Klagen gegen LNG-Terminals: Ver­liert der Schweinswal vor Gericht?

von Hasso Suliak

09.05.2022

Wirtschaftsminister Robert Habeck wird dafür kritisiert, dass er der Umwelthilfe nahegelegt hat, nicht gegen den beschleunigten Bau von LNG-Flüssiggas-Terminals zu klagen. Im anstehenden Rechtsstreit könnte er jedoch Recht bekommen.

Zur Sicherung der Gasversorgung in Deutschland will die Bundesregierung kurzfristig die infrastrukturellen Voraussetzungen für den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) schaffen. Um die Abhängigkeit von russischem Gas möglichst schnell zu beenden, sollen die entsprechenden Genehmigungsverfahren beschleunigt und vereinfacht werden. Mit der Unterstützung von LNG-Vorhaben zunächst in Wilhelmshaven und Brunsbüttel sowie möglicherweise auch in Stade und an weiteren Orten will der Bund dann sicherstellen, dass es in Deutschland möglichst rasch Alternativen zu russischem Pipeline-Erdgas gibt. Vorläufig sollen dafür auch erst einmal schwimmende Terminals installiert werden. Der Bau dieser Terminals auf dem Meer soll im "überragenden öffentlichen Interesse" liegen, die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Projekte daher zumindest teilweise abgeschafft sowie Klagerechte eingeschränkt und Beteiligungszeiträume verkürzt werden.

Nicht akzeptieren wollen das Umweltverbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Letztere hat bereits juristische Schritte eingeleitet. Gegen den vorzeitigen Baubeginn des LNG-Terminals in Wilhelmshaven legte die Umweltorganisation vergangene Woche Widerspruch ein, um Einsicht in die Unterlagen zu erhalten. Außerdem forderte sie einen sofortigen Baustopp, "damit nicht unrevidierbare Tatsachen geschaffen werden". Der Bau des schwimmenden Terminals bedrohe die deutschen Klimaschutzziele, ein geschütztes Unterwasserbiotop und den gefährdeten Schweinswal.

Indes: So viel Rücksicht auf Naturschutz- und Umweltbelange war dann sogar dem grünen Bundeswirtschaftsminister zu viel. In der Sendung RTL Direkt outete sich Habeck zwar als "größter Schweinswal-Fan in der Bundesregierung", kritisierte aber zugleich das juristische Vorgehen der DUH: "Sollten wir die LNG-Terminals nicht haben, und sollte das Gas nicht aus Russland kommen, ist die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht gewährleistet." Fehlende Importkapazitäten wären dann ein Problem. "Im Zweifelsfall bringt uns eure Klage in größere Abhängigkeit von Putin", sagte er in Richtung der Umwelthilfe. "Das solltet ihr nicht tun an dieser Stelle", so Habeck kumpelhaft.

Geht Robert Habeck zu weit?

Für Kritik haben diese, von vielen auch als "Warnung" verstandenen Sätze Habecks nicht nur bei Umweltverbänden selbst gesorgt. Auch die Süddeutsche Zeitung zeigte sich empört, dass ein Bundesminister aus politischen Interessen Organisationen davon abhalten will, auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahren zu achten.

Aus Staatsräson der DUH nahezulegen, auf Klagen zu verzichten, gehe zu weit. "Denn so schnelle Reaktionen der Krieg in der Ukraine und ein möglicher Abbruch der Gaslieferungen verlangen mag - diese Reaktionen stehen nicht über dem Gesetz", heißt es in einem Kommentar der Zeitung. Zudem müsse die Frage erlaubt sein, ob und wie viele dieser Terminals überhaupt nötig sind oder ob sich das Gas nicht über bestehende Häfen in Europa leichter beschaffen lässt. Es gebe einigen Grund, anzunehmen, dass da gerade für viele Milliarden eine Infrastruktur entsteht, die es eigentlich nie gebraucht hätte. Und natürlich müsse dann auch die Frage erlaubt sein, ob der Eingriff in Natur und Umwelt noch zu rechtfertigen ist. Notfalls auch per Widerspruch.

Während man nun darüber streiten kann, ob es politisch klug ist, wenn sich ein grüner Bundesminister ausgerechnet mit den Umweltorganisationen anlegt, steht die Frage, ob das juristische Vorgehen der DUH am Ende von Erfolg gekrönt sein wird, auf einem anderen Blatt.

DUH: "In einem demokratischen Rechtsstaat nicht einfach alles wegwischen"

Gegenüber LTO rechtfertigte die DUH ihr Vorgehen damit, dass die Zivilgesellschaft bisher überhaupt nicht in das Verfahren einbezogen worden sei. "Die Auswirkungen des Projektes auf das Klima und die Natur müssen öffentlich gemacht und geprüft werden. Das geht auch kurzfristig, aber es muss geschehen",so Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. 

