Werbung mit Brüderles Konterfei: Eine Hotelbar ist kein Seitensprungportal

von Prof. Dr. Markus Ruttig

11.02.2013

"Diskreter und anonymer als jede Hotelbar" titelt eine Seitensprung-Agentur unter dem Konterfei von FDP-Fraktionschef Brüderle auf einem 120 Quadratmeter großen Werbeplakat in Berlin. Wenngleich der BGH bisher sehr großzügig die ungefragte Werbung mit dem Bild eines Prominenten erlaubt hat, ist dieses Plakat ein Grenzfall, meint Markus Ruttig.

Würde man die Abgeordneten im Bundestag befragen, wer gerne Werbung für ein Seitensprungportal machen wollte, so hielte sich die Begeisterung höchstwahrscheinlich in Grenzen. Bei den Verheirateten oder in fester Beziehung Lebenden dürfte die Ablehnung besonders groß sein. Die Motivation würde nicht gerade steigen, wenn man erführe, dass man sich für die Werbung auch noch unentgeltlich zur Verfügung stellen sollte, gleichsam so, als ginge es um einen guten Zweck. Um den geht es aber in Fällen wie diesen nie, sondern um eine knallharte Marketingstrategie und damit vor allem um die Botschaft: "Kauf mein Produkt!" oder "Nutze meine Dienstleistung!".

Aus Sicht des Betroffenen ist die unerlaubte Werbung mit dem eigenen Bild oder Namen immer ein großes Ärgernis. Es verwundert daher nicht, dass sich die Gerichte häufig mit dem Thema beschäftigen mussten. Doch trotz der Vielzahl der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) und zuletzt auch des Bundesverfassungsgerichts in den Fällen von Dieter Bohlen und Prinz Ernst August, scheint eine überzeugende und klare Lösung noch immer nicht gefunden.

"Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher"

Nach der Entscheidung des höchsten Zivilgerichts im Fall Dieter Bohlen gilt: Auch ohne Einwilligung kann das Bild oder der Name einer prominenten Person in einer kommerziellen Werbung zulässig verwendet werden, wenn die Werbung ein aktuelles Ereignis von öffentlichem Interesse aufgreift, in dessen Mittelpunkt der Prominente steht, und wenn die Werbung nicht seinen Image- und Werbewert ausnutzt (Urt. v. 05.06.2008, Az. I ZR 223/05). Lucky Strike durfte daher anlässlich der Veröffentlichung von Bohlens Buch "Hinter den Kulissen", das teilweise geschwärzt werden musste, mit der Aussage werben "Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher", wobei die Wörter "lieber", "einfach" und "super" geschwärzt waren, ohne sie wirklich unleserlich zu machen.

Nach Auffassung der Rechtsprechung überwiegt in diesen Konstellationen regelmäßig die Meinungs- und Pressefreiheit der Werbenden gegenüber den verletzten Persönlichkeitsrechten des Prominenten. Denn der kommerzielle Teil des Persönlichkeitsrechts, unter den das Einverständnis mit der Werbung fällt, ist im Gegensatz zur Meinungsfreiheit nicht grundgesetzlich geschützt.

Eine zulässige Bezugnahme der Werbung auf ein aktuelles Ereignis ist damit, wie auch bei der zerknüllten Zigarettenpackung unter der Überschrift "War das Ernst oder August", die satirisch-spöttische Anspielung, bei der gerade der Witz auf Kosten des Prominenten im Mittelpunkt steht. Die Prominenten verstehen den Spaß gleichwohl nicht immer, weshalb Dieter Bohlen und Prinz Ernst August inzwischen den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen haben, um eine Korrektur der großzügigen deutschen Rechtsprechung zu erreichen.

Aktuell, aber rufschädigend

Allerdings billigt der BGH die Instrumentalisierung von Prominenten für fremde Werbezwecke bislang nur unter bestimmten Voraussetzungen. Es dürfen weder deren Image- noch Werbewert ausgenutzt werden. Auch dürfen über den Witz hinaus nicht die Ehre oder der Ruf des Prominenten beeinträchtigt werden.

Das Foto von Gunter Sachs auf seiner Yacht mit der Bildzeitung in der Hand (BGH, Urt. v. 31.05.2012, Az. I ZR 234/10) oder der Slogan "Karneval ohne Kostüm ist wie Bläck ohne Fööss" (LG Köln, Urt. v. 15.12.2009, Az. 33 O 172/09) sind Fälle, in denen die Rechtsprechung bereits die satirisch spöttische Anspielung auf ein Ereignis verneint hat. Eine Hürde, die die Werbung der Seitensprungagentur problemlos nehmen würde.

Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob das Plakat nicht Ehre und Ruf von Rainer Brüderle beeinträchtigt, und damit auch ideelle Aspekte des Persönlichkeitsrechts betroffen sind, die, wie die Meinungsfreiheit, Grundrechtsschutz genießen. Nicht nur zur Verteidigung seriöser Hoteliers wird man sagen müssen, dass eine Hotelbar kein Seitensprungportal ist. Nicht jeder, der dort nach Feierabend ein Getränk bestellt, sucht nach einer Affäre und muss das auch nicht von sich behaupten lassen.

Die Werbung der Seitensprungagentur mit dem Bild von Brüderle könnte daher der erste Fall sein, mit dem der BGH seine bislang sehr großzügige Rechtsprechung zur Werbung mit Prominenten einschränken könnte, wenn er denn je gefragt würde.

Der Autor Dr. Markus Ruttig ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei CBH Rechtsanwälte in Köln.

Zitiervorschlag

Markus Ruttig, Werbung mit Brüderles Konterfei: Eine Hotelbar ist kein Seitensprungportal . In: Legal Tribune Online, 11.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8131/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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