Die juristische Presseschau vom 12. Februar 2015: Verurteilung bei Tatprovokation – Kündigung wegen E-Mail – Fluggastdatenspeicherung kommt

12.02.2015

Straftäter können auch dann verurteilt werden, wenn sie zuvor von verdeckten Ermittlern rechtsstaatswidrig angestiftet worden sind. Das hat das BVerfG entschieden. Außerdem in der Presseschau: EU-Parlament will nun doch die Fluggastdatenspeicherung, die Kündigung eines Betriebsrates wegen einer kritischen E-Mail war rechtswidrig, die Rechtmäßigkeit von Adblocker-Whitelists und warum NPD-Stadträte keinen Anspruch auf einen Handschlag haben.

Thema des Tages

BVerfG zur Verurteilung trotz Tatprovokation: Straftäter können auch dann verurteilt werden, wenn verdeckte Ermittler sie zuvor rechtsstaatswidrig angestiftet haben. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am gestrigen Mittwoch verkündeten Kammerbeschluss entschieden und damit mehrjährige Haftstrafen gegen einen Drogenhändler und seine Helfer gebilligt. Zwar sah das BVerfG das Recht auf ein faires Verfahren verletzt – die Ermittlungsbehörden sollen Straftaten "aufklären, nicht selbst herbeiführen". Die von den sogenannten agents provocateurs ausgehenden "rechtsstaatswidrigen Tatprovokationen" seien aber durch milde Strafen ausgeglichen worden. Nur extreme Ausnahmefälle führten zu einem Verfahrenshindernis, so das BVerfG. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch), der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof), die taz (Christian Rath) und lto.de.

In einem gesonderten Kommentar meint Wolfgang Janisch (SZ), das BVerfG habe nun die Gelegenheit verstreichen lassen, "solchen illegalen Polizeipraktiken einen wirksamen Riegel vorzuschieben". Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fordere, bei Tatprovokationen mit Verfahrenshindernissen und Beweisverwertungsverboten zu reagieren. Und mit der "deutschen Ja, aber-Methode" (Strafe ja, aber nicht so hoch) koste der Bruch der Menschenrechte zwar, aber richtig teuer werde es nicht. Auch Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) äußert sich kritisch und gibt zu bedenken: "Beim NPD-Verbotsverfahren damals war das Bundesverfassungsgericht ein mächtiger Schrecken in die Glieder gefahren, als es merkte, in welchen Sumpf man geraten kann, wenn man vor lauter V-Leuten nicht mehr weiß, wer Räuber ist und wer Gendarm." Von diesem Schreck sei mit der BVerfG-Entscheidung nicht mehr allzu viel zu spüren.

Rechtspolitik

Fluggastdaten: Das EU-Parlament hat sich für die Fluggastdatenspeicherung ausgesprochen und damit seine bisherige Blockade aufgegeben. Das Gesetzgebungsverfahren soll Ende 2015 abgeschlossen sein, meldet die SZ (Javier Cacéres). spiegel.de listet außerdem die 42 Datenpunkte auf, die künftig gespeichert werden sollen.

Javier Cacéres (SZ) meint in einem gesonderten Kommentar: "Geopfert wird die grundrechtlich geschützte Privatheit, die man bislang zum viel beschworenen europäischen Grundwertekanon zählte." Gezahlt werde dieser Preis unter dem Eindruck des Charlie Hebdo-Attentats, der trotz umfangreicher Datensammlungen nicht habe verhindert werden können. Nikolas Busse (FAZ) hingegen kommentiert, dass sich endlich eine "unsinnige Blockade" löse, die die Arbeit der Sicherheitsbehörden seit Jahren behindere.

Volksbefragungen in Bayern: Der bayerische Landtag hat ein Gesetz beschlossen, wonach Bürger künftig im Rahmen von Volksbefragungen nach ihrer Meinung gefragt werden können – als erste in Deutschland, wie die SZ im Bayern-Teil (Klaus Ott) schreibt. Die Opposition wolle vor den Verfassungsgerichtshof ziehen, weil faktisch nur die CSU eine solche Befragung einleiten könne.

BAG-Präsidentin appelliert an Bundestag: Im Zusammenhang mit den zu erwartenden ersten Klagen wegen des neuen Mindestlohns am Bundesarbeitsgericht richtet der FAZ (Joachim Jahn) zufolge die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt, einen Appell an den Bundestag: Der solle die deutschen Gesetze an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anpassen, damit Bürger "eine Chance haben, im Gesetz nachzulesen, was wirklich gelte".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 12. Februar 2015: Verurteilung bei Tatprovokation – Kündigung wegen E-Mail – Fluggastdatenspeicherung kommt . In: Legal Tribune Online, 12.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14672/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen