möglichkeit gewesen durchzusetzen, dass die Immobiliengesellschaft die Durchfährt hätte dulden müssen. Allerdings sei auch diese Folge in der Rechtsprechung umstritten.

Straßeneigentümerin darf auch "unsinnige" Verbote aussprechen

Unerheblich sei, dass die Immobiliengesellschaft jahrelang die Nutzung der Straße geduldet habe und alle anderen Bewohner die Straße immer noch nutzen dürften. Diese konkludente Zustimmung zur Nutzung ist laut AG Köln jedenfalls im Sommer 2023 mit der Unterlassungsaufforderung widerrufen worden.  

Zwar erscheine es "in tatsächlicher Hinsicht vollkommen unsinnig, dass die Beklagten ihr Grundstück nicht mehr über die Straße, sondern allenfalls noch über andere benachbarte Grundstücke betreten dürfen sollen", so das AG Köln. Doch ändere dies nichts an der Rechtslage. Die Straße stehe eben im Privateigentum der Gesellschaft. Diese müsse nicht drauf achten, ob jemand gerecht oder ungerecht behandelt werde, so das Gericht. 

Tatsächlich hätte es gar nicht so weit kommen müssen, wenn die Straße wie geplant bereits vor über 50 Jahren an die Gemeinde Köln übertragen worden wäre. Warum dies nicht geschehen ist, hatte für den zivilrechtlichen Streit vor dem AG Köln aber keine Bedeutung. Für das Ehepaar heißt es nach diesem Urteil entweder Umwege gehen oder ein Notwegerecht beantragen.

Zitiervorschlag

AG Köln zum Notwegerecht: Von der Außenwelt abgeschnitten . In: Legal Tribune Online, 22.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53692/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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