Die juristische Presseschau vom 26. November 2015: BVerfG ver­han­delt über "Ton­fetzen" / Waf­fen­fund im Ter­r­o­ris­ten­pro­zess / Asyl­ver­mie­tung

26.11.2015

Recht in der Welt

IStGH-Verfahren gegen den IS?: In einem Gastbeitrag in der FAZ beschäftigt sich Rechtsprofessor Kai Ambos mit der Frage, ob die Terroranschläge des "Islamischen Staates" (IS) durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verfolgbar sind. Die materielle Zuständigkeit sieht er als gegeben an, weil er die Anschläge als Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der IStGH-Definition einstuft. Der hierzu notwendige "ausgedehnte und systematische Angriff gegen die Zivilbevölkerung" liege vor, da der Angriff sich gegen eine Vielzahl von Zivilisten gerichtet habe und von langer Hand geplant gewesen sei. Hinsichtlich der formellen Zuständigkeit diskutiert er die Anknüpfungsmöglichkeiten nach dem sogenannten aktiven Personalitätsprinzip und dem Territorialitätsprinzip und sieht im Ergebnis eine ausreichende Grundlage für Ermittlungen des IStGH. Zudem könnte der UN-Sicherheitsrat eine entsprechende Überweisung an den IStGH vornehmen. Dass ein IStGH-Verfahren eingeleitet wird, hält Ambos für sinnvoll.

Frankreich - Selbstverteidigung gegen den IS: Im Gespräch mit der Zeit äußert sich der finnische Völkerrechtler Martti Koskenniemi zu der Zulässigkeit von Angriffen Frankreichs gegen den "Islamischen Staat" (IS) auf Grundlage von Art. 51 der UN-Charta, die Staaten ein Recht auf Selbstverteidigung gewährt. Er unterstreicht dabei, dass der IS kein "Staat" im völkerrechtlichen Sinne sei, obgleich er territoriale Kontrolle ausübe.

TTIP-Gericht: Rechtsprofessor Stephan Schill beschäftigt sich auf verfassungsblog.org mit dem Vorschlag, ein permanentes, öffentlich tagendes TTIP-Gericht mit zwei Instanzen zu schaffen.

USA - Anklage gegen Polizisten wegen Mordes: Ein weißer Polizist aus Chicago ist am Dienstag wegen Mordes angeklagt worden. Er soll vor einem Jahr den 17-jährigen Schwarzen Laquan McDonald mit 16 Schüssen getötet haben. Ausschlaggebend war ein nun von der Polizei veröffentlichtes Video, das die bisherigen Angaben des Todesschützen, es habe eine Notwehrsituation bestanden, erschüttern. Es berichteten spiegel.de (Marc Pitzke) und die SZ.

USA - Revenge-Porns: Die FAZ (Christiane Heil) berichtet über ein härteres Vorgehen US-amerikanischer Gerichte gegen sogenannte Revenge-Porns, bei denen intime Bilder durch ehemalige Liebhaber im Internet veröffentlicht werden. In mehreren Fällen wurden Gefängnisstrafen gegen Ex-Partner, aber auch gegen veröffentlichende Webseitenbetreiber verhängt.

Belgien – Holocaustleugnung: Der französische Komiker Dieudonné ist von einem Lütticher Gericht wegen der Leugnung des Holocaust zu zwei Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 9000 Euro verurteilt worden, berichtet spiegel.de. Bei einem Auftritt im Jahr 2012 habe er zudem rassistische, hasserfüllte und stigmatisierende Äußerungen getätigt.

Sonstiges

Bundeswehr-Auslandseinsätze: In einem Gastbeitrag in der FAZ erörtert Rechtsprofessor Stefan Talmon die rechtlichen Voraussetzungen für Auslandseinsätze der Bundeswehr am Beispiel der EU-Militäroperation zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität im Mittelmeerraum, an der auch Streitkräfte der Deutschen Bundeswehr beteiligt sind. Dabei stellt er heraus, dass die von ihm beobachtete extensivere Auslegung des Begriffs der "Friedensbedrohung" durch den UN-Sicherheitsrat seit den 1990er Jahren eine zunehmende Rolle für das deutsche Verfassungsrecht spiele. Denn nach Artikel 87a Abs. 2 GG dürften die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, soweit dies vom Grundgesetz ausdrücklich zugelassen werde – was bei Einsätzen innerhalb eines Systems "gegenseitiger kollektiver Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG auch bei Auslandseinsätzen der Fall sein soll. Damit bedeute eine Veränderung der Regeln des Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit, die durch Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats, aber auch den Rat der Europäischen  Union herbeigeführt werden können, automatisch eine Veränderung der Regeln für Bundeswehreinsätze.

Zweiter NSU-Untersuchungsausschuss: Am gestrigen Mittwoch konstituierte sich ein zweiter NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag. Nach der Arbeit des ersten Untersuchungsausschusses von Januar 2012 bis August 2013 seien weiterhin viele Fragen offen. Auch der NSU-Prozess am OLG München wird Gegenstand des Ausschusses werden – insbesondere die angekündigte Aussage der Hauptangeklagten Beate Zschäpe werde in die Analyse der Geschehnisse um die Mordserie einbezogen werden. Es berichtet die taz (Konrad Litschko).

Abo-Fallen in Smartphone-Apps: Die SZ (Jan Willmroth) beleuchtet die Möglichkeiten für Verbraucher, sich gegen "Abzock"-Unternehmen zu wehren, die Smartphone-Apps ausnutzen: Beim Klicken auf in den Apps angezeigte Banner wird ein Bezahlmechanismus ausgelöst und eine Gebühr über die Rechnung des Mobilfunkanbieters eingezogen. Dies ist nach Meinung von Verbraucherrechtlern eigentlich unzulässig, weshalb der Rechnung widersprochen werden sollte.

Das Letzte zum Schluss

Glückliche Gauner: Einer vermeintlichen Diebesbande in Italien muss die Polizei alle Wertsachen  zurückgeben, die bei diesen beschlagnahmt wurden – unter anderem Juwelen, ein Sportwagen, ein Wohnwagen und mehrere Konten. Seitdem die Täter 2010 in erster Instanz verurteilt worden waren, verzögerte sich der Prozess immer wieder. Da das Gericht nunmehr nur Hehlerei annahm, wofür eine kürzere Verjährungsfrist gilt, sind die Taten nun nicht mehr verfolgbar. Dies berichtet die FAZ (Jörg Bremer).

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/lil

(Hinweis für Journalisten) 

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 26. November 2015: BVerfG verhandelt über "Tonfetzen" / Waffenfund im Terroristenprozess / Asylvermietung . In: Legal Tribune Online, 26.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17661/ (abgerufen am: 07.05.2024 )

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