EGMR verurteilt Türkei: Unzu­rei­chende Auf­klärung tür­ki­scher Behörden zu getö­tetem Jungen

08.02.2023

Der 15-jährige Berkin Elvan war am Rande der Gezi-Proteste in Istanbul durch eine Tränengaskartusche tödlich verletzt worden. Nun hat der EGMR die Türkei wegen der mangelnden Aufklärung des Falls verurteilt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei im Zusammenhang mit dem Tod eines 15-Jährigen verurteilt, der vor zehn Jahren in Istanbul bei Protesten getötet worden war. Das teilte das Gericht am Dienstag in Straßburg mit.

Der Junge namens Berkin Elvan war im Juni 2013 am Rande von Protesten im Istanbuler Viertel Okmeydani von einer Tränengaskartusche am Kopf verletzt worden. Die Proteste hatten sich Ende Mai 2013 an der geplanten Bebauung des Gezi-Parks in Istanbul entzündet. Sie weiteten sich zu landesweiten Demonstrationen gegen den Führungsstil von Präsident Recep Tayyip Erdogan aus. Nach Darstellung seiner Eltern war der Junge damals unterwegs, um Brot zu kaufen. Nach monatelangem Koma starb der 15-Jährige im März 2014 infolge einer Gehirnblutung.

Seine Familie klagte daraufhin beim EGMR in Straßburg. Die von der EU unabhängigen Organe setzen sich für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein. Die Richter gaben der Familie des getöteten Jungen nun Recht.

Systematisches Problem türkischer Justiz

Die Behörden seien nicht unabhängig gewesen und hätten ihre Verpflichtung zur Aufklärung nicht erfüllt, heißt es im Urteil. Dabei handele es sich um ein systematisches Problem innerhalb der türkischen Justiz. Nach Ansicht der Richter hatten die türkischen Behörden auch nicht genug getan, um zu untersuchen, welche Rolle der Leiter der nationalen Strafverfolgungsbehörden sowie der Gouverneur der Millionenmetropole damals spielten und ob diese die Strafverfolgung im Fall der Tötung des Jungen behindert hatten.

Die Urteile des EGMR sind gemäß der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) für die betroffenen Staaten bindend. Stellt der Gerichtshof einen Verstoß gegen die EMRK fest, kann er der verletzten Partei nach Artikel 41 EMRK eine gerechte Entschädigung zubilligen. Die Türkei muss jedoch keine Entschädigung zahlen, weil die Familie des verstorbenen Jungen dies nicht beantragt hatte.

pab/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EGMR verurteilt Türkei: Unzureichende Aufklärung türkischer Behörden zu getötetem Jungen . In: Legal Tribune Online, 08.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51014/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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