Juristen bei der Bundeswehr

Ver­ga­be­recht in Flecktarn

von Simon PakeLesedauer: 5 Minuten
Wenn Juristen kämpfen, dann gewöhnlich mit dem Wort als Waffe. Aber auch dort, wo scharfe Geschütze zur Grundausrüstung gehören, werden sie gebraucht: in der Bundeswehr. Simon Pake über den Arbeitsalltag zwischen Amtsstube und Afghanistan.

Anzeige

Nur ein kleiner Teil muss allerdings wirklich den Tarnanzug überstreifen und nach Afghanistan oder in den Kosovo. "Grundsätzlich ist die Möglichkeit gesetzt, aber so dramatisch ist es nicht", sagt Birgit Achenbach. Die Juristin im Bundesamt für Wehrverwaltung in Bonn musste selbst auch noch nicht ins Ausland. Die Regierungsdirektorin ist als Referentin für den Luft-/Seebereich tätig. Dort kümmert sie sich um die vergaberechtliche Bewertung von Verträgen mit Speditionen und Transportunternehmen in der Luft und auf dem Wasser. "Alles, was die Soldaten brauchen, muss irgendwie befördert werden", sagt die 43-Jährige. Nicht alles transportiert die Bundeswehr selbst. Seien es kleine Päckchen an die Standorte in aller Welt oder Ersatzteile für die Einsatzgeräte; alles muss von A nach B kommen. Dafür wird auch auf zivile Dienstleister zurückgegriffen. Große Speditionsrahmenverträge laufen meistens vier Jahre. Dabei geht es um viel Geld. Know-how ist gefragt. Die Verantwortlichen geben ihr eine Leistungsbeschreibung in der genau festgelegt ist, was die Bundeswehr haben will. Achenbach muss dann national oder europaweit ausschreiben. "Meine Aufgabe ist es, das alles zu bündeln und am Markt ordnungsgemäß zu vergeben", so Achenbach. Sie begleitet das Verfahren bis zur Unterschrift. Die müssen dann meist andere leisten. Juristen, die bei der Bundeswehr anfangen wollen, haben ein breites Betätigungsfeld. Werden sie bei der Wehrverwaltung eingesetzt, ähneln ihre Aufgaben denen von Unternehmensjuristen oder Verwaltungsjuristen bei den Städten und Gemeinden. Sie arbeiten Verträge aus, kümmern sich um Beschaffungsaufgaben oder sind für Personalangelegenheiten verantwortlich. Rund 930 Juristen beschäftigt die Bundeswehr in diesem Bereich zurzeit.

Knapp 1.200 Juristen gibt es bei der Bundeswehr

Weitere 190 Juristen arbeiten in der Rechtspflege. Dort sind sie als Rechtsberater für Kommandeure ab der Divisionsebene aufwärts eingesetzt. Sie beraten in Fragen des Wehrrechts und des Völkerrechts. Gleichzeitig müssen sie sich aber auch mit ganz alltäglichen Dingen befassen: "Wenn zum Beispiel eine Übung außerhalb der Kaserne gemacht wird, muss geklärt werden, inwiefern die Straßenverkehrsordnung gilt", erläutert Birgit Achenbach. Im Nebenamt sind die Rechtsberater oft zusätzlich als Wehrdisziplinaranwalt an ihrem Standort tätig. Sie ermitteln bei Verstößen gegen die Wehrdisziplinarordnung und sind vergleichbar mit einem Staatsanwalt. Sie treten als Anklagevertreter auf, wenn ein Soldat sich wegen eines Verstoßes vor einem Truppendienstgericht verantworten muss. Auch hier beschäftigt die Bundeswehr Juristen als Richter. Es gibt ein Truppendienstgericht in Münster und eines in München. Als Strafen können unter anderem die Kürzung der Dienstbezüge, die Degradierung oder sogar die Entlassung aus der Bundeswehr verhängt werden. Für die strafrechtliche Verfolgung sind nach wie vor die ordentlichen Gerichte zuständig. Damit die Soldaten wissen, was sie dürfen und was nicht, sind einige Juristen auch als Rechtslehrer an den Truppenschulen eingesetzt. Einen Offiziersrang bekleiden als Juristen nur die rund 45 "Stabsoffiziere mit der Befähigung zum Richteramt", wie es im typischen Bundeswehrdeutsch heißt. Sie beginnen ihre Laufbahn im Rang eines Majors und werden in Führungspositionen als Offiziere eingesetzt, zum Beispiel als Kompaniechef. Während die anderen Juristen in der Bundeswehr den Status von Zivilbeschäftigten haben, sind die Stabsoffiziere Soldaten.

