Geplantes Selbstbestimmungsgesetz: Trans­frauen sollen nicht in die Frau­en­sauna

von Hasso Suliak

13.01.2023

Eigentlich wollte die Ampel bereits 2022 ein Gesetz vorlegen, das die Rechtsstellung von Transmenschen verbessert. Doch jetzt steht der Bundesjustizminister auf der Bremse – weil er sich um die Rechtsstellung von Saunabetreibern sorgt.

Transgeschlechtliche Personen müssen Geduld haben: Ihnen wurde eine schnelle Verbesserung ihrer Rechtstellung versprochen, aber ein für 2022 angekündigter Gesetzentwurf lässt auf sich warten. Es existiert lediglich ein Eckpunktepapier, das vieles verspricht. Zu viel vielleicht, um es in ein Gesetz zu schreiben?

Ende Juni vergangenen Jahres präsentierten Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) feierlich ein Eckpunktepapier zu einem neuen Selbstbestimmungsgesetz. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, soll dieses das bisherige Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen, auf dessen Reform bzw. Abschaffung Transmenschen seit Jahren warten.

Bei Transpersonen stimmen ihr gelebtes Geschlecht bzw. ihre Geschlechtsidentität nicht mit dem ihnen bei der Geburt im Personenstand eingetragenen Geschlecht überein. Das derzeit noch geltende TSG sieht für eine Änderung des Geschlechtseintrages im Personenstand ein mehrstufiges und langwieriges Verfahren vor, das nicht nur Betroffene als demütigend empfinden. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte immer wieder einzelne Vorschriften des Gesetzes kassiert. Die Berliner Humboldt-Universität hatte 2017 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) ein Gutachten zum "Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlechtliche Menschen" erstellt. Mit einem eindeutigen Resultat: Das geltende Begutachtungsverfahren sei in vielen Fällen von unverhältnismäßigem Zeit- und Kostenaufwand sowie entwürdigenden und diskriminierenden Erfahrungen geprägt und verletze die antragstellenden Personen in ihren Grundrechten, so die Wissenschaftler.

Künftig ein von Respekt geprägtes Verfahren

Um also die Diskriminierung von Transmenschen zu beenden, versprachen Paus und Buschmann im Sommer bei der Vorstellung des Eckpunktepapiers, dass die Änderung des Geschlechtseintrags künftig schneller und vor allem in einem Verfahren stattfinden soll, das von Respekt geprägt ist.

Jeder Mensch in Deutschland soll sein Geschlecht und seinen Vornamen künftig demnach selbst festlegen und in einem verhältnismäßig einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können. Bei der Frage des Geschlechtseintrags und der Vornamen soll es künftig unerheblich sein, ob es sich um einen transgeschlechtlichen, nicht-binären oder intergeschlechtlichen Menschen handelt. Gutachten zur sexuellen Identität oder ein ärztliches Attest sollen als Voraussetzung für eine solche Änderung nicht mehr verlangt werden. Es gehe um das Bürger-Staat-Verhältnis, in dem der Staat die Identität eines Menschen respektieren soll, so der Bundesjustizminister kürzlich.

Für Kinder und Jugendliche sind laut Eckpunktepapier besondere Regelungen vorgesehen, die auch die Zustimmung der Eltern voraussetzen. Und strittige Fälle könnten auch von Gerichten entschieden werden: "Um die Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen zu wahren, kann das Familiengericht in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, orientiert am Kindeswohl – wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht – die Entscheidung der Eltern auf Antrag des Minderjährigen ersetzen", heißt es im Eckpunktepapier.

Zur Begründung des Vorhabens fand Buschmann noch im Sommer deutliche Worte "Das geltende Recht behandelt die betreffenden Personen wie Kranke. Dafür gibt es keine Rechtfertigung". Paus und Buschmann versprachen, bis Ende 2022 dem Kabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Beschlussfassung vorzulegen.

