Die juristische Presseschau vom 3. bis 5. Oktober 2015: Schi­rachs Thea­ter­debüt "Terror" – NSU-Neben­klä­gerin exis­tiert wohl nicht – "Whist­le­b­lo­wing" künftig strafbar?

05.10.2015

Recht in der Welt

Kolumbien – Verzicht auf Strafverfolgung: Die kolumbianische Regierung hat sich vergangene Woche mit der Farc darauf geeinigt, dass eine "Sondergerichtsbarkeit für den Frieden" über die Straftaten der Konfliktparteien urteilen soll. Der Strafrechtsprofessor Kai Ambos stellt in der Montags-SZ die Vereinbarung dar und begrüßt, dass die kolumbianische Regierung teilweise darauf verzichtet, Straftaten zu ahnden. Dies diene dem Frieden und erleichtere einen Neuanfang. "Nicht jeder Verzicht auf Strafe ist gleich ein Ausverkauf von Prinzipien der Gerechtigkeit."

USA – Sammelklage gegen VW: Der Spiegel (Martin Hesse) spricht mit dem US-Anwalt und ehemaligen VW-Manager John Quinn über die Verfahren, die das Unternehmen VW erwarten müsse und schildert die Rechtslage. Quinns Sozietät hat zusammen mit einer anderen Kanzlei eine Sammelklage gegen VW beim Bundesbezirksgericht Los Angeles eingereicht – ein Vergleich käme allerdings in Frage.

EuGH – Safe Harbor: cr-online.de (Flemming Moos/Jens Schefzig) setzt sich kritisch mit dem Plädoyer des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof auseinander, welcher argumentierte, nationale Datenschutzbehörden seien nicht an das Safe-Harbor-Abkommen gebunden. Der Beitrag erläutert insbesondere, warum die "besseren Argumente" dafür sprächen, dass die Entscheidungen der EU-Kommission auch nationale Datenschutzbehörden binden.

Ungarn – Asylverfahren: spiegel.de (Keno Verseck) berichtet, wie das beschleunigte Asylverfahren an ungarischen Grenzen praktiziert wird. Während von den Richtern "kaum Widerstand gegen die Sonderjustiz gegen Flüchtlinge" zu erwarten sei, monierten einige Anwälte, Ungarn verstoße mit den verschärften Asylregelungen gegen völkerrechtliche Verpflichtungen und europäisches Recht.

USA – Glenn Ford: Das Titelthema der WamS (Tina Kaiser) behandelt ausführlich den Fall von Glenn Ford, welcher 29 Jahre lang unschuldig in der Todeszelle saß, und hebt dabei die Fehler der Strafjustiz hervor.

Sonstiges

Beschlagnahmung von Wohnungen: Der Kreuzberger Bezirksverordnete Andreas Weeger hat einen Antrag auf Beschlagnahme für leerstehende Wohnungen gestellt, um Flüchtlinge unterzubringen. Die FAS (Corinna Budras) schreibt, er sei ein "Pionier", da eine Regelung zur zwangsweisen Beschlagnahme von Privatimmobilien bislang nicht vorliege – so beziehen sich die Gesetze in Hamburg und Bremen lediglich auf leerstehende Gewerbeimmobilien. Der Beitrag schildert auch die Reaktionen der Betroffenen – die "einvernehmliche Beschlagnahme" entwickele sich zum Standard.

Im Interview mit dem Spiegel (Dietmar Hipp) erklärt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier, unter welchen Voraussetzungen es rechtmäßig sei, Gewerbe- und Privatimmobilien zu beschlagnahmen, um sie als Flüchtlingsunterkunft zu verwenden. Momentan läge die notwendige Gefahrenlage nicht vor; eine vorsorgliche Beschlagnahme sei nicht zulässig, so Papier. Enteignungen hält er für unverhältnismäßig.

VW-Abgasskandal: Das Unternehmen VW wird wohl mit Schadensersatzforderungen in Millardenhöhe rechnen müssen. Wie taz.de (Christian Rath) schreibt, sammeln spezialisierte Anleger-Kanzleien bereits Kläger, die Verluste wegen des Skandals geltend machen und sich wohl hauptsächlich darauf berufen werden, dass VW Informationspflichten verletzt habe. Der Beitrag stellt kurz die in Frage kommenden Pflichtverletzungen dar.

