Die juristische Presseschau vom 24. Februar 2015: Angeklagter Edathy – Verfassungsschützer und NSU – Kein Mindestlohn für Amateur-Fußballer

24.02.2015

Prozessauftakt in der Sache Edathy. Hat die Staatsanwaltschaft ein faires Verfahren unmöglich gemacht? Außerdem in der Presseschau: Expertenanhörung zu Frauenquote, Vorbericht zu BRAK-Hauptversammlung, prominente Zeugen im NSU-Prozess, Entschädigung für Terroranschlag, kein Mindestlohn für Amateur-Fußballer und rechtliche Konsequenzen von Casting-Shows.

Thema des Tages

LG Verden - Sebastian Edathy: Vor dem Landgericht Verden ist der Prozess gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy eröffnet worden. Dem früheren Sozialdemokraten wird der Besitz kinderpornographischer Dateien vorgeworfen. Berichte bringen u.a. spiegel.de (Julia Jüttner), bild.de (Nikolaus Harbusch), die SZ (Annette Ramelsberger) in einer Seite Drei-Reportage, FAZ (Reinhard Bingener), Welt (Uwe Schmitt) sowie der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof).

Zu Beginn der Verhandlung habe Verteidiger Christian Noll eine Erklärung verlesen, in der die massiven Auswirkungen der Ermittlungen gegen seinen Mandanten beschrieben wurden. Angesichts des öffentlichen Drucks und der laufenden Ermittlungen gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig wegen des Verdachts der Weitergabe von Dienstgeheimnissen könne ein fairer Prozess nicht erwartet werden. Das Verfahren sei daher mindestens bis zum Abschluss der Ermittlungen gegen den Ankläger auszusetzen. Diesem Ansinnen habe sich Anklagevertreter Thomas Klinge jedoch widersetzt. Die auch vom Gericht ins Gespräch gebrachte Einstellung gegen Geldauflage setzte ein "glaubwürdiges Geständnis" Edathys voraus. Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.

Eine ausführliche Zusammenfassung der gegen Edathy erhobenen Vorwürfe wie auch der Affäre um seine mögliche Warnung unternimmt Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler für lto.de. Der Beitrag geht ebenfalls auf die vor dem "Gerichtshof der Öffentlichkeit" nur schwer zu wahrende Unschuldsvermutung des Angeklagten ein.

Udo Vetter (lawblog.de) erinnert daran, dass die von der Staatsanwaltschaft vor einer Einstellung geforderte Einlassung zwar täglicher Praxis entspreche, § 153a Strafprozessordnung nenne diese Voraussetzung gleichwohl nicht. Auch Christian Bommarius (Berliner Zeitung) kritisiert das Bestehen auf eine geständige Einlassung, die zudem einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1991 widerspreche. Wie durch die Fälle Edathy und Wulff belegt, habe die handelnde Staatsanwaltschaft "in ihrem Verfolgungseifer jedes Maß verloren". Reinhard Müller (FAZ) stellt dagegen grundsätzliche Fragen zu der oftmals erdrückenden und auch vorverurteilenden Wirkung der medialen Begleitung von Prozessen. Der Bundesgerichtshof habe ausgeführt, dass sich die Aufgabe des Strafprozesses nicht in der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruch erschöpft. Vielmehr müsse ein Verfahren auch eine wirksame Sicherung der Grundrechte des mit Strafe Bedrohten gewährleisten. Wenn im Fall Edathy Ermittler tatsächlich Geheimnisse weitertrugen, hätten sie diese Aufgabe wohl vergessen.

Rechtspolitik

Petitionsrecht: Nach der in einem Gastbeitrag für die SZ geäußerten Meinung von Burkhard Hirsch (FDP), ehemaliger nordrhein-westfälischer Innenminister, hätte eine Änderung des Petitionsrechts das Potential, dem abzusehenden Ende der "Zuschauerdemokratie" entgegenzuwirken. Ein gegenwärtiger Vorschlag beinhalte die Verpflichtung des Parlaments, Petitionen mit einer gewissen Mindeststimmzahl zum Thema im Plenum zu behandeln.

Frauenquote: Über die Expertenanhörung zum Gesetzentwurf zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Führungspositionen im Bundestag berichtet die SZ (Constanze von Bullion). Im Mittelpunkt habe dabei die sogenannte Männerquote im öffentlichen Dienst als Nebeneffekt des Entwurfs gestanden. Das nach diesem das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht bei Stellenneubesetzungen bevorzugt werden sollte, habe die ehemalige Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts, Marion Eckerts-Höfer, als "eindeutig verfassungswidrig" bezeichnet.

In einem Kommentar sieht Joachim Jahn (FAZ) die verantwortlichen SPD-Minister in der Pflicht, "wenigstens die gröbsten Schnitzer" des Entwurfs zu beseitigen.

Leistungserschleichung: Rechtsanwalt Christoph Nebgen (nebgen.blogspot.de) beklagt, dass die Vielzahl von Verfahren wegen sogenannter Leistungserschleichung nach § 265a Strafgesetzbuch auf einem gesetzeswidrigen Verständnis der tatbestandlichen Voraussetzungen beruhe. Als Betrugsdelikt erfordere die Norm eine Täuschung von Menschen, die aber als frühere Bahnbeamte auf Bahnhöfen längst nicht mehr existierten. Das sogenannte Schwarzfahren besitze allein zivilrechtliche Relevanz, ein mutiger Gesetzgeber würde durch die Streichung der Strafnorm zudem mit einem Schlag die Kriminalstatistik bedeutend entlasten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. Februar 2015: Angeklagter Edathy – Verfassungsschützer und NSU – Kein Mindestlohn für Amateur-Fußballer . In: Legal Tribune Online, 24.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14776/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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