Mit Penis in die Frauensauna?

Nun ist das Jahresende verstrichen und von einem Gesetzentwurf ist noch nichts zu sehen. Aus dem BMJ heißt es, die Arbeiten am Entwurf seien weit vorangeschritten, aber noch nicht ganz abgeschlossen. Man arbeite mit Hochdruck an der Fertigstellung.

Warum das Gesetz aber noch nicht vorliegt, ist inzwischen klar: Auf der Bremse steht der Bundesjustizminister. Marco Buschmann sorgt sich um den Saunabesuch von Transmenschen, genauer von Transfrauen mit männlichen biologischen Körpermerkmalen, wenn diese – da sie ja auch der Pass als Frau ausweist – in eine Frauensauna wollen.

Im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit erläuterte er kürzlich: "Wir haben wahrgenommen, dass es Sorgen gibt, die sich auf die Rechtsfolgen des Geschlechtswechsels beziehen. (…) Aber die Betreiberin einer Frauensauna soll auch künftig sagen können: Ich will hier dem Schutz der Intimsphäre meiner Kundinnen Rechnung tragen und knüpfe daher an die äußere Erscheinung eines Menschen an. Die Betreiber dürfen dann beispielsweise nicht dem Risiko einer Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausgesetzt sein. Das müssen wir sauber regeln. Das ist technisch anspruchsvoll und muss gründlich erarbeitet sein."

Also deshalb noch kein Selbstbestimmungsgesetz, weil man noch an einer gesicherten Rechtsstellung für Betreiber von Frauensaunen feilt?

Grundsatzreferentin Dr. Sarah Ponti vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD), der auch die Interessen und Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen vertritt, kann Buschmanns Sorgen nicht nachvollziehen. Schließlich ermögliche das geltende Antidiskriminierungsrecht in § 20 AGG bereits jetzt die zulässige Ungleichbehandlung aus sachlichen Gründen. Im Hinblick auf das Zögern des Justizministers warnt Ponti davor, dass transfeindliche Narrative Eingang in die Gesetzgebung finden könnten. "Rechtskonservative und fundamentalchristliche Gruppen malen den Teufel an die Wand, verbreiten Falschinformationen und schüren damit bewusst Ängste und Sorgen in der Gesellschaft", so Ponti. Die Regierung dürfe sich nicht dazu verleiten lassen, transfeindliche Narrative ungeprüft zu übernehmen und in gesetzliche Form zu gießen."

AfD und Union gegen das Gesetz

In der Tat bekämpft die politische Rechte das mögliche Gesetz seit jeher mit allen möglichen Horrorszenarien. Die AfD etwa beabsichtigt, sich mit "aller Kraft dem Gesetz entgegenzustellen" - vermutlich dann auch mit entsprechenden Klagen in Karlsruhe. Der Ampel werfen die Rechtspopulisten "ideologische Verbohrtheit und krankhafte Wahnvorstellungen" vor. Die sich für Minderjährige abzeichnende Rechtsstellung sei eine "Horrorvorstellung", so AfD-MdB Gereon Bollmann.  Der AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner sagte zu LTO: "Das biologische Geschlecht ist eine feststehende Tatsache, an der es nichts zu rütteln gibt. Alles andere ist George Orwells 1984 in Reinform."

Mit moderaterem Vokabular kritisiert auch die Union die beabsichtigte Neuregelung: Ihr rechtspolitscher Sprecher Dr. Günter Krings sagte LTO, man stünde zwar dem Abbau von Regelungselementen, die als besonders belastend wahrgenommen würden, offen gegenüber. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz ginge die Ampel aber zu weit: "Die in den Eckpunkten der Bundesregierung vorgesehene bedingungslose und jährliche Wechselmöglichkeit ohne eine Beratungspflicht lehnen wir ab. Bei einer solchen Regelung hätte der Eintrag eines Geschlechts in staatlichen Registern seinen Sinn und Zweck weitgehend verloren. Besonders problematisch ist hier, wenn der Staat Kinder und Jugendliche mit dieser Wechselmöglichkeit allein lässt, und sie ermuntert werden, diese auch gegen den Elternwillen durchzusetzen", so der Rechtspolitiker.

