Im Wirecard-Prozess wird der Ton rauer: "Sie wollen ein­fach nicht, dass die Öff­ent­lich­keit erfährt, was hier geschieht"

07.02.2024

Nach 100 Verhandlungstagen herrscht im Wirecard-Prozess vor dem LG München I ein Reizklima. Ein Verteidiger von Markus Braun wirft dem Gericht Verschleierung vor.

Ein Befangenheitsantrag sorgte am Mittwoch für einen Eklat mittleren Ausmaßes im Strafprozess um die Insolvenz des Technologiekonzerns Wirecard. Nico Werning, Anwalt des angeklagten früheren Wirecard-Chefs Markus Braun, wollte in dessen Auftrag einen solchen Antrag gegen den Vorsitzenden Richter Markus Födisch und seine zwei Beisitzer stellen und verlesen. Födisch lehnte ab und wies den Anwalt an, den Antrag schriftlich einzureichen.

Werning war mit der Entscheidung des Richters nicht einverstanden und teilte verbal aus. "Die Art und Weise, wie Sie hier die Verfahrensgänge verschleiern, spottet jeder Beschreibung", beschuldigte der Anwalt den Vorsitzenden. "Sie wollen einfach nicht, dass die Öffentlichkeit erfährt, was hier geschieht."

Der Prozess läuft seit Dezember 2022, die Anklage wirft Braun und seinen zwei Mitangeklagten Milliardenbetrug vor. Sie sollen gemeinsam mit weiteren Komplizen über Jahre Umsätze erdichtet haben. Die Kernfrage ist nach wir vor ungeklärt: Ist Braun ein Betrüger – oder Opfer des seit 2020 abgetauchten früheren Vertriebsvorstands Jan Marsalek und dessen Komplizen?  

Gericht weist Vorwürfe zu "schmutzigem Deal" zurück

Das Gericht hatte am Montag den Haftbefehl gegen den Kronzeugen Oliver Bellenhaus außer Vollzug gesetzt, der den Großteil der Vorwürfe eingeräumt und seinen früheren Vorstandschef schwer belastet hat. Braun sitzt damit als einziger der Angeklagten noch in Untersuchungshaft. 

Ein weiterer Verteidiger Brauns hatte der Münchner Justiz deswegen unmittelbar nach Bellenhaus' Freilassung in einer empörten Stellungnahme einen "schmutzigen Deal hinter verschlossenen Türen" vorgeworfen. Das Gericht wies das am Mittwoch in einer separaten Stellungnahme zurück: Haftprüfungstermine seien nicht öffentlich, erklärte ein Sprecher. "Eine wie auch immer geartete Verständigung über das Strafverfahren ist in dem Haftprüfungstermin am 05.02.2024 nicht erfolgt. Es wurde allein über die Voraussetzungen des Haftbefehls und die Bedingungen einer Außervollzugsetzung verhandelt."

dpa/sts/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Im Wirecard-Prozess wird der Ton rauer: "Sie wollen einfach nicht, dass die Öffentlichkeit erfährt, was hier geschieht" . In: Legal Tribune Online, 07.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53828/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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