BVerfG sieht Pressefreiheit verletzt: Kein Anspruch auf Gegen­dar­stel­lung bei Wer­t­ur­teil

28.01.2021

Haben deutsche Promis auf Malta Steuern "optimiert"? Ein Bericht des Spiegels hatte das nahegelegt. Das Magazin musste daraufhin eine Gegendarstellung drucken - eine Verletzung der Pressefreiheit, so das BVerfG.

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel war nicht dazu verpflichtet, eine Gegendarstellung zu einem Artikel zu veröffentlichen, in dem der Verdacht zum Ausdruck kam, dass der Fernsehmoderator Johannes B. Kerner mit der Gründung einer Gesellschaft auf Malta Steuern sparen würde. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg, die den Spiegel zum Abdruck der Gegendarstellung verpflichtete, verletze das Magazin in seinem Grundrecht auf Pressefreiheit, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss (v. 09.12.2020, Az. 1 BvR 704/18).

Im Zusammenhang mit Recherchen zum Finanzplatz Malta und Steuersparmodellen deutscher Unternehmen und Privatpersonen wurde dem Spiegel eine Liste zugespielt, auf der auch der Name des Moderators auftauchte. Auf Anfrage des Magazins ließ Kerner über seinen Anwalt mitteilen, keine Fragen zu beantworten, da es sich im private Vermögensfragen handele. Der Vorwurf der "Steueroptimierung" treffe nicht zu.

In dem später veröffentlichten Artikel berichtete das Magazin, dass Kerner die Firma "Cloverleaf Yachting Ltd." im maltesischen Firmenregister eintragen ließ. Wörtlich heißt es im Artikel weiter: 

"Es gibt zumindest ein paar naheliegende Gründe, nach Malta zu gehen, wenn die Firma das Wort "Yachting" im Namen trägt. Malta hat nicht nur das größte Schiffsregister Europas. Vor allem Jachtbesitzer lockt der EU-Zwerg mit Sonderangeboten - bei der Mehrwertsteuer. [...]"

Ein nicht gegendarstellungsfähiges Werturteil

Das OLG Hamburg verpflichtete den Spiegel daraufhin zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung. Es handele sich bei der Aussage nicht um eine erkennbar subjektive Einschätzung, sondern um eine Tatsachenbehauptung, so das OLG. Unter Mitteilung objektiver Tatsachen werde nämlich der tatsächliche Verdacht zum Ausdruck gebracht, Kerner habe die Gesellschaft auf Malta gegründet, um Mehrwertsteuer zu sparen. Damit treffe das Magazin eine Aussage über die angebliche Motivation des Moderators, die dem Beweis zugänglich sei. Der Spiegel druckte die Gegendarstellung daraufhin ab und zog nach Karlsruhe.

Mit Erfolg: Die Fachgerichte hätten die Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit nicht hinreichend berücksichtigt, entschied das BVerfG. Bei der der streitgegenständlichen Passage handele es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil, welches nicht gegendarstellungsfähig sei. Dass "unstreitig in Malta bestehende Steuervorteile bei der unstreitig vom Antragsteller in Malta gegründeten Gesellschaft eine Rolle gespielt haben können", sei laut BVerfG eine Meinungsäußerung. Die Passage sei von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt. Dass dem Spiegel unbekannt war, ob die Gesellschaft für den Erwerb einer Jacht und damit für "ein Steuerschnäppchen" gegründet wurde, sei offen mitgeteilt worden.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG sieht Pressefreiheit verletzt: Kein Anspruch auf Gegendarstellung bei Werturteil . In: Legal Tribune Online, 28.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44119/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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