Die juristische Presseschau vom 22. Juni 2017: Quellen-TKÜ und Onli­ne­durch­su­chung / EuGH zu Schlei­er­fahn­dung / Bericht NSU-U-Aus­schuss

22.06.2017

Die Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung mittels Bundestrojaner sollen eingeführt werden. Außerdem in der Presseschau: Rehabilitierung Homosexueller, EuGH zu Schleierfahndung, Verfassungsbeschwerde gegen Prostituiertenschutzgesetz

Thema des Tages

Staatstrojaner, Quellen-TKÜ, Online-Durchsuchung: Am heutigen Donnerstag soll im Bundestag die Einführung der Quellen-TKÜ und der Online-Dursuchung mittels Staatstrojanern beschlossen werden. Bei der Quellen-TKÜ geht es um das Ausspähen von Daten auf den Quell-Geräten, die bisher auch in der herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung überwacht werden durften. Bei der Online-Durchsuchung werden die Daten zusätzlich an die Behörde weitergeleitet. Die Überwachung wird durch das Einschleusen von Software ermöglicht, die als Bundestrojaner bezeichnet wird. Die Bundesregierung wird dafür kritisiert, dass sie den Einsatz ohne öffentliche Debatte beschließen lassen möchte. Erst in dieser Woche ist bekannt geworden, dass entsprechende Paragrafen zusammen mit dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des strafrechtlichen Fahrverbots verhandelt werden. Auch die massive Ausweitung des Anwendungsbereichs wird kritisiert. Zwar soll es einen Richtervorbehalt geben, doch ist der Einsatz anders als bisher nicht mehr nur zur Abwehr terroristischer Gefahren, sondern bei zahlreichen weiteren Delikten, etwa der gewerbsmäßigen Hehlerei, zulässig. Die SZ (Heribert Prantl), die taz (Christian Rath), die FAZ (Marlene Grunert) und netzpolitik.org (Markus Reuter) stellen den Vorstoß ausführlich dar.

Herbert Prantl (SZ) hält das Vorgehen der Bundesregierung für "eine derartige Dreistigkeit, dass einem die Spucke wegbleibt". Jost Müller-Neuhof (Tsp) möchte dagegen den Fokus auf die zu gewährleistende Kontrolle legen: "Darin liegt die Aufgabe, nicht im Widerstand gegen sinnvolle Gesetze."

Rechtspolitik

Parteienfinanzierung: Diesen Donnerstag soll die Änderung des Grundgesetzes im Bundestag beschlossen werden, durch die verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können. Dies berichtet die FAZ (Robert Rossmann). Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, und die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast, (Grüne) kritisieren in der FAZ den Entwurf als "Änderung der Verfassung im Hauruckverfahren". Das Vorhaben diene lediglich der Ablenkung von den Versäumnissen im Kampf gegen Rechts.

Entschädigung Homosexueller: Heute wird auch das Gesetz verabschiedet, mit dem homosexuelle Männer rehabilitiert und entschädigt werden sollen, die nach § 175 StGB verurteilt worden waren, der bis 1994 galt. Die taz (Jan Feddersen) kritisiert, dass die Wiedergutmachung vergiftet sei, weil sie die Einschränkung enthalte, dass es sich dabei um keinen Beischlaf mit Personen unter 16 Jahren gehandelt haben darf. Dies impliziere das alte Vorurteil vom Päderasten und zwinge die Betroffen zu beweisen, dass sie keine seien. Zudem habe die Schutzgrenze für Heterosexuelle damals bei 14 Jahren gelegen.

NetzDG: Rechtsprofessor Rolf Schwartmann bespricht im Staat-und-Recht-Teil der FAZ die Neufassung des NetzDG. Er kritisiert insbesondere die kurzen Löschfristen und hohen Bußgelder, die gegen die Verfassung und EU-Recht verstießen. Zu klären bleibe das Verhältnis von Persönlichkeitsrechten und der freien Meinungsäußerung, die das Gesetz nicht regele. Die Frage, welche Inhalte zu löschen seien, unterfalle der Zuständigkeit der Länder, die bereits Erfahrungen mit der Selbstregulierung im Jugendmedienschutzstaatsvertrag gesammelt hätten. 

Illegale Autorennen: Die Ahndung illegaler Autorennen soll verschärft werden, berichtet die FAZ (Christian Siedenbiedel). Die Organisation und Teilnahme an den verbotenen Rennen soll unter Strafe gestellt werden. Diskutiert werde noch, ob aus der Ordnungswidrigkeit eine Straftat gebildet werden und ob diese in das Strafgesetzbuch oder in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen werden soll.

Zwangsbehandlung: Die Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen wird ausgeweitet. An diesem Donnerstag soll ein Entwurf im Bundestag beschlossen werden, der die Zwangsbehandlung über die zwangsweise stationäre Unterbringung hinaus ermöglicht. Die Einschränkung besteht in einem Richtervorbehalt und dem Erfordernis einer Notwendigkeit für die Verhinderung erheblicher Gesundheitsschädigungen, stellt die taz (Christian Rath) dar.

EU-Asylpolitik: Rechtsprofessor Daniel Thym bespricht auf verfassungsblog.de die Vorschläge der EU-Kommission zur Neuregelung des Asylsystems. Dabei geht es insbesondere um die Reform der Aufnahme-Richtlinie sowie das Vorhaben für eine neue Verfahrens- und Qualifikation-Verordnung.

IMK: Der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer kommentiert in einem Gastbeitrag in der Zeit die Debatten und Ergebnisse der Innenministerkonferenz und kritisiert das Schüren von Ängsten vor steigender Kriminalität.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. Juni 2017: Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung / EuGH zu Schleierfahndung / Bericht NSU-U-Ausschuss . In: Legal Tribune Online, 22.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23226/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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