Die juristische Presseschau vom 3. bis 5. Oktober 2015: Schi­rachs Thea­ter­debüt "Terror" – NSU-Neben­klä­gerin exis­tiert wohl nicht – "Whist­le­b­lo­wing" künftig strafbar?

05.10.2015

Von Schirachs Theaterdebüt dreht sich um einen Anwendungsfall des Luftsicherheitsgesetzes. Außerdem in der Presseschau: "Anti-Whistleblower-Gesetz" befürchtet, NSU-Nebenklägerin existiert wohl nicht und "Zwiebackgesicht" ist keine Beleidigung.

Thema des Tages

Schirachs Theaterdebüt "Terror": "Darf der Staat Leben gegen Leben aufrechnen?" Der Strafverteidiger Ferdinand von Schirach setzt sich in seinem Theaterstück "Terror" mit dem moralischen Dilemma in der Terrorbekämpfung auseinander. Ein Luftwaffen-Pilot ist wegen Mordes in 164 Fällen angeklagt, weil er sich entschied, ein von einem Selbstmord-Attentäter entführtes Passagierflugzeug zu zerstören, um zu verhindern, dass dieses in die ausverkaufte Münchner Allianz Arena stürzt. Das Publikum folgt dem Strafprozess und den Argumenten von Verteidigung und Staatsanwaltschaft, muss allerdings die Entscheidung über Schuld oder Unschuld selbst fällen. Das Stück wurde vergangenen Samstag am Deutschen Theater Berlin und am Schauspiel Frankfurt (Main) uraufgeführt. Die Montags-SZ (Peter Laudenbach), die BerlZ (Christian Bommarius) und die Montags-FAZ (Irene Bazinger) rezensieren das erste Theaterstück Schirachs.

Rechtspolitik

"Anti-Whistleblower-Gesetz": In einem ausführlichen Gastbeitrag für die Montags-SZ moniert Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht, mit der Vorratsdatenspeicherung käme ein "Anti-Whistleblower-Gesetz" – als "Kuckucksei" werde der Straftatbestand der Datenhehlerei eingeführt. Ein strafrechtspolitischer Vergleich mit der analogen Hehlerei offenbare, dass es unklar sei, was das Handeln mit Daten als zu bestrafendes Unrecht qualifiziere. Buermeyer vermutet daher, es handele sich um "den eindeutigen Versuch, den Umgang mit Daten, wie sogenannte Whistleblower ihn pflegen, möglichst weitgehend zu kriminalisieren" und erläutert, weshalb diese Regelung Demokratie und Pressefreiheit gefährde.

Vorratsdatenspeicherung: spiegel.de (Daniel Moßbrucker) führt aus, dass die Vorratsdatenspeicherung im Hinblick Mobilfunkdaten bereits vorhanden sei. Das Telekommunikationsgesetz erlaube es Anbietern, Verbindungs- und Standortdaten für ihre Abrechnungen zu speichern – teilweise bis zu sechs Monaten. Fraglich sei daher, inwiefern eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt notwendig sei, um eine erfolgreichere Strafverfolgung zu gewährleisten.

"Solange es nicht merkbare Bußgelder oder Strafen gibt, bewegt sich bei den Unternehmen nichts", beanstandet Svenja Bergt (Montags-taz) die Vorgehensweise der Mobilfunkunternehmen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar habe bereits "vor Jahren" erklärt, diese Speicherpraxis sei rechtswidrig. Die geplante Vorratsdatenspeicherung schließe lediglich "eine verhältnismäßig kleine Lücke im Überwachungspuzzle", was das Hauptargument der höheren Aufklärungsquote noch unplausibler mache.

Prostituiertenschutzgesetz: Viele Länder kritisieren den derzeitigen Entwurf des Prostituiertenschutzgesetzes in ihren Stellungnahmen – sie bringen unter anderem verfassungsrechtliche Bedenken vor oder bezweifeln, dass die Regelungen in der Praxis "rechtssicher vollziehbar" sind. Insbesondere würden Anmeldepflicht und Gesundheitsberatung kritisch gesehen. Der Entwurf sehe keine Zustimmung des Bundesrats vor, viele Länder gingen hingegen von einer Zustimmungspflicht aus, meldet der Spiegel (akm).

Beschlagnahme von Immobilien: Nachdem Hamburg vergangene Woche eine Norm im Polizeigesetz geschaffen hat, welche zur Beschlagnahmung von Gewerbeimmobilien befugt, und auch Bremen ein entsprechendes Gesetz plane, lässt die Montags-FAZ (Joachim Jahn) die Kritiker zu Wort kommen. Insbesondere liege hier ein Eingriff in das Eigentumsrecht vor. Der Beitrag verweist zudem auf Einzelfälle, in denen manche Kommunen bereits Privatwohnungen beschlagnahmten.

Kritik an "Flüchtlingsabwehr-Politik": Heribert Prantl (Montags-SZ) kritisiert den Paradigmenwechsel in der Politik: "Weg von der Nothilfe für Flüchtlinge, hin zur Notwehr gegen sie". Die "Flüchtlingsabwehr-Politiker" hätten an sich nicht damit recht, dass Deutschland keine Flüchtlinge mehr aufnehmen könne. Vielmehr werde die Aufnahmefähigkeit von der "politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kraft" bestimmt und nicht von einer absoluten Grenze. Mit den bisherigen Erfahrungen seien die Herausforderungen nicht zu bewältigen, daher ermutigt Prantl Innen- und Außenpolitik dazu, neue Erfahrungen zu machen.

Transitzonen für Flüchtlinge: Menschenrechtler und SPD-Politiker kritisieren den Referentenentwurf aus dem Innenministerium, Asylverfahren an den Landesgrenzen – in sogenannten Transitzonen – innerhalb einer Woche durchzuführen. Die Organisation Pro Asyl warnte vor "menschenrechtsfreien Zonen", schreibt spiegel.de.

Unternehmenshaftungsrecht: Der Senator für Justiz und Verbraucherschutz Thomas Heilmann plädiert im Handelsblatt dafür, ein Unternehmenshaftungsrecht einzuführen. Dieses sollte dazu dienen, Unternehmen durch hohe Haftungsrisiken von unredlichen Maßnahmen abzuschrecken, ohne dabei auf das Strafrecht zurückgreifen zu müssen. Im Kartellrecht habe sich die Abschreckung durch hohe Bußgelder bereits bewährt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. bis 5. Oktober 2015: Schirachs Theaterdebüt "Terror" – NSU-Nebenklägerin existiert wohl nicht – "Whistleblowing" künftig strafbar? . In: Legal Tribune Online, 05.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17096/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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