BPatG erteilt Benutzungserlaubnis für AIDS-Medikament: Mit Zwang zum Ziel

von Elisa Beckamp, LL.M.

02.09.2016

Das BPatG hat über einen Eilantrag mehrerer Medikamentenhersteller entschieden. Es ging um nichts weniger als die Gesundheitsversorgung im Land. Elisa Beckamp zu einem Verfahren mit eklatanter Bedeutung für AIDS-Patienten in Deutschland.

In dem Hauptsacheverfahren 3 Li 1/16 begehren verschiedene Unternehmen der US-amerikanischen Konzerngruppe Merck & Co. eine Zwangslizenz an dem europäischen Patent 1 422 218 (DE 602 42 459.3) des japanischen Pharmazieunternehmens Shionogi & Co. Ltd. auf ein AIDS-Medikament.

Die Patentinhaberin hatte die Unternehmen zuvor vor dem Landgericht (LG) Düsseldorf (Az. 4c O 48/15) auf Unterlassung verklagt, weil sie der Ansicht ist, dass diese durch die Herstellung und den Vertrieb eines bestimmten HIV/AIDS-Medikamentes in Deutschland das besagte Patent verletzen.

Vor dem Bundespatentgericht (BPatG) wollen die klagenden Unternehmen die Erteilung einer Zwangslizenz nach § 24 Patentgesetz (PatG) erreichen. Gleichzeitig begehrten sie im Wege des Eilverfahrens gemäß § 85 PatG die vorläufige gerichtliche Anordnung einer Benutzungserlaubnis für ihr Medikament.

Sie argumentieren, in Deutschland drohten andernfalls schwerwiegende Nachteile für AIDS-Patienten, die auf dieses angewiesen sind. Andere gleichwertige AIDS-Medikamente seien in der Bundesrepublik nicht verfügbar, weshalb zu befürchten sei, dass die Gesundheitsversorgung erheblich beeinträchtigt werde, wenn sie das Präparat nicht mehr vermarkten dürften. Insbesondere für Säuglinge und Kinder stehe kein geeignetes Ausweichmedikament zur Verfügung.

Dieser Auffassung ist das BPatG am Mittwoch gefolgt und hat die beantragte Zwangslizenz vorläufig erteilt (Urt. v. 31.08.2016, Az. 3 LiQ 1/16). Eine Zwangslizenzerteilung ist in der Geschichte des Gerichtes bis dato erst einmal vorgekommen (Urt. v. 07.06.1991, Az. 3 Li 1/90*). Die damalige Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) in der Berufungsinstanz gleich wieder kassiert (Urt. v. 05.12.1995, Az. X ZR 26/92).

Patientengesundheit vs. Unternehmenswirtschaftlichkeit

HIV/AIDS ist nach wie vor ein globales Thema. Auch wenn die Zahl der Neuinfektionen seit Jahren stetig zurückgeht, leiden weltweit rund 40 Millionen Menschen an AIDS. Auch in Deutschland stecken sich zwar immer weniger Menschen mit dem Virus an, für rund 83.400 Betroffene gehört der Kampf gegen die Krankheit jedoch zum Alltag.

HIV-Infizierte, die medikamentös behandelt werden, können mittlerweile weitestgehend ohne Einschränkungen leben. Da die Patienten häufig Resistenzen entwickeln, sind sie allerdings darauf angewiesen, dass neue Wirkstoffe entwickelt werden und daher die Forschung auf diesem Gebiet vorangetrieben wird. Infizierte haben zudem ein Interesse an Medikamenten zu erschwinglichen Preisen – nicht nur in ärmeren Ländern sind die Kosten für eine erfolgreiche Behandlung von den Patienten bisweilen kaum zu stemmen. Grund hierfür ist oftmals, dass die Hersteller als Monopolisten die Preise bestimmen können.

Im Gegensatz zu den berechtigten Interessen der HIV-Infizierten und bereits an AIDS Erkrankten steht das ebenfalls nachvollziehbare, wenn auch vergleichsweise weniger integre Interesse der Pharmaunternehmen. Sie leisten die dringend erforderliche und allseits geforderte, oft jahrelang dauernde Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Dabei müssen sie zusehen, dass sich diese rentiert und die Kosten für die dafür aufgewendeten Ressourcen amortisiert werden. Bisweilen führt die Forschung aber auch zu keinem ver- beziehungsweise anwendbaren Ergebnis und die Investition war umsonst.

Indem im Gegenzug für die Offenbarung einer Erfindung ein Patent erteilt wird, soll dem Interesse der Entwickler entsprochen werden. Doch ein Patent zuzulassen kostet ebenfalls Zeit und Geld. Und natürlich will ein Unternehmen an seinen Produkten auch etwas verdienen.

Häufig bleibt den Herstellern allerdings nur etwa die Hälfte der mit der Anmeldung beginnenden gesetzlichen Laufzeit von 20 Jahren, um die Patente wirtschaftlich zu nutzen. Denn um effektiven Schutz zu gewährleisten werden Patente auf pharmazeutische Produkte in der Regel bereits angemeldet, lange bevor sie alle vorgeschriebenen Tests durchlaufen haben und auf den Markt kommen können. Das Patent später anzumelden würde das Risiko erhöhen, dass der Wirkstoff anderswo entwickelt und offengelegt wird und damit zum Stand der Technik gehört, also nicht mehr neu ist (vgl. § 1 Abs. 1 PatG).

Zitiervorschlag

Elisa Beckamp, LL.M., BPatG erteilt Benutzungserlaubnis für AIDS-Medikament: Mit Zwang zum Ziel . In: Legal Tribune Online, 02.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20462/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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