Dass der Bundesjustizminister nun offenbar an Ausnahmen von der geplanten Neuregelung beim Sport und im Wellnessbereich denke, zeige nur, wie "unausgegoren" der Gesamtvorschlag sei. "Warum soll der nun quasi auf Zuruf vorgenommene Vornamen- und Geschlechtswechsel für manche Lebensbereiche verbindlich sein und für andere nicht? Es wird deutlich, dass der der Staat hier an die Grenzen seiner Regelungsmöglichkeit in einer freien Gesellschaft gerät,", warnte Krings.

Ex-MdB Volker Beck: Sorgfalt angebracht

Wann sich die die beteiligten Ampel-Ressorts über den Gesetzeswortlaut verständigen, steht noch in den Sternen. Zumindest ein bisschen Bewegung scheint sich aber abzuzeichnen. So stellte ein Sprecher des BMJ gegenüber LTO klar, dass das Selbstbestimmungsgesetz nichts an den bestehenden Regeln für Massengeschäfte des täglichen Lebens ändern werde. "Bereits heute können zum Beispiel die Betreiber von Saunen sich dafür entscheiden, den Zugang zur Sauna nur für Personen mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen zu öffnen - und Personen mit männlichen Geschlechtsmerkmalen hiervon auszuschließen."

Im BMFSJ und beim Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann, hat man ohnehin keine Bedenken: "Bereits heute könnten sich beispielsweise die Betreibenden von Saunen auf das Hausrecht berufen, ohne damit gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu verstoßen, so Lehmann gegenüber LTO.

Wie Lehmann sieht es auch ein langjähriger Unterstützer der geplanten Gesetzesänderung, der ehemalige grüne MdB Volker Beck. "Die Ablösung des Transsexuellengesetzes durch ein Selbstbestimmungsgesetz ist mehr als überfällig. Das Transsexuellengesetz liegt ja seit Jahren in Trümmern. Eine diskriminierende Bestimmung nach der anderen wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben."

Trans-MdB: Jeder Tag ohne neues Gesetz ist Hohn für die Betroffenen

Aber selbst Beck äußert Verständnis dafür, dass das BMJ bei dem Thema nicht unüberlegt vorprescht: "Nachdem viele Jahre sich niemand für das Thema interessiert hat, ist die Diskussion über das Vorhaben mittlerweile toxisch geworden. Mit Biologismen und einer auf Verächtlichmachung ausgerichteten Kampagne versucht man von ganz rechts außen einen Kulturkampf daraus zu machen." Schade sei, dass auch einige Frauen wie Alice Schwarzer aufgesprungen seien, so Beck. Nach dieser Kampagne müsse jedenfalls mit den absurdesten Reaktionen auf das neue Gesetz gerechnet werden. "Deshalb ist Sorgfalt geboten: Wer von der Regelung der Änderung des Geschlechtseintrages in missbräuchlicher Absicht Gebrauch macht, sollte sich dem Risiko hoher Strafen ausgesetzt sehen."

Die für die Grünen im Bundestag sitzende Transfrau Nyke Slawik mahnte unterdessen gegenüber LTO zum Tempo. Slawik verwies darauf, dass Spanien sowie Schottland vor wenigen Wochen ebenfalls ihre Rechtslage geändert hätten. "Jeder Tag, an dem es weiter nicht reformiert ist, ist ein Hohn für die Betroffenen, die sich zu Recht wehren und ihre Selbstbestimmung einfordern."

Zitiervorschlag

Geplantes Selbstbestimmungsgesetz: Transfrauen sollen nicht in die Frauensauna . In: Legal Tribune Online, 13.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50757/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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