Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. Januar 2016: Reform­for­de­rungen nach Sil­ves­ter­über­griffen / "Nein heißt nein" / Dos­sier zu NPD-Verbot

11.01.2016

Justiz

BVerfG zu Suizidhilfe: Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilantrag von Mitgliedern des Vereins "Sterbehilfe Deutschland" gegen das seit Dezember gültige Verbot geschäftsmäßiger Suizidhilfe abgelehnt, schreiben der Tsp (Jost Müller-Neuhof), Samstags-SZ (Wolfgang Janisch), Montags-FAZ (Oliver Tolmein), Samstags-BadZ (Christian Rath) und Samstags-FAZ (Helene Bubrowski). Die klagenden Vereinsmitglieder seien nicht Adressaten des Gesetzes, sondern der Verein selbst, so die Karlsruher Richter. Bei Eilanträgen von Bürgern gegen Gesetze müsste das BVerfG einen "besonders strengen Maßstab" anwenden – die Verfassungsbeschwerde sei allerdings nicht von vorneherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. lto.de (Pia Lorenz) stellt die Argumentation des Gerichts ausführlich dar.

Reinhard Müller (Samstags-FAZ) heißt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gut und hofft, dass die Richter dabei bleiben werden. In den Diskussionen um Sterbehilfe sei klar geworden, dass Geschäftsmäßigkeit einen "fatalen Anschein einer Normalität" erzeuge. Auch, wenn geschäftsmäßige Sterbehilfe verboten sei, blieben Würde und Selbstbestimmung unangetastet – dies gewährleiste der Beistand von Familie, Freunden und Ärzten in der Not.

EGMR zu rückwirkender Sicherungsverwahrung: Christian Rath (taz.de) begrüßt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Therapieunterbringungsgesetz gebilligt hat. Er erinnert in seinem Kommentar an das Straßburger Urteil von 2009 und die Karlsruher Entscheidung von 2011, welche bedingten, dass die Sicherungsverwahrung reformiert und das ThUG eingeführt wurde.

OLG Koblenz zu Werbung "in limitierter Stückzahl": Die Samstags-Welt (Michael Gassmann) berichtet jetzt auch über das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz zu Werbung "in limitierter Stückzahl". Demnach ist Produktwerbung unzulässig, wenn Verbraucher auch innerhalb angemessener Zeit keine realistische Möglichkeit haben, das Angebot wahrzunehmen, weil das Unternehmen eine zu geringe Warenzahl vorrätig hat.

SG Berlin zu Witwenrente: Eine 84 Jahre alte Frau muss 150.000 Euro bezogener Witwenrente zurückzahlen. Dies entschied das Sozialgericht Berlin und argumentierte, sie hätte die Rente nur bis zur nächsten Hochzeit erhalten dürfen. Die neu verheiratete Witwe hatte die Rentenversicherung nicht über ihre Hochzeit in Kalifornien informiert, meldet die Samstags-FAZ (Mechthild Küpper).

BVerfG – NPD-Verbot: Die Vertreter des Bundesrats im NPD-Verbotsverfahren Christoph Möllers und Christian Waldhoff haben in einem Dossier dargelegt, wie die NPD in Deutschland eine "Atmosphäre der Angst" verbreite. Ein Schlüsselereignis seien die Ausschreitungen in Heidenau; die Übergriffe auf Asylunterkünfte, deren Zahl gestiegen ist, sei eine "konsequente Umsetzung der Ideologie" der NPD. Der Spiegel (Steffen Winter) stellt ausführlich die Argumentation der Juristen dar – die NPD verfolge letztlich, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen. 

Verfassungsklage gegen Bundeswehreinsatz: juwiss.de (Samir Felich) erläutert ausführlich, weshalb der Bundestagsopposition der Weg zum Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des Bundeswehreinsatzes verwehrt bleibe. Weder Organstreitverfahren noch abstrakte Normenkontrolle seien hier zulässig; lediglich ein betroffener Soldat hätte rechtliche Möglichkeiten die Rechtmäßigkeit des Einsatzes klären zu lassen.

LG Verden – verhungerte Frau: Im Fall der zu Hause verhungerten Anke T. hat die Staatsanwaltschaft nun auf vorsätzlichen Totschlag ihres Mannes und ihrer gemeinsamen Tochter plädiert. Die beiden hätten gewusst, dass das Opfer stirbt, wenn sie ihm nicht helfen – niedere Beweggründe lägen allerdings nicht vor, auch grausam hätten sie nicht gehandelt. spiegel.de (Julia Jüttner) schildert den Fall und das Plädoyer der Anklage.

LG Stuttgart – Wendelin Wiedeking: Wolfgang Porsche wird diese Woche wohl nicht wie geplant im Wiedeking-Prozess vor dem Landgericht Stuttgart aussagen. Aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Porsche und andere Mitarbeiter wegen Beihilfe zur Marktmanipulation könne er wohl ein Auskunftsverweigerungsrecht geltend machen, meldet die Samstags-Welt.

StA Berlin – Ermittlungen gegen Wirtschaftsverband: Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Verantwortliche des Bundesverbands für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil des BWA. Ein Sprecher des BWA gab an, der Verdacht träfe nicht zu, meldet der Spiegel (Gerald Traufetter).

Schlichtungsstellen versus ordentliche Gerichte: Anlässlich der baldigen Einführung einer Verbraucher-Schlichtungsstelle betrachtet Joachim Jahn (Montags-FAZ) das derzeitige Verhältnis von Schlichtungen, Schiedsgerichts- und ordentlichen Gerichtsverfahren und skizziert deren Vor- und Nachteile.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. Januar 2016: Reformforderungen nach Silvesterübergriffen / "Nein heißt nein" / Dossier zu NPD-Verbot . In: Legal Tribune Online, 11.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18088/ (abgerufen am: 19.05.2024 )

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