Auch mit Verweis auf eine Notsituation und das zweifelsohne wichtige Ziel der Energieunabhängigkeit könne man in einem demokratischen Rechtsstaat nicht einfach alles andere wegwischen. Der DUH-Geschäftsführer weiter: "Es ist auch überraschend, dass die Bundesregierung hier immensen Druck macht und sich über Natur-, Umwelt- und Klimaschutz sofort hinwegsetzen will – beim Energiesparen aber bislang gar keine Ambitionen zeigt, noch nicht einen Kubikmeter Erdgas und nicht einen Liter Öl durch staatliche Maßnahmen eingespart hat, obwohl das gleichzeitig für Energieunabhängigkeit und Klimaschutz sorgen würde und nicht das eine gegen das andere ausspielt."

Indes stehen nach Einschätzung des Cottbuser Umwelt- und Planungsrechtlers Prof. Dr. Eike Albrecht die Chancen nicht schlecht, dass Habeck bzw. die Bundesregierung am Ende juristisch die Oberhand behält. Es sei keineswegs so, dass Infrastruktur-, Industrie- oder Bauvorhaben nur begonnen werden können, wenn eine bestandskräftige Genehmigung vorliegt. In vielen Fällen, so Albrecht, lasse das Gesetz einen vorzeitigen Baubeginn zu, etwa wenn mit einer Entscheidung zugunsten des Antragstellers gerechnet werden könne und ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Antragstellers am vorzeitigen Beginn bestehe. Im konkreten Fall werde das Gericht eine Abwägung zwischen Naturschutz- und Versorgungssicherheitsbelangen belangen vornehmen, die nach Ansicht des Juristen zugunsten der Versorgungssicherheit ausfallen könnte.

Planungsrechtler erwartet juristischen Erfolg der Bundesregierung

Habeck könnte dabei nach Auffassung von Albrecht eine soeben ergangene Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg in die Karten spielen, über die auch LTO berichtet hatte. In seinem Beschluss vom 5. Mai hatte das Gericht die Weiterführung des Braunkohletagebaus Jänschwalde trotz fast dreifacher Überschreitung der zulässigen Menge der Hebung von Grundwasser erlaubt. In der Abwägung habe das Gericht u.a. mit schwerwiegenden Nachteilen für öffentliche Interessen (u.a. die seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine gefährdete Energieversorgung) argumentiert, die bei der erstinstanzlichen Entscheidung vor dem VG Cottbus (Beschl. v. 16. März 2022, Az. 3 L 381/21) noch anders ausgefallen war. Antragsteller indem Verfahren: die DUH.

Planungsrechtler Albrecht ist vor diesem Hintergrund nun einigermaßen überzeugt, dass ein Gericht im Falle der LNG-Terminals letztlich zulasten der Schweinswale entscheidet: "Da sich inzwischen die Verwundbarkeit der Energieversorgung in Deutschland und deren Abhängigkeit von Russland inzwischen deutlich zutage getreten ist, würde ich vermuten, dass dem öffentlichen Interesse auch im Verfahren zum LNG-Terminal Vorrang eingeräumt wird."

Noch wesentlich mehr LNG-Terminals geplant?

Überhaupt kann der Hochschullehrer, der an der TU Cottbus-Senftenberg den Lehrstuhl für Öffentliches Recht leitet, die Kritik am Bundeswirtschaftsminister nicht nachvollziehen: “Allein die Bitte eines Politikers ändert auch nichts an den bestehenden rechtlichen Möglichkeiten, weshalb ich persönlich die Aufregung über die Aussage von Wirtschaftsminister Habeck nicht recht nachvollziehen kann." Im Übrigen sei die DUH vor einigen Jahren im Zusammenhang mit ihrem Engagement für saubere Luft und Fahrverbote "viel drastischer von bestimmten Parteien bedrängt worden und man habe dem Verband mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit gedroht." Vom Bundesgerichtshof hatte die Umwelthilfe seinerzeit Rückendeckung bekommen.

Unterdessen könnte der Streit zwischen dem grünen Ministerium und Umweltverbänden in Kürze an Schärfe noch zulegen. Denn wie LTO aus politischen Kreisen in Berlin erfuhr, sollen die Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade erst der Anfang sein: Hinter vorgehaltener Hand wird von elf LNG-Projekten gesprochen, die die Bundesregierung möglichst ohne Beteiligung von Umweltschutzverbänden demnächst auf Grundlage des geplanten LNG-Beschleunigungsgesetzes durchsetzen will. Ausgleichsmaßnahmen für die Natur- und Umweltzerstörungen soll es erst nach zwei Jahren geben - und einmal erteilte Genehmigungen würden wohl erst im Jahr 2043 erlöschen.

Diverse Gerichtsstreitigkeiten sind vorprogrammiert.

Zitiervorschlag

Klagen gegen LNG-Terminals: Verliert der Schweinswal vor Gericht? . In: Legal Tribune Online, 09.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48380/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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