Die juristische Presseschau vom 17. November 2015: Krieg und Recht / Unter­for­derter Spion / Not­stand in Fran­k­reich

17.11.2015

Ist Frankreich im völkerrechtlichen Sinn im Krieg gegen den Terrorismus? Außerdem in der Presseschau: Notstand im Nachbarland, berufliche Unterforderung als Motiv für Spionage und Konsequenzen mangelnder anwaltlicher Büroorganisation.

Thema des Tages

Krieg und Recht: spiegel.de (Thomas Darnstädt) befragt Rechtsprofessor Claus Kreß zu der vom französischen Präsidenten Francois Hollande abgegebenen Erklärung, sein Land befinde sich im Krieg mit dem IS. Der Direktor des Instituts für Friedenssicherungsrecht der Universität Köln erinnert an die französische völkerrechtliche Argumentation vor den Luftschlägen auf IS-Stellungen gegenüber dem Sicherheitsrat der UNO. Die jetzigen Anschläge als kriegerischen Angriff im Sinne des Völkerrechts zu bezeichnen, sei nach den Anschlägen vom 11. September wohl immerhin möglich, auch in diesem Fall dürften weitere Militärschläge aber nicht als Vergeltungs-, sondern nur als Verteidigungshandlungen geführt werden. Hinsichtlich innerstaatlicher Maßnahmen wie Präventivhaft Verdächtiger müsste Frankreich von der Möglichkeit Gebrauch machen, "das Land im Notstand teilweise von der Europäischen Menschenrechtskonvention zu suspendieren".

Nach Reinhard Müller (FAZ) birgt die "umfassende Verwendung des Kriegsbegriffs" auch Gefahren. So würden "kranke Verbrecher" zu Kombattanten aufgewertet. Dabei ließe "sich jede Mobilmachung durch Kriegsrhetorik leichter rechtfertigen". Dass die Bundesregierung in ihrer diesbezüglichen Einschätzung andere Akzente als Frankreich oder die USA setze, sei ihr gutes Recht. Entscheidend sei ohnehin die Wirksamkeit veranlasster Maßnahmen.

Rechtspolitik

Terrorismus: Über die beim G 20-Gipfel in der Türkei vereinbarten Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus berichtet u.a. das HBl (Ozan Demircan). Unter Einbeziehung der Vereinten Nationen sowie bei Einhaltung des internationalen Rechts und der UNO-Konvention für Menschenrechte solle etwa die Bewegungsfreiheit von Terroristen eingeschränkt werden und ein besserer nachrichtendienstlicher Informationsaustausch erreicht werden.

Thomas Stadler (internet.law.de) legt dar, welche Schlussfolgerungen aus den Anschlägen von Paris nicht zu ziehen seien. Erwartbaren Forderungen nach mehr Überwachungsbefugnisse sei entgegenzuhalten, dass Frankreich nicht nur die Vorratsdatenspeicherung, sondern auch die "vielleicht schärfsten Überwachungs- und Antiterrorgesetze in Europa" besitze. Im Gegensatz zu Deutschland habe sich das Land zuletzt auch nicht durch eine "vergleichsweise liberale Flüchtlingspolitik" ausgezeichnet. Zu erinnern sei dagegen an die Reaktion des damaligen norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg, der nach dem Breivik-Attentat als Antwort auf Terrorismus "mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit" verkündete.

Flüchtlinge/Parlamentsrechte: Die Welt veröffentlicht einen offenen Brief Peter Gauweilers an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Der CSU-Abgeordnete beklagte eine faktische Außerkraftsetzung des gesetzlichen Verbots der Einreise ohne Aufenthaltstitel oder des Verbots der Einschleusung in großen Gruppen durch eine Richtlinienentscheidung der Bundeskanzlerin. Für derartige Entscheidungen sei das Parlament zuständig.

Erbschaftsteuer: Die verfassungsgerichtlich angemahnte Reform der Erbschaftsteuer steckt nach Bericht der SZ (Guido Bohsem) in einer Sackgasse. Während in der Regierungskoalition zumindest Einigkeit in der Unzufriedenheit über den von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgelegten Entwurf herrsche, hätten Berechnungen eines Professors für Steuerwirkungslehre ergeben, dass nach dem im Raum stehenden Modell Erben großer Betriebsvermögen in bestimmten Konstellationen von einer sogenannten konfiskatorischen Grenzbelastung bedroht würden.

Leiharbeit/Werkverträge: Ein von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgelegter Gesetzentwurf sieht schärfere Regeln zu Leiharbeit und Werkverträgen vor. Leiharbeit solle unter anderem auf 18 Monate begrenzt werden, schreibt die SZ (Thomas Öchsner). Der Bericht der FAZ (Dietrich Creutzburg) geht zudem auch auf die im Entwurf vorgesehene "wertende Gesamtbetrachtung" ein, aufgrund derer bestimmt werden solle, wann unzulässige Werkverträge vorliegen.

Steuervermeidung: Die G 20-Staaten haben auf Maßnahmen gegen Steuerflucht internationaler Unternehmen verständigt. Einzelheiten berichtet die FAZ (Manfred Schäfers). Dem Beitrag ist eine weitere Meldung (Hendrick Kafsack) beigefügt, derzufolge sich zahlreiche Unternehmen, die mutmaßlich von Steuerabsprachen mit Luxemburg profitiert hatten, nun doch den Fragen des Luxleaks-Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments gestellt hätten.

Steuerhinterziehung: In einem Gastbeitrag für das HBl fragt Johanna Hey, Direktorin des Instituts für Steuerrecht an der Universität Köln, ob der nun schon neunte Ankauf einer CD mit Steuerdaten durch das nordrhein-westfälische Finanzministerium legal und "mit einem rechtsstaatlichen Besteuerungsverfahren vereinbar" ist. Das Bundesverfassungsgericht habe die Praxis 2011 zwar für zulässig erklärt. Der "wiederholte Ankauf und dessen öffentlichkeitswirksame Bekanntgabe" komme jedoch einer "Aufforderung zu den mit der Datenbeschaffung einhergehenden Straftaten gleich". Angesichts der Strafbewehrung von Geheimnisbruch und Ausspähen von Daten sei fraglich, ob nun noch die gebotene Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung gegeben sei. Es wäre Zeit für eine erneute verfassungsgerichtliche Überprüfung.

Justiz in Hamburg: Aufgrund eines Berichts der Hamburger Justizverwaltung zur wachsenden Arbeitsbelastung von Gerichten und Staatsanwaltschaften in der Hansestadt stellt Frank Drieschner (zeit.de) fest, dass die wachsende Stadt "nun auch eine wachsende Justiz" brauche. Die zunehmende Spezialisierung von Anwälten bewirke trotz insgesamt sinkender Fallzahlen "aufwendigere Verfahren".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. November 2015: Krieg und Recht / Unterforderter Spion / Notstand in Frankreich . In: Legal Tribune Online, 17.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17558/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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