Mütterinitiative lädt Familienrichter ins Kino ein: Frei­k­arten für Richter

11.09.2018

Eine Mütterinitiative schickt Familienrichter ins Kino. Dort soll ihnen ein französischer Film die Gefahren für Frauen nach der Trennung von einem gewalttätigen Partner vor Augen führen.

Wer ein gut organisierter Familienrichter ist und gerade dabei ist, seine Abendplanung für die restliche Woche festzulegen, könnte dieser Tage einen gratis Kinobesuch abstauben. Allerdings ist die Wahl des Filmes dabei nicht frei: Die Mütterinitiative für Alleinerziehende (MIA) lädt derzeit Richterinnen und Richter von Familiengerichten zum Besuch des Kinofilms "Nach dem Urteil" ein, der sich um die Probleme einer alleinerziehenden Mutter dreht, die von ihrem gewalttätigen Ex-Mann bedrängt wird.

Die Initiative, ein Verein, der sich dem Schutz alleinerziehender Mütter verschrieben hat, will damit Richterinnen und Richter für die Probleme von Frauen sensibilisieren, die nach der Trennung von einem gewalttätigen Partner weiterhin mit Bedrohungen und Angriffen leben müssen. Unter dem Motto "Filmpatenschaft für FamilienrichterInnen" will man ihnen nun dafür Kino-Karten spendieren.

Über 80 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt richte sich gegen Frauen, heißt es in der Mitteilung, die der Verein kürzlich verschickte. Doch nach einer Trennung aus einer Gewaltbeziehung beginne "die statistisch gefährlichste Zeit im Leben einer Frau".

Unverhohlene Justizkritik

Verbunden ist das Ganze durchaus mit Justizkritik: Selbst gewalttätige Väter bekämen von Gerichten zu oft die Möglichkeit eingeräumt, Umgang mit ihren Kindern zu haben, schreibt MIA. Dahinter steckt in den Augen der Initiative auch eine gewisse Benachteiligung von Frauen. Während diesen "teils absurd schnell die Erziehungsfähigkeit per Ferndiagnose abgesprochen" werde, seien Gerichte und Jugendämter bei Vätern nicht so schnell dabei, ihnen das Umgangsrecht mit dem Nachwuchs und damit auch oft mittelbar mit der Ex-Partnerin zu untersagen.

Es gehe nicht an, dass Richter derart wenig informiert seien über wichtige Themen wie psychologische Krankheitsbilder oder Gewalterfahrungen von Frauen nach Trennungen, kritisierte Verena Wirwohl, Juristin und Mitglied des MIA-Vorstandes im Gespräch mit LTO. Ursache der Probleme sei aber auch die Familienrechtsreform 2009, die "mittlerweile merkwürdige Blüten treibt", so Wirwohl. Auf Nachfrage betonte sie, dass man sich bei seiner Kritik nicht nur auf Erfahrungsberichte Betroffener stütze. Es gebe durchaus offizielle Statistiken zu den Gefahren für Frauen nach dem Ende einer Gewaltbeziehung.

Zu welch gefährlichen Situationen der weitere Kontakt führen kann, soll den Richtern nun der Film des französischen Regisseurs Xavier Legrand vor Augen führen, der sich mit dem Geschehen um eine alleinerziehende Mutter befasst, deren Ex-Partner sich ihr nach einer Trennung wieder anzunähern versucht und zudem den gemeinsamen Sohn manipuliert.

Ziel ist es, Aufmerksamkeit zu generieren

Aus diesem Grund veröffentlichte MIA ihren symbolischen Aufruf an Richterinnen und Richter, sich den Film anzuschauen und anschließend ggf. darüber auszutauschen. Die Kosten der Kinokarten übernehme der Verein. Ob der Aufruf auch bei den Adressaten, die sich durchaus regelmäßig in ihrem Rechtsgebiet fortbilden, gut ankommt, ist zumindest unsicher. Der Deutsche Richterbund (DRB) wollte die Aktion auf LTO-Anfrage nicht kommentieren.

Auch MIA-Vorständin Wirwohl gab zu, dass man nicht wirklich mit Resonanz aus der Richterschaft rechne. "Wir wissen ja, dass Richter unabhängig bleiben müssen und sich nicht mit Interessenverbänden treffen dürfen".

Aber könnten Richterinnen und Richter den Aufruf nicht auch als Bevormundung missverstehen? Diesbezüglich habe man keine Sorge, erklärte Wirwohl. Es gehe auch nicht darum, Richter weiter zu bilden, sondern "Aufmerksamkeit für den Film zu generieren". Dieser zeige schließlich die Perspektive der Betroffenen, die nach Meinung von MIA vor Gericht zu wenig gewürdigt wird. Und vielleicht, so Wirwohl, gehe ja doch der eine oder andere Richter mal ins Kino.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Mütterinitiative lädt Familienrichter ins Kino ein: Freikarten für Richter . In: Legal Tribune Online, 11.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30863/ (abgerufen am: 22.04.2024 )

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