NSA-U-Ausschuss: Ausführlich und kritisch beleuchtet zeit.de (Kai Biermann) die Aussage des ehemaligen BND-Präsidenten August Hanning vor dem NSA-Untersuchungsausschuss. Zu seiner Amtszeit begannen NSA und BND zu kooperieren; seine Erinnerungen daran seien allerdings lückenhaft. Laut zeit.de sehe Hanning bei dieser Kooperation und dem Vorgehen des BND keine rechtlichen Probleme – dies sei "aus Sicht der im Zweifel betroffenen Bürger und aus Sicht der demokratischen Kontrolle" nicht nachvollziehbar.

Sanktionierung von Plagiaten: Für die Frage, ob Ursula von der Leyen ihren Doktortitel verlieren soll, ist es relevant zu wissen, in welchem Ausmaß Plagiatoren an medizinischen Fakultäten üblicherweise geahndet werden, schreibt die BerlZ (Christian Bommarius). Wenn die Promovierenden im Sinne eines "stillen Einvernehmens" mit ihren Professoren üblicherweise die Ge- und Verbote der Promotionsordnungen nicht achteten und plagiierten, so habe "jede Sanktion nicht nur jeden Sinn, sondern auch ihr Recht verloren". Ge- oder Verbote, welche der Normgeber nicht durchsetzt, müssten deren Adressaten nicht als verbindlich ansehen.

Herbert Grönemeyer: In einem ausführlichen Gastbeitrag für den Spiegel legt der Strafverteidiger Ferdinand von Schirach dar, weshalb er es für möglich erachtet, dass die Journalisten, die Herbert Grönemeyer geschlagen haben soll, diesem eine Fall gestellt hatten. Er skizziert zudem die Geschichte des Rechts am eigenen Bild und die Methoden der Paparazzi. Schirach schließt mit der Mahnung, das "Gewaltmonopol des Staats" sei gefährdet, wenn Strafjustiz abgebaut und Strafverfahren "privatisiert" werden.

Kündigungsschutz für "Ost-Datschen": lto.de (Gudrun Janicke) informiert darüber, dass der Kündigungsschutz für ostdeutsche Ferien-Grundstücke, sogenannte Datschen, am 3. Oktober ausgelaufen ist – bisher seien sie "nahezu unkündbar" gewesen. Der Sprecher des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer rechnete mit einer "flächendeckenden Kündigungswelle".

Facebook – Hasskommentare: Unter dem Titel "Facebook ist keine Hilfspolizei" erläutert Rechtsanwalt Niko Härting auf lto.de, weshalb er es für Zensur erachtet, wenn Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) von Facebook fordert, sogenannte Hasskommentare zu löschen. Auch "hässliche Kommentare" fielen – solange sie nicht die Grenzen der Strafbarkeit überschreiten – unter die Meinungsfreiheit und seien daher auszuhalten.

App zum Bewerten von Menschen: Mit der App "Peeple" sollen Nutzer ab November die Möglichkeit erhalten, Menschen ohne deren Zustimmung zu bewerten. infodocc.info (Karsten Gulden) erklärt, warum dieses Vorhaben rechtliche Bedenken hervorruft.

Fritz Bauer: Der Focus (Ulrike Plewina) rezensiert jetzt auch den Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" und ruft das Vorgehen und die Strapazen des ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer in Erinnerung, als er den ersten Auschwitz-Prozess vorbereitete.

Das Letzte zum Schluss

Zwiebackgesicht: Das Landgericht Düsseldorf hat dem Verein Ansaar International e.V. verboten, den FDP-Politiker Tobias Huch als "Schmutzfink”, "Porno-Atze" und "Lügen-Baron" zu beschimpfen. "Zwiebackgesicht" hingegen sieht das Gericht nicht als ehrenrührig an. Selbst Huch findet es witzig und hat sich ein orangefarbenes T-Shirt mit entsprechender Aufschrift machen lassen. justillon.de (Stephan Weinberger) informiert.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/vb

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. bis 5. Oktober 2015: Schirachs Theaterdebüt "Terror" – NSU-Nebenklägerin existiert wohl nicht – "Whistleblowing" künftig strafbar? . In: Legal Tribune Online, 05.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17096/ (abgerufen am: 02.05.2024 )

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