Carl Heymann Preis 2015 für Karsten Schmidt: Auch mal unbe­quem sein mit seinen Thesen

von Tanja Podolski

06.11.2015

2/2: Nicht ohne Philologie

Losgelassen habe ihn die Philologie indes bis heute nicht: "Im Grunde gehe ich mit philologischen Mitteln zu Werke", sagt Schmidt. Er sei auch leichter von abstrakten Ideen zu begeistern als von  kleinen rechtspolitischen Konzepten. "Das klingt vielleicht ärmlich, aber ich gehe meinen eigenen Ideen nach und entdecke da größere Zusammenhänge."

Das kann auch mal eine Zeitlang dauern: Seit zwölf Jahren etwa befasst sich der Rechtswissenschaftler mit der "virtuellen juristischen Person". "Ich bin ein Geisterseher“, sagt der 76-Jährige über sich selbst. Es gehe um schwierige Treuhandkonstrukte, die es in der Rechtswelt tatsächlich gebe, für die meisten aber nicht sichtbar. Mit dem Konzept der virtuellen juristischen Person sei er noch nicht fertig, "aber ich komme voran".

Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts-, Insolvenzrecht, zudem Kartellrecht und auch Stiftungsrecht  - Karsten Schmidt tummelt sich in vielen Segmenten der Rechtswissenschaft. Dass er  deshalb auch jedem Jura-Studenten ein Begriff sei, glaubt er aber nicht. Und gibt sich keine Mühe, seine Kritik daran zu verhehlen: "Persönlichkeiten werden heute bei Jurastudenten nicht mehr so stark wahrgenommen". Diejenigen, die noch die Unis wechselten – "was leider immer weniger passiert" - , lernten zwar noch ein paar Professoren mehr kennen. Doch die Faszination, die früher von Gelehrten ausgegangen sei, wirke auf die meisten Studenten immer weniger. "Heute schlagen viele einen Kommentar auf und wissen hinterher nicht mehr, wer ihn geschrieben hat". Da habe sich die Attitüde, "der Approach, wie man wohl heute sagen würde", geändert. Das gelte allerdings nicht für die Studenten der Bucerius Law School.

Ein Zeugnis bedeutet noch keine Bildung

An der juristischen Privathochschule in Hamburg, noch immer seine Wirkungsstätte, da sei vieles anders als an anderen Universitäten. Es sei wohl teilweise ein Phänomen der heutigen  Zeit, Ausbildung mit Bildung gleichzusetzen. "Ein Zeugnis bedeutet aber doch noch keine Bildung", sagt Schmidt. Die inneren Erlebnisse, die Chance, sich zu bilden, das komme vielerorts zu kurz. "Das ist schade - gilt aber nicht für die Bucerius Law School." Viele der dortigen Studenten spielten Theater oder ein Instrument und seien sozial stärker engagiert.

Manchmal zu kurz gekommen sei in seinen Arbeitsjahren die Familie, resümiert der Rechtswissenschaftler. Sein Arbeitspensum sei mit persönlichen Einschränkungen verbunden und auch damit, dass er zu selten seine Geige spiele. Noch immer arbeitet Schmidt abends lange –"wenn ich nicht gerade ein Konzert besuche".

Ob er mit all dem, was er nun gefragt wurde, als Mensch und Wissenschaftler richtig erfasst sei – da sei er sich unsicher. "Wissen Sie, man muss auch mal unbequem sein mit seinen Thesen. Wer alles nur richtig rüber bringt, der ist kein Wissenschaftler. Und was nicht falsch sein kann, das kann auch nicht wissenschaftlich interessant sein." Ein bisschen Risiko gehöre zum Dasein als Wissenschaftler dazu  – und dass man "nicht Mainstream" sei.

Eine Mitteilung zum Schluss

Mainstream ist Karsten Schmidt ganz sicher nicht. Nach Ende des Gespräches meldet er sich noch mal: "Sie haben mir manche Frage gar nicht gestellt, auf die ich gewartet habe. Aber wissen Sie: Vor zwei Wochen war ich auf einer Tagung. Dort sagte mir ein Anwalt, er habe gerade zwei Prozesse gewonnen, weil er sich auf meinen Kommentar gestützt habe. Das wollte ich Ihnen nicht vorenthalten."

Der zitierte Advokat dürfte nicht der einzige sein. Der Carl Heymann Preis - European Legal Award würdigt Persönlichkeiten, die durch besondere Leistungen auf dem Gebiet der Rechts- und Staatswissenschaften hervorgetreten sind. Der Preis versteht sich als europäischer Wissenschaftspreis, mit dem das Medienunternehmen Wolters Kluwer einen Beitrag zur Fortentwicklung des Rechts leisten und gleichzeitig den Gedanken der Einigung der Nationen fördern will.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Carl Heymann Preis 2015 für Karsten Schmidt: Auch mal unbequem sein mit seinen Thesen . In: Legal Tribune Online, 06.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17448/ (abgerufen am: 01.05.2024 )

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