Befreiung von der Rentenversicherungspflicht

Vertrauensschutz light für Syndikusanwälte

von Martin W. HuffLesedauer: 5 Minuten
Ob Unternehmensjuristen, ebenso wie normale Anwälte, von der Rentenversicherungspflicht befreit werden können, wird das BSG wohl in diesem Jahr klären. Doch für Syndizi, die nach einem Wechsel des Arbeitgebers oder des Tätigkeitsbereichs bisher keinen Antrag auf Befreiung gestellt haben, sind auch vor der Entscheidung viele Fragen offen. Erste Antworten gab es Ende Dezember – Martin W. Huff stellt sie vor.

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Im Oktober 2012 hatte das Bundessozialgericht (BSG) in drei mit Spannung erwarteten Urteilen einige für Unternehmensjuristen und Rechtsanwälte wichtige Fragen zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht entschieden (alle v. 31.10.2012, Az. B 12 R 5/10, 8/10 und 3/11 R). Um gemeinsam zu klären, wie diese in der Praxis sinnvoll umzusetzen sind, haben die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV), die Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) sowie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in der Folgezeit intensive Verhandlungen geführt. Ein wesentliches Ergebnis dieser Verhandlungen betrifft die angestellten Rechtsanwälte in Kanzleien: Sie müssen, wenn sie für ihre aktuelle Beschäftigung keine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI vorweisen können, eine solche erst beim nächsten Arbeitgeberwechsel beantragen. Wer also als angestellter Rechtsanwalt zum 1. Januar 2014 die Kanzlei gewechselt hat, muss innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 6 Abs. 4 SGB VI einen Antrag auf Befreiung stellen. Ein späterer Antrag wirkt nicht mehr zurück, sondern führt zu einer Befreiung erst ab Antragsdatum. Für die Zwischenzeit müssen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt werden. In der Vergangenheit vertrat auch die DRV die Auffassung, dass eine einmal erteilte Befreiung als angestellter Anwalt in einer Kanzlei auch bei einem Kanzleiwechsel gelte, dies hat das BSG aber anders gesehen.

Eigentlich keine Rückwirkung für Syndikusanwälte, aber…

Offen war bisher die Frage, wie die BSG-Urteile bei Syndikusanwälten, die (noch) keinen Befreiungsantrag für ihre aktuelle Tätigkeit gestellt haben, umzusetzen sind. Die DRV hatte zunächst ihre Bereitschaft zu einer umfassenden Altfallregelung signalisiert. Nach langen Diskussionen hat das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde der DRV dieser aber nur einen engen Spielraum für eine Altfallregelung zugestanden. Danach ist folgendes Verfahren vorgesehen: Für Syndikusanwälte, die für ihre aktuelle Tätigkeit keinen Befreiungsbescheid haben, wird es die Möglichkeit eines neuen Befreiungsverfahrens geben. In diesem Verfahren wird festgestellt, ob die aktuelle Beschäftigung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreiungsfähig ist – unabhängig davon, wann sie aufgenommen wurde. Wird im Befreiungsverfahren eine anwaltliche Tätigkeit bejaht, werden Befreiungen entsprechend dem Datum des Antragseingangs erteilt. Die insoweit ausgesprochene Befreiung führt dann dazu, dass entgegen der eigentlich geltenden Rechtslage, Beiträge für die Vergangenheit nicht erhoben werden, um die Kontinuität in der Altersversorgung zu gewährleisten. Dies ist effektiv eine "Vertrauensschutzregelung light", in der die DRV darauf verzichtet, für die Zeit vom Tätigkeitsbeginn bis zum Antrag auf Befreiung die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu verlangen (§ 6 Abs. 4 SGBV VI). Diese Regelung ist ausgesprochen sinnvoll, da es in der Vergangenheit, auch bei der DRV selbst, immer wieder Unsicherheiten darüber gab, wann neue Anträge zu stellen sind. Kommt die DRV hingegen zu dem Ergebnis, dass es sich um eine nicht befreiungsfähige Tätigkeit handelt, dann greifen die Verjährungsregelungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Dies bedeutet, dass in diesen Fällen bei einem rechtskräftigen Bescheid die Beiträge für bis zu vier Jahre nachgefordert werden. Zahlungsverpflichtet ist im Wesentlichen der Arbeitgeber, aber auch darüber wird gestritten.

