Strafbar ist der "Wolfsgruß" in Deutschland zwar nicht, er verstößt aber gegen die Regeln der UEFA. Der türkische Nationalspieler habe die Regeln des guten Benehmens verletzt und den Fußballsport in Verruf gebracht, so die UEFA.
Am Dienstag besiegte die türkische Nationalmannschaft Österreich und zog ins Viertelfinale der Europameisterschaft ein, am Samstag geht es um den Einzug ins Halbfinale. Die Freude über den Turniererfolg unter den Fans ist groß, allerdings überschattet die Debatte um den Nationalspieler Merih Demiral die ausgelassene Stimmung.
Demiral, Torschütze des letzten Spiels, hatte den Sieg gegen Österreich mit dem "Wolfsgruß" gefeiert. Die Geste gilt als das Erkennungszeichen der türkischen "Ülkücü-Bewegung", einer rechtsextremen Organisation, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Kundgebung rief empörte Reaktionen hervor, insbesondere weil sie in Deutschland strafrechtlich nicht geahndet werden kann. Denn anders als zum Beispiel in Österreich gibt es (noch) kein Verbot der "Grauen Wölfe" in Deutschland. Eine Strafbarkeit nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) für das Zeigen des "Wolfsgrußes" schied daher aus.
Stattdessen muss sich Demiral jetzt aber disziplinarrechtlichen Sanktionen stellen. Die UEFA hat den Spieler wegen seines Verhaltens für zwei Spiele gesperrt. Der Abwehrspieler habe "die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht-sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht".
Verstoß gegen UEFA-Verhaltensgrundsätze
Die UEFA beruft sich auf Art. 11 Abs. 2 Buchstabe c) des Disziplinarreglements (DR) der UEFA, nach dem ein Spieler gegen "Allgemeine Verhaltensgrundsätze" verstößt, wenn er Sportveranstaltungen für sportfremde Kundgebungen benutzt. "Dies wird nach Art. 11 Abs. 3 UEFA-DR disziplinarisch geahndet und kann nach Art. 6 Abs. 2 Buchstabe c) UEFA-DR mit einer Spielsperre geahndet werden. Die UEFA-Disziplinarkommission hat ihre Entscheidung außerdem auf Art. 11 Abs. 2 Buchstabe b) UEFA-DR gestützt, der beleidigendes Verhalten oder eine andere elementare Verletzung der Anstandsregeln verbietet", erklärt der Kölner Sportrechtler Prof. Dr. Jan F. Orth.
Dass darüber hinaus ein diskriminierendes Verhalten i.S.v. Art. 14 UEFA-DR ("Rassismus und anderes diskriminierendes Verhalten") vorliegt, werde man ohne weitere Umstände durch bloßes Zeigen des Grußes aber nicht annehmen können, meint Orth.
Sportrechtler: "Sperre ist richtig und alternativlos"
Die Entscheidung der UEFA stößt in türkischen Reihen auf wenig Verständnis. Das türkische Außenministerium hatte allein schon die UEFA-Untersuchung als inakzeptabel bezeichnet. Der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, soll laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu gesagt haben, Demiral habe mit dem "Wolfsgruß" lediglich seine "Begeisterung" gezeigt. "Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Deutschen ein Adler ist? Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Franzosen ein Hahn ist und warum sie sich wie Hähne aufspielen?", wird der 70-Jährige zitiert.
Sportrechtler Orth sieht das gänzlich anders. "Die Sperre von Merih Demiral ist richtig und alternativlos. Aus guten Gründen untersagen die Disziplinarregeln der großen internationalen Sportverbände und auch des IOC die Ausnutzung ihrer sportlichen Wettbewerbe zur Platzierung jeglicher sportfremden Meinungsäußerung. Dies gilt ganz unabhängig von ihrem Inhalt, weil die Verbände zu Recht Wert darauf legen, dass bei ihren Veranstaltungen allein der Sport im Fokus steht", so Orth.
"Im Fall von Demiral erscheint die Sperre von zwei Spielen auch angemessen, weil er nach wohl ganz überwiegender Auffassung mit dem 'Wolfsgruß' auf die unappetitliche Ideologie einer rechtsextremen Gruppe verweist. Das ist wider die Werte des Sports und kann in die Strafzumessung ohne Weiteres einfließen", sagt der Sportrechtler.
Keine Rechtsmittel beim CAS möglich
Ein Reporter des türkischen Staatsfernsehen TRT berichtete, der türkische Fußballverband TFF werde gegen die Zwei-Spiele-Sperre gegen Demiral vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS ziehen. Nicht jede Person, die das Zeichen zeige, könne als rechtsextremistisch bezeichnet werden. Ähnlich argumentieren türkische Fußball-Ultras, die auf der Plattform X die Fans im Berliner Olympiastadion zum Zeigen des "Wolfsgrußes" während der Nationalhymne aufgefordert haben.
Rechtsmittel gegen eine Sperre bis zu zwei Spielen sind gemäß Artikel 63.1.b der UEFA-Statuten jedoch gar nicht möglich. Gegen die Niederlande und auch in einem möglichen Halbfinale wird der 26-Jährige daher nicht auf dem Feld stehen.
lmb/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
Wegen Torjubels mit rechtsextremem "Wolfsgruß": . In: Legal Tribune Online, 05.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54944 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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