Militärische Ausbildung auch für Juristen

Aber auch die Zivilbeschäftigten können zeitweise den Status eines Soldaten bekommen. Nämlich dann, wenn sie in den Auslandseinsatz müssen. Zuvor müssen sie die vierwöchige ASA 1 und die dreiwöchige ASA 2 durchlaufen. Die Abkürzung steht für "Allgemeine Soldatische Ausbildung". Dazu kommt noch eine vorbereitende Ausbildung mit Spezialwissen für das jeweilige Krisengebiet. "Es ist wichtig, dass auch Zivilangehörige im Soldatenstatus in solche Gebiete fahren, unter anderem, damit für sie der Kombattantenstatus nach der Genfer Konvention gilt", erklärt Markus Nurischad. Der Diplom-Kaufmann, der ebenfalls im Bundesamt für Wehrverwaltung arbeitet, war bereits viermal im Afghanistaneinsatz. Meist trifft es aber die Juristen der Rechtspflege, die mit ihrer Einheit nach Somalia oder Afghanistan versetzt werden. Dort fungieren sie dann weiterhin als rechtlicher Berater des Kommandeurs und beschäftigen sich mit Fragen wie wann jemand schießen darf. Birgit Achenbach begann ihre Karriere bei der Bundeswehr mit einem FH-Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin. Das ermöglichte ihr den Einstieg in den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst. Sie arbeitete zuerst in der Personalabteilung der Standortverwaltung in Bonn. Das war ihr allerdings zu wenig. "Ich hab mir gesagt: Irgendwas muss da noch kommen", erzählt sie heute. Es wurde das Jura-Studium in Bonn. Dafür ließ sie sich viereinhalb Jahre ohne Bezüge beurlauben. Erst als sie ins Referendariat ging, musste sie den Beamtenstatus aufgeben. „Im Referendariat wurde man als Landesbeamter eingestellt und gleichzeitig konnte ich keine Bundesbeamtin sein.“

Gute Examensnoten sind Pflicht

Als "Riesenglück" bezeichnete sie die Chance schon kurz nach dem zweiten Staatsexamen wieder bei ihrem alten Arbeitgeber einzusteigen. Wie jeder Jurist musste sie aber ein eintägiges Assessment Center in Bonn überstehen und die Einstellungsvoraussetzungen mitbringen. Um überhaupt eingeladen zu werden, sind gute Examensnoten Pflicht. Entweder ein befriedigend in beiden Examina oder ein "ausreichend" im Ersten und mindestens ein "vollbefriedigend" im Zweiten. Außerdem sollte eine bundesweite Versetzungsbereitschaft bestehen. Das Betätigungsfeld wechselt zumindest zu Beginn der Laufbahn in der Regel alle zwei bis drei Jahre und damit unter Umständen auch der Standort. Eingestellt wird in der Besoldungsgruppe A13 in einem Beamtenverhältnis auf Probe. Die Probezeit dauert in der Regel drei Jahre. Danach winkt die Verbeamtung auf Lebenszeit. Die Einstiegsbezüge belaufen sich für Juristen ohne Berufserfahrung auf knapp 3.600 Euro brutto monatlich. Wer schon gearbeitet hat, bekommt rund 200 Euro mehr im Monat. Bewerbungen sind das ganze Jahr über möglich. Es gibt keine festen Einstellungstermine. Bei Bedarf werden die Bewerber zum Assessment Center eingeladen. Wie groß der in den nächsten Jahren sein wird, ist aber ungewiss. Die 2011 vorgestellte Bundeswehrreform wirft auch für Juristen dunkle Schatten voraus. Immerhin soll ein Drittel aller Dienstposten in der Armee gestrichen werden. Trotzdem antwortet Birgit Achenbach auf die Frage, ob sie wieder bei der Bundeswehr anfangen würde, ohne zu zögern: "Ja, sofort!" Besonders hervor hebt sie die Flexibilität ihres Arbeitgebers. Als dreifache Mutter nahm sie vier Jahre nach Beginn ihrer Laufbahn als Juristin fünf Jahre Elternzeit. Nach ihrer Rückkehr habe sie problemlos wieder in Teilzeit anfangen können. Mehr im Internet: Informationen zum Bewerbungsverfahren auf bundeswehr-karriere.de Mehr auf LTO.de: Jobprofil Verbandsjurist: Zwischen Politik und Paragraphen Unternehmensjuristen und Compliance: Unklares Haftungsrisiko und hohe Verantwortung Jobprofil Syndikusanwalt: Manager des Rechts

Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.

Thema:

Bundeswehr

Verwandte Themen:
  • Bundeswehr
  • Jobprofile

Teilen

Ähnliche Artikel

Newsletter