Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2017: Mit­be­stim­mungs­recht vor dem EuGH / Sexual­straf­recht auf dem Prüf­stand / Aus­kunft über V-Leute

19.07.2017

Das deutsche Mitbestimmungsrecht ist mit dem EU-Recht vereinbar. Außerdem in der Presseschau: Das Bundesverfassungsgericht entschied zu Auskunftsansprüchen über V-Mann-Einsatz und im NSU-Prozess sollen die Abschlussvorträge beginnen.

Thema des Tages

EuGH zu Mitbestimmung: Das deutsche Mitbestimmungsrecht ist mit dem EU-Recht vereinbar, wie der Europäische Gerichtshof nach einer Vorlage des Berliner Kammergerichtes entschieden hat. Dies berichten SZ (Detlef Esslinger), FAZ und taz (Christian Rath). In der Sache ging es um den Aufsichtsrat von TUI, der nach dem deutschen Mitbestimmungsgesetz zur Hälfte aus Arbeitnehmervertretern besteht, die von den 10.000 TUI-Mitarbeitern in Deutschland gewählt werden. Der Aktionär Konrad Erzberger hatte im Ausschluss der im Ausland Beschäftigten vom Wahlrecht eine Verletzung der Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV und des Diskriminierungsverbotes nach Art. 18 AEUV gesehen. Der EuGH trat dem entgegen, prüfte die Sache allerdings nur am Maßstab der Freizügigkeit, der ein speziellerer Diskriminierungsschutz der Beschäftigten sei. Hinsichtlich der im Ausland tätigen TUI-Angestellten fehle es bereits am grenzüberschreitenden Sachverhalt, da diese von ihrer Freizügigkeit gar keinen Gebrauch gemacht hätten. Eine Verletzung der Freizügigkeit käme allenfalls im Falle eines Umzuges in einen anderen EU-Mitgliedsstaat in Frage. Das EU-Recht gewährleiste jedoch nicht, dass ein Umzug "in sozialer Hinsicht neutral" sei, vielmehr seien die Mitbestimmungsregeln in den Mitgliedstaaten durchaus unterschiedlich und nicht EU-weit harmonisiert. 

Rechtsprofessor Friedemann Kainer kritisiert in einer Stellungnahme gegenüber der FAZ, der EuGH habe sich unzureichend mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV auseinandergesetzt. Rechtsanwalt Thomas Gennert begrüßt demgegenüber das Urteil auf lto.de und widmet sich seinen Auswirkungen. Es stelle sich nun die Frage, ob ausländische Mitarbeiter eines Unternehmens bei der Frage mitzuzählen seien, ob die gesetzliche Mindestzahl an Arbeitnehmern für die Gewährleistung von Unternehmensmitbestimmung erreicht sei. Das Urteil des EuGH lege nahe, dass allein die Zahl der inländischen Arbeitnehmer maßgeblich sei. 

Rechtspolitik

Sexualstrafrecht: Eine von Bundesjustizminister Maas im Jahr 2015 einberufene Kommission zum Sexualstrafrecht hat nach der umfangreichen Reform des vergangenen Jahres ihren Abschlussbericht vorgestellt. Diesen bespricht die SZ (Wolfgang Janisch). Der novellierte Vergewaltigungsparagraph habe zwar teilweise Schutzlücken geschlossen, etwa bezüglich sexueller Übergriffe, die in einem "Klima der Gewalt" stattfänden, er sei jedoch insgesamt "überfrachtet“. Die Einführung der Strafbarkeit der sexuellen Belästigung sei positiv zu bewerten, die nach der Kölner Silvesternacht eingeführte Vorschrift zur Strafbarkeit von Handlungen aus Gruppen hingegen bloßes Symbolstrafrecht. Hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs von Kindern empfiehlt die Kommission, am Schutzalter von 14 Jahren festzuhalten. Zuletzt rät sie, eine Strafbarkeit von Freiern einzuführen, die billigend in Kauf nehmen, dass Prostituierte zu sexuellen Dienstleistungen gezwungen werden. 

Versammlungsfreiheit: In der Diskussion um ein Rechtsrock-Konzert im thüringischen Themar kritisiert Heribert Prantl in der SZ die Entscheidung der Gerichte, das Konzert als geschützte Versammlung anzusehen. Zwar umfasse der verfassungsrechtliche Versammlungsbegriff eine Vielzahl auch ungewöhnlicher Aktionen, jedoch müssten kommerzielle Angebote aus dem Schutzbereich herausfallen. 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2017: Mitbestimmungsrecht vor dem EuGH / Sexualstrafrecht auf dem Prüfstand / Auskunft über V-Leute . In: Legal Tribune Online, 19.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23496/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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