Die juristische Presseschau vom 31. Mai 2016: Lebens­lang für Dik­tator / Ver­fas­sungs­be­schwerde gegen CETA / Anneli-Ent­füh­rung

31.05.2016

Ende der Straflosigkeit für afrikanische Diktatoren? Erstmals wird ein afrikanischer Ex-Staatschef in Afrika verurteilt. Außerdem in der Presseschau: neue Verfassungsbeschwerde gegen CETA und Prozess wegen Anneli-Entführung.

Thema des Tages

Hissène Habré: Ein in Dakar/Senegal tagendes Sondergericht der Afrikanischen Union hat den früheren Diktator des Tschad, Hissène Habré, unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Während seiner Regentschaft in den 1980er Jahren hatte Habré etwa 40.000 Menschen umbringen und Zehntausende foltern lassen. Der jetzige Richterspruch habe auch zwei üblicherweise problematische Anklagepunkte bestätigt, so die taz (Dominic Johnson). So sei eine von Habré gegründete Sonderkommission zur Organisierung von Repressionsmaßnahmen als kriminelle Verschwörung gewertet worden. Zudem habe das Gericht die Vorgesetztenverantwortlichkeit des Verurteilten für die von der Kommission koordinierten Folterungen bestätigt. Die Berichte von SZ (Isabell Pfaff) und FAZ (Thomas Scheen) gehen auch auf die jahrelangen Vorbereitungen für den in einem knappen Jahr abgeschlossenen Prozess ein. So hatten sich mittlerweile in Belgien lebende Diktaturopfer um ein dortiges Verfahren bemüht. Der jetzige Prozess kam erst nach einem Machtwechsel im Senegal, wo Habré jahrelang unbehelligt lebte, zustande.

Nach dem Kommentar von Reinhard Müller (FAZ) setzt die erstmalige Verurteilung eines ehemaligen afrikanischen Staatschefs durch ein afrikanisches Gericht ein Zeichen dafür, dass auch auf diesem Kontinent ein Einschreiten des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag "überflüssig macht". Nach Tobias Zick (SZ) könnte das Verfahren zumindest "Schule machen". Denn seien afrikanische Gerichte erhaben gegenüber "Pauschalvorwürfen westlicher Einflussnahme", die gegen den IStGH und dessen vermeintliche einseitige Konzentration auf afrikanische Beschuldigte erhoben würden. Dominic Johnson (taz) merkt dagegen an, dass "der Kampf gegen die Straflosigkeit von Gewaltherrschern in Afrika" nun erst beginne. Ein ständiger Spruchkörper zur Verfolgung von Regierungskriminalität existiere nach wie vor nicht.

Rechtspolitik

Funktion des Strafrechts: Wolfgang Janisch (SZ) erinnert im Leitartikel des Blatts an die ultima ratio-Funktion des Strafrechts. In der "praktischen Politik" sei dieses "zum Passepartout geworden", weil sich durch die Schaffung neuer Strafvorschriften weitgehend kostenneutrale "Handlungsfähigkeit suggerieren" ließe. Diese "Standardreaktion auf unerwünschte gesellschaftliche Entwicklungen" stehe im Widerspruch zur notwendigen "Rückbesinnung auf ein Kernstrafrecht zum Schutz elementarer Rechtsgüter".

Richterwahlausschuss: Auf der am morgigen Mittwoch beginnenden Justizministerkonferenz soll nach Bericht der taz (Christian Rath) ein Antrag Hamburgs und Schleswig-Holsteins zur Reform des Richterwahlausschusses diskutiert werden. Dieser sehe vor, durch die Zurückdrängung "intransparenter Deals" eine tatsächliche Bestenauslese bei der Wahl der Bundesrichter zu gewährleisten. Hierzu sollten Wahlvorschläge künftig auch begründet werden, um eine spätere gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen.

Rentenanspruch für Häftlinge: Ein weiteres Diskussionsthema der Justizministerkonferenz meldet spiegel.de. So sollte nach Mitteilung des Justizministers Brandenburgs, Stefan Ludwig (Linke), beraten werden, wie Häftlinge für ihre im Gefängnis erbrachte Arbeit Rentenansprüche erwerben können. Weiter sollten Alternativen für die Ersatzfreiheitsstrafe diskutiert werden.

Bundesanwälte: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat drei bisherige Oberstaatsanwälte der Bundesanwaltschaft als künftige Bundesanwälte am Bundesgerichtshof vorgeschlagen. Holger Schmidt (SWR-Terror-Blog) nennt die Namen.

Digitale Wirtschaft: Als Kern des am gestrigen Montag vom Bundeswirtschaftsministerium vorgestellten "Grünbuchs Digitale Plattformen" beschreibt das Hbl (Dana Heide) eine Verschärfung des Kartellrechts. Bei der bis Ende des Jahres geplanten Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sollten entsprechende Bestimmungen den unternehmerischen Besonderheiten digitaler Geschäftsmodellen angepasst werden.

E-Akten: Das Hbl (Anja Stehle) berichtet zum Stand der geplanten Einführung elektronisch geführter Gerichtsakten. Aktuell liefen an drei Gerichten Testphasen, so würden am Arbeitsgericht Stuttgart seit diesem Monat alle neu eingehenden Verfahren elektronisch geführt.

EU-Steuer-Transparenz: Die EU-Kommission will offenbar in ihre Bilanzrichtlinie eine Pflicht großer Unternehmen aufnehmen, die Höhe ihrer Steuerzahlungen länderspezifisch aufzuschlüsseln. Rechtsprofessorin Johanna Hey kommentiert das Vorhaben in einem Gastbeitrag für das Hbl skeptisch. Denn sei zu bezweifeln, dass Verbraucher "überhaupt verstehen, woran eine bestimmte Verteilung der Steuerlast liegt" und zu befürchten, dass Steuergesetzgeber durch die öffentliche Meinung unter Druck gesetzt würden. Transparenz müsse vielmehr "mit Augenmaß" betrieben werden, etwa durch den Austausch relevanter Informationen "zwischen den Finanzverwaltungen".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31. Mai 2016: Lebenslang für Diktator / Verfassungsbeschwerde gegen CETA / Anneli-Entführung . In: Legal Tribune Online, 31.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19485/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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