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2/2: Die Auswirkungen in der Praxis

Arbeitnehmer, die ihren Arbeitgeber in den vergangenen vier Jahren gewechselt haben, sollten daher darüber nachdenken, einen neuen Befreiungsantrag zu stellen. Dabei ist zu erwarten, dass die DRV, die für ihre restriktive Handhabung bekannt ist, im Zweifel von einer nichtanwaltlichen Tätigkeit ausgehen wird – viele Auseinandersetzungen über Ablehnungsbescheide werden folgen. Über Erfolg oder Misserfolg entscheiden wird eine klare und ausführliche Stellen- und Funktionsbeschreibung, in welcher der Arbeitgeber die anwaltliche Tätigkeit ausführlich erläutert. In jedem Fall sollten Antragsteller sich auf eine Verfahrenslaufzeit von mehreren Monaten einstellen: Die DRV ist akut überlastet, was sich etwa in Bescheiden mit falschen Versicherungsnummern, der Verwendung unzutreffender Textbausteine etc. äußert. Die Behörde hofft wohl auf ein für sie positives Urteil des BSG, also eine Ablehnung jeder Befreiungsmöglichkeit für Syndikusanwälte. Dass das Gericht in diese Richtung entscheiden wird, ist durchaus möglich; die Sozial- und Landessozialgerichte vertreten zu der Frage sehr unterschiedliche Auffassungen. Besondere Vorsicht ist außerdem bei der Anzeige von Tätigkeitswechseln beim gleichen Arbeitgeber geboten. Die DRV hat dazu nur sehr spärliche Informationen veröffentlicht, so dass es dem Rechtsanwender überlassen bleibt, sich seine eigene Einschätzung zu bilden.

Tätigkeitswechsel kann Antragspflicht begründen, Beförderung nicht

Nach Einschätzung dieses Autors kann unter einem Tätigkeitswechsel nur eine inhaltliche Änderung der Tätigkeit verstanden werden. Organisatorische Änderungen führen zu keinem anzeigepflichtigen Wechsel. Auch eine Änderung zum Beispiel von Zuständigkeiten innerhalb einer Rechtsabteilung – etwa statt dem Arbeitsrecht die Übernahme des Ressorts Gesellschaftsrecht – ist kein Tätigkeitswechsel,  denn es bleibt bei einer anwaltlichen Tätigkeit, wenn dafür bereits eine Befreiung erteilt wurde. Ebenso wenig ist eine Beförderung ein Tätigkeitswechsel, und zwar auch dann nicht, wenn damit bei der anwaltlichen Tätigkeit mehr Verantwortung – etwa als Teamleiter in der Rechts- oder Personalabteilung – übernommen wird. Es käme ja auch niemand auf die Idee, bei einem Aufstieg von einem angestellten Anwalt zu einem Partner die anwaltliche Tätigkeit zu verneinen. Dies sieht auch die DRV so: In ihrer Stellungnahme vom Mai 2013 heißt es, allerdings mit Blick auf den Arztberuf, dass Wechsel von Station zu Station oder Beförderungen vom Arzt zum Oberarzt keinen Tätigkeitswechsel darstellen. Anders sieht es indes aus, wenn man ein nichtanwaltliches Arbeitsgebiet übernimmt, etwa, wenn ein Wechsel aus der Rechtsabteilung in den Vertrieb erfolgt. Eine Befreiung ist dann nicht mehr möglich, auch wenn die Anwaltszulassung bestehen bleibt. Eine Ausnahme gilt hier nur für die befristete Übernahme einer "berufsfremden" Tätigkeit (§ 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI). Hier kann die Befreiung auf einen entsprechenden Antrag bei der DRV hin bestehen bleiben – vorausgesetzt natürlich, der Antragsteller verfügt überhaupt über eine aktuelle Befreiung. Anwalt und Arbeitgeber müssen in diesen Fällen gemeinsam nach einer sinnvollen Lösung für die Vergangenheit und die Zukunft suchen, wenn bisher keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt wurden. Insgesamt bleiben viele Unsicherheiten bestehen. Eine teilweise Klärung kann man sich von einer für den Januar angekündigten Stellungnahme der DRV versprechen, viele wichtige Fragen wird aber erst das bevorstehende Urteil des BSG zur Befreiungsfähigkeit von Syndikusanwälten beantworten können. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und hat u.a. einen Lehrauftrag für Berufsrecht an der German Graduate School of Management and Law (GGS) in Heilbronn.

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Thema:

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