Die juristische Presseschau vom 21. bis 23. März 2015: Tücken der Verdachtsberichterstattung – Grüne und Cannabiskontrollgesetz – Verfassungsbeschwerde gegen EZB-Politik

23.03.2015

Justiz

BGH zu Bewertungsportalen: Der Bundesgerichtshof entschied am vergangenen Donnerstag, dass die Inhaber des Bewertungsportals Holidaycheck nicht dazu verpflichtet sind, vorab zu prüfen, ob die durch die Benutzer hinterlassenen Beurteilungen über Hostels unwahre Tatsachenbehauptungen beinhalten. Eine Haftung wegen des Verstoßes gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb schlossen die Richter aus, da sich die Portalbetreiber die Behauptungen der Nutzer nicht inhaltlich zu eigen machten. Rechtsanwalt David Ziegelmayer erklärt auf lto.de, weshalb diese Entscheidung dennoch kein Grundsatzurteil darstellt.

Verfassungsbeschwerde gegen EZB-Politik geplant: Drei Chefs mittelständischer Unternehmen planen Ende April eine Verfassungsbeschwerde gegen das Programm der Europäischen Zentralbank einzulegen – sie werden dabei von Staatsrechtler Christoph Degenhart unterstützt. Sie vertreten die Ansicht, die EZB überschreite mit dem Ankauf von Staatsanleihen und mit dem gefassten Beschluss forderungsbedingte Wertpapiere zu kaufen ihr Mandat. Sie betreibe Wirtschaftspolitik, "zu der sie demokratisch nicht legitimiert sei" und entwerte damit das Wahlrecht der Bürger. Die Samstags-SZ (Kirsten Bialdiga/Markus Zydra) berichtet, dass bei Erfolg der Beschwerde, die Bundesregierung und der Bundestag dazu verpflichtet werden könnten, "gegen die EZB-Politik auf europäischer Ebene zu intervenieren". Auch die Samstags-Welt (Carsten Dierig) und das Montags-Handelsblatt (Jan Mallien) informieren über die geplante Verfassungsbeschwerde.

OLG Stuttgart – Kriegsverbrechen im Kongo: Die Montags-taz (Dominic Johnson) berichtet ausführlich von dem Strafverfahren gegen Ignace Murwanashyaka, dem Präsidenten der Miliz "Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas" (FDLR), und seinen früheren Vize, Straton Musoni. Der Prozess laufe seit fast fünf Jahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, den Angeklagten werden Kriegsverbrechen vorgeworfen, sie müssten mit erheblichen Freiheitsstrafen rechnen. Derzeit analysiert der 5. Strafsenat damalige SMS-Nachrichten Murwanashyakas, seine persönliche Vergangenheit und seine Rolle im Kampf gegen die Tutsi-Rebellen. Am heutigen Montag findet der 292. Verhandlungstag statt.

LG Lüneburg – NS-Verfahren: Am 21. April beginnt vor dem Landgericht Lüneburg das Strafverfahren gegen Oskar Gröning, er war Mitglied der SS und Buchhalter in Auschwitz. Ihm wird vorgeworfen, bei 300.000 Morden im Konzentrationslager Beihilfe geleistet zu haben. Die WamS (Per Hinrichs) bringt einen ausführlichen Vorbericht zu dem geplanten Prozess und widmet sich neben dem Tatvorwurf insbesondere dem Nebenklägeranwalt Thomas Walther und den Geschichten der Opfer.

Die WamS (Per Hinrichs) bringt zudem eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Prozesse wegen NS-Verbrechen.

Bundesanwaltschaft – Shabab-Miliz: Fünf Männer sollen sich der islamistischen Shabab-Miliz angeschlossen haben, ein weiterer sei bei dem Versuch allerdings in Somalia festgenommen worden. Die Bundesanwaltschaft hat nun unter anderem wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat Anklage gegen sie vor dem Oberlandesgericht Frankfurt erhoben. Dies meldet spiegel.de.

LG München I - Fitschen: Am 28. April wird vor dem Landgericht München I der Prozess gegen den Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen und weitere Vorstandsmitglieder wegen des Verdachts des versuchten Prozessbetruges beginnen. Der Spiegel (Dinah Deckstein/Martin Hesse) berichtet, welche "Gerüchte, Halbwahrheiten und Ungereimtheiten" im Vorfeld des Verfahrens verbreitet wurden.

Weitere Stimmen zum Kopftuch-Beschluss: Der Spiegel (Markus Deggerich/Jan Friedmann/Dietmar Hipp) zeigt auf, dass die Umsetzung des Kopftuch-Beschlusses in der Gesetzgebung der Länder sowie in den Schulen auf Probleme stoßen könne. So sei beispielsweise unklar, "wann die Schwelle zur Störung des Schulfriedens überschritten ist". In den Landesregierungen bestehe Uneinigkeit insbesondere darüber, ob die entsprechenden Landesgesetze reformbedürftig seien oder nicht.

Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig bringt gegenüber der Samstags-Welt (Matthias Kamann) zum Ausdruck, es sei widersprüchlich, dass "das Kreuz auf Wunsch von Schülern und Eltern zu weichen hat, aber das Kopftuch nicht" – grundsätzlich sei die Entscheidung jedoch eine "begrüßenswerte Absage an den Laizismus". Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte in seinem "Kruzifix-Beschluss" im Jahre 1995 angenommen, dass das religiöse Symbol die negative Religionsfreiheit beeinträchtige, im Kopftuch-Beschluss hingegen verwies man darauf, dass ein entsprechender Eingriff nicht vorliege, da "die Begegnung mit religiösen Symbolen zum Alltag gehöre".

Der Spiegel (Dietmar Hipp) bezeichnet den "Richtungsschwenk" der Verfassungsrichter als "heikel", denn die Entscheidung sei eine Abkehr von dem Kopftuch-Urteil aus dem Jahr 2003 und hätte deswegen gemäß § 16 des Bundesverfassungsgerichtsgerichtsgesetzes im Plenum des Bundesverfassungsgerichts entschieden werden müssen. Dies sei umgangen worden, indem der Beschluss als Fortführung der Rechtsprechung aus 2003 dargestellt worden sei. Der  "Karlsruher Flurfunk" begründe diese Entscheidungsfindung damit, dass das Urteil von 2003 nur dahingehend bindend gewesen sei, dass "ein Verbot eine gesetzliche Grundlage braucht".

Der Lehrbeauftragte für Kirchenrecht Georg Neureither schildert auf verfassungsblog.de, wie sich die Auslegung der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bis zum Kopftuch-Beschluss entwickelt hat. Diese erstrecke sich von dem Konzept der offenen Neutralität und der "Segelanweisung" an den Gesetzgeber, über die Voraussetzung einer abstrakten Gefahr durch religiöser Bekundungen, bis zur nun geforderten konkreten Gefahr. Der Beitrag befasst sich auch mit Folgefragen des Kopftuch-Beschlusses.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. bis 23. März 2015: Tücken der Verdachtsberichterstattung – Grüne und Cannabiskontrollgesetz – Verfassungsbeschwerde gegen EZB-Politik . In: Legal Tribune Online, 23.